Die Farbe des Bösen - Ralf H. Dorweiler

  • Hamburg im Umbruch, Verbrechen im Schatten

    Kurzmeinung: Atmosphärischer Historienkrimi: Hamburgs Arbeiterbewegung als starke Kulisse, kluger Aufbau und ein Cliffhanger, der Lust auf mehr macht.

    Darum geht es:
    Hamburg 1887: Eine entsetzlich zugerichtete Leiche auf einem Fabrikgelände ist erst der Anfang einer mysteriösen Todesserie …

    Hamburg 1887. Die Richterstochter Johanna Ahrens hat sich Hals über Kopf in einen Sozialisten verliebt. Als sie ihn zu einer Protestaktion vor einer Tapetenfabrik begleitet, wird sie Zeugin, wie zwei Männer eine Leiche aus einem Nebengebäude tragen. Schockiert wendet Johanna sich an Criminalcommissar Hermann Rieker. Der kann vor Ort zunächst keine Spur eines Verbrechens finden, wird aber hellhörig, als auf einem nahe gelegenen Brachgelände ein grausam zugerichteter Toter entdeckt wird. Während Johanna auf eigene Faust inkognito in der Fabrik ermittelt, forscht Rieker nach der Identität des Toten. Schon bald stößt er auf weitere Leichen, die ähnlich entstellt sind …

    Düster, atmosphärisch, atemberaubend spannend – der zweite Fall für Criminalcommissar Hermann Rieker und die Richterstochter Johanna Ahrens.


    Über den Autor

    Ralf H. Dorweiler studierte Theater-, Film- und Fernsehwissenschaft in Köln, arbeitete als Schauspieler, im Management für internationale Konzerne und schließlich als Redakteur bei einer großen Tageszeitung. 2006 erschien sein erster Roman. Mittlerweile ist er hauptberuflicher Schriftsteller und lebt mit seiner Frau in Bad Pyrmont.


    ASIN/ISBN: 3442496381


    Meine Eindrücke


    „Dieses Buch riecht nach Terpentin, Angst und Aufbruch.“


    Die Farbe des Bösen überzeugt weniger durch vordergründige Brutalität als durch seine Atmosphäre. Dorweiler verankert seinen Kriminalfall in einem historischen Setting, das nicht bloß Kulisse ist, sondern erzählerische Substanz: Hamburg zur Zeit der aufkeimenden Arbeiterbewegung, überschattet von den Sozialistengesetzen, Misstrauen, staatlicher Repression und sozialer Spannung. Man spürt auf nahezu jeder Seite, dass hier eine Stadt erzählt wird, die brodelt – politisch wie menschlich.


    Gerade diese historische Verortung ist eine der großen Stärken des Romans. Dorweiler gelingt es, die gesellschaftlichen Umbrüche des späten 19. Jahrhunderts organisch in den Plot einzuweben, ohne belehrend zu wirken. Klassenunterschiede, politische Ideologien und soziale Unsicherheit sind nicht erklärtes Thema, sondern Hintergrundrauschen – und genau deshalb so wirksam. Das Verbrechen steht nie isoliert da, sondern ist Symptom einer Zeit, die selbst aus den Fugen geraten ist.


    Die beiden Protagonisten Rieker und Ahrens tragen den Roman solide, auch wenn ihre Figuren noch nicht vollständig ausgeleuchtet sind. Genau hier liegt allerdings ein bewusst gesetzter Reiz: Dorweiler deutet an, legt Spuren, lässt Brüche sichtbar werden, ohne alles aufzulösen. Besonders der Cliffhanger am Ende funktioniert hervorragend – nicht als billiger Effekt, sondern als Einladung, tiefer in diese Figuren einzusteigen. Man will wissen, wie es weitergeht. Und man ahnt, dass da noch mehr unter der Oberfläche liegt.


    Sprachlich bleibt der Roman klar, zugänglich und atmosphärisch dicht. Die Spannung entwickelt sich eher schleichend als explosiv, was nicht jedem Leser gefallen wird, dem Buch aber gut steht. Die Farbe des Bösen ist kein reißerischer Pageturner, sondern ein historischer Kriminalroman mit Ambition und Haltung.


    Fazit: Ein stimmungsvoller, klug kontextualisierter Krimi, der besonders durch sein historisches Setting überzeugt und mit einem starken Ende neugierig auf mehr macht. Ein sehr solides, gut komponiertes Fundament für das, was mit Rieker und Ahrens noch kommen darf.


    Für Leser, die…

    • …historische Krimis mit gesellschaftlichem Unterbau schätzen.
    • …Hamburg nicht nur als Ort, sondern als Zeitgefühl erleben wollen.
    • …Serienanfänge mögen, die bewusst Raum für Entwicklung lassen.


    Das Buch mit einem Satz... „Manchmal ist das Böse nicht laut – sondern gut organisiert.“