Oliver Maria Schmitt: KomaSee

  • Delikatessroman


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    Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass ein Verlagsmarketing, das einen Roman mit dem Prädikat „hinreißend komisch“ bewirbt, die Grenze zur Ratlosigkeit von der falschen Seite aus betrachtet. Tatsächlich „hinreißend komisches“ Kulturzeugs ist nämlich wirklich rar, und vermutlich werden genau deshalb solche Attribute gewählt: Weil kaum jemand Vergleichsmöglichkeiten hat – oder auch nur kategorisieren könnte, was damit tatsächlich gemeint sein mag, mit welcher Erwartung es verbunden werden könnte. Das ist wie beim Zusatz „Delikatess“ mit Bindestrich auf Supermarktlebensmitteln: Wer weiß schon, wie „Delikatess-Margarine“ oder „Delikatess-Mortadella“ im Vergleich zum Standardkram zu schmecken hätte? Genau!


    So oder so, und um es möglichst kurz zu machen: Der Titel von Schmitts drittem „Roman“ ist (ohne Zusatz) echt geil und leider auch schon das Komischste an „KomaSee“. Dieses Schicksal hatte sich bereits beim „Anarchoshnitzel“ und beim „BRAZ“ angekündigt, ist dort dann unterm Strich aber weniger nachhaltig ausgefallen. „KomaSee“ demgegenüber ist von einer altersmilden Zurückhaltung geprägt, die oft, und da wird es schmerzhaft, in Anbiederung umschlägt. Es gelingt Schmitt leider auch nicht, dies durch breit gestreuten, altersweisen Sprachwitz oder ähnliche Elemente, für die man mit fortschreitender Lebenszeit (als Satiriker) Qualifikationen erwerben könnte, auszugleichen.


    Comer See also. Elena, die dort wohl auch ihre Kindheit verbracht hat, hofft auf Schnappschüsse von George Clooney, der Gerüchten zufolge eine Affäre haben könnte, und der immerhin zu den wenigen „Promis“ gehört, die sich nicht in jeder Situation selbst fotografieren und das dann irgendwo posten, weshalb ein aussagekräftiger Schnappschuss Elenas siechendes Paparazza-Geschäft wieder beleben könnte. Wochenlang schon hat sie nachts im kleinen Motorboot vor Clooneys Anwesen auf dem See gewartet und bislang nicht einmal einen Blick auf sein fahrendes Boot erhaschen können, als die Romanhandlung einsetzt, die aber keine ist. In „KomaSee“ reihen sich recht beliebige Episoden aneinander, die teilweise ganz ohne Dramaturgie auskommen müssen, und die halt irgendwie an diesem Teich spielen, der ja ganz pittoresk anzusehen ist, in dem, auf dem und um den herum sich aber vor allem Menschen tummeln, mit denen Leute mit Charakter nicht so gerne ihre Freizeit verbringen – Menschen mit viel Geld, die sich allein aufgrund dieses Aspekts für bessere Menschen halten, und andere, die auf Profit hoffen, wenn sie diese Menschen hofieren, und dabei auch gerne Herkunft und Kultur verleugnen, sich also am Ausverkauf der Region beteiligen. Diese Entwicklung ist tatsächlich ausgerechnet von Leuten wie George Clooney beschleunigt worden, die mit ihren Haus- und Landerwerben dort zugleich Scharen von zusätzlichen Touristen angelockt haben, die (was im Roman unaufhörlich thematisiert wird) nun für ständige Staus auf den Straßen rund ums Gewässer sorgen.

    Auf dem Elena auf ebenjene Fotochance wartet. Wenn sie nicht mit ... Dings (ich habe den Namen vergessen) unterwegs ist, der windige Geschäfte betreibt, immer sehr coole Oldtimer fährt, in Elena verknallt ist und zum Comerseeurgestein gehört, aber eher als Slaptstickcharakter rüberkommt. In diese Richtung gehen auch zwei ansonsten recht unmotivierte Episoden, die Elena erlebt, als sie Gelegenheitsjobs als Fotografin annimmt: Schmitt führt die Leute vor, die auch dazugehören wollen, sich dabei aber tendentiell lächerlich machen, und irgendwie wird man das Gefühl nicht los, dass der Autor selbst auch mindestens Schnittmengen mit ihnen hat.


    „KomaSee“ ist noch weniger Roman als seine beiden Vorgänger, weil sich Oliver Maria Schmitt beharrlich weigert, den Maßgaben dieses Etiketts zu folgen, aber duldet, dass der Verlag auch das auf seine Bücher drucken lässt. Neben „hinreißend komisch“ beispielsweise, das auf diesen Text so sehr zutrifft wie „galaktisch“, „aromatisch“ oder „buntschillernd“. Im Gegensatz zu den beiden Vorgängern fallen aber auch Sprachwitz und Satire hier eher seicht aus, um es noch nett zu sagen (und einen entfernt nautischen Begriff einfließen zu lassen). „KomaSee“ ist also ein Delikatessroman, der sich vielleicht neben der titelgleichen Margarine im Kühlschrank wohlfühlt. Auf meinem Lesetisch hatte er jedenfalls keine so gute Zeit. Und ich nicht mit ihm.

    ASIN/ISBN: 3737102074