Florian Illies Wenn die Sonne untergeht

  • Grand Seigneur und Patriarch der deutschen Literatur und seiner Familie

    Hätte Thomas Mann 2025 nicht solch ein Jubiläum, deb 150. Geburtstag, hätten wir nicht diese ganze Flut von Thomas Mann Neuauflagen, Biographien und Romane. Und nun auch Florian Illies. Sein Stil ist einzigartig. Ganze Sätze, dann Bruchstücke eines Satzes, aber alles durchdrungen von einer gestochen scharfen Logik.

    Das Buch ist eine elegante und äußerst gelungene Mischung aus Roman und Biographie der gesamten Mann-Familie,von den Schwiegereltern, zum Bruder, den 5 Kindern und natürlich Thomas Mann selbst. Nur “K.”, wie Thomas Mann seine Frau in seinen Tagebüchern nennt, kommt etwas zu kurz. Sie hat sich immer zurück gehalten, ihr Leben in den Dienst ihres berühmten Gatten gestellt. Wenn sie doch einmal hervortreten sollte, weiß Thomas Mann das sofort zu unterbinden. So. z.B. bei einer Gartenparty auf der Katia mit anderen Gästen französisch redet, fühlt sich Thomas Mann urplötzlich unpässlich und drängt auf baldigen Aufbruch. Er kann es nicht ab, nicht im Mittelpunkt zu stehen.

    Dabei sind im Sommer 1933 in Sanary, berühmte und bekannte Literaten, Bildhauer und Maler da, Bertolt Brecht, Lion Feuchtwanger, Aldous Huxley, Heinrich Mann, René Schickele, Arnold Zweig, alle mit jeweils ihren Familien, Sekretärinnen, Kindern, usw. Thomas Mann könnte seiner Frau wohl die paar Minuten Freude gönnen. Aber das geht nicht. Er ist bei diesen Gesprächen nicht im Mittelpunkt.

    Das Buch ist eine Anreihung von Anekdoten und Geschichten aus dem Leben der Exildeutschen in Sanary, gespickt mit Nachrichten aus Deutschland, aus Berlin und München. Nachrichten von Familie Pringsheim, Katias Eltern, Zeitungsnachrichten über sich häufende Gräuel und Ungerechtigkeiten des Nazi-Regimes. Dabei haben die Manns Glück, Golo Mann, dem Sohn, gelingt es, einen beträchtlichen Teil des Vermögens aus dem Land zu bringen mittels Diplomatenpost und Erika Mann gelingt der große Coup, die wertvollen Möbel, Tafelsilber, kostbares Porzellan usw. der Eltern in die Schweiz zu schmuggeln, kurz bevor das Haus von den Machthabern beschlagnahmt wurde. Diese Bravourtaten beschreibt Illies so lebendig, als ob wir dabei gewesen wären.

    Wie Thomas Mann über seine Familie bestimmt und herrscht wäre heute undenkbar. Mit einer gehobenen Augenbraue, mit einer Geste, mit einem strengen Blick, beherrscht er alle 6 Kinder. Klaus und Golo machen sich heimlich Notizen, um den Vater unterhalten zu können, wenn der Vater es denn wünscht. Für fünf der sechs Kinder sind die sakrosankten Mittagsmahlzeiten eine Tortur. Allein Medi (Elisabeth Veronika Mann), der erklärte Liebling der Eltern stösst sich nicht daran, findet nichts Beschwerliches an den Mahlzeiten. Thomas Mann liebt streng getaktete und strukturierte Tage. Mahlzeiten zu festen Stunden, dazwischen immer die gleichen Aktivitäten. “Ohne dieses feste Gefüge hätte Thomas Mann die Ungewissheit des Exils nicht ertragen können.” (S. 265)

    Illies verwendet viele Zitate aus den Tagebüchern der Personen (damals schreiben wohl alle Tagebuch, heute ist das eher aus der Mode gekommen), aus ihren Werken, aus überlieferten Dialogen. Besonders kreative Wortschöpfungen von Thomas Mann, wie “Behagensminderung”, die uns heute etwas seltsam klingen, sind aber dennoch immer noch klar verständlich, wir lassen sie auf der Zunge zergehen, genießen sie.

    Zum Schluss des Buches erhalten wir den Stammbaum der Familie Mann und ein “Who is Who” der Personen in Sanary. Schmankerl: auch die Häuser aus München und Sanary finden hier ihren Eintrag. Schon während des Buches wird so liebevoll und achtsam von diesen Häusern gesprochen, dass sie personalisiert werden, wesentlicher Teil der darin wohnenden Menschen sind.

    Thomas Manns erster Teil der Josef-Trilogie erscheint noch Herbst 1933 beim Fischer Verlag in Berlin und “Wenn die Sonne untergeht” von Illies wird vom S.Fischer Verlag publiziert. Fast wie eine Heimkehr des Patriarchen zu seinem Verlag.


    ASIN/ISBN: 3103971923