Oh Gott, das ist alt... verdammt alt. Naja gut, von 2004...
Jedenfalls hab ich die hier beim Aufräumen gefunden. Bitte sezieren!
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Die Geliebte
Unter sich hörte er die trommelnden Hufen seines Pferdes. Schlamm spritzte nach allen Seiten auf, als es über den regendurchnässten Boden preschte und an der Schnauze des Pferdes hing bereits gelber Schaum, der vom langen und anstrengenden Ritt herrührte. Der Wind peitschte ihm wild ins Gesicht und die Freiheit, die mit diesem Gefühl verbunden war, verdrängte seine Angst.
Am Horizont verschwanden gerade die letzten, wärmenden Sonnenstrahlen und die Bergkette, die sich in seinem Rücken erstreckte war bereits in tiefster Dunkelheit versunken. Leise breitete sich Nebel aus, der so dicht war, dass er den Hengst unter sich nur noch schemenhaft erkennen konnte.
Er zog am Zügel seines Pferdes, worauf hin es sein Tempo verlangsamte und aus dem wilden Galopp ein gemächlicher Trapp wurde.
Vor sich konnte er nun die Umrisse der riesigen Eiche erkennen, die so hoch in den Himmel wuchs, dass man sie auch die „Leiter Gottes“ nannte. Sie stand auf einem Hügel, der sich bei schönem Wetter deutlich aus der Grasebene hervortat, die die Landschaft von den Bergen bis zu den nächsten Bauernhöfen und den dazugehörigen Feldern einnahm.
Genauso leise, wie er aufgekommen war, verzog sich der Nebel wieder und gab den Blick auf einen ungewöhnlich großen und hellen Vollmond, der von einem flauschig anmutenden Wolkenberg umgeben wurde, frei.
Nun erblickte er auch die Gestalt, die unter dem gewaltigen Baum stand. Sein Blut pulsierte, als wolle es sein Herz abhängen und ihm floss kalter Schweiß über sein Gesicht. Die wenigen Meter, die sie noch trennten, kamen ihm wie etliche Meilen vor.
Als er kurz vor dem Baum stand und sich aus dem Sattel gleiten ließ drehte sich die Frau zu ihm um und nahm ihn mit ihrem Blick gefangen. Ihm wurde zugleich heiß und kalt und er konnte es nicht erwarten, sie endlich in seine Arme zu schließen.
Sie schien ebenso zu leuchten, wie der Mond und zugleich die wohlige Wärme des Frühlings aus zu strahlen. Ihr blondes Haar fiel auf ihre Schultern hinab und ihr weißes Seidenkleid schmiegte sich sanft an ihre zierliche Figur.
Vorsichtig nahm er sie in seine Arme, so als hätte er Angst, sie könne wie eine Porzellanfigur zerbrechen und ihm für immer genommen werden.
Worte waren für ihre Gefühle nicht Ausdruck genug und so hielt er sie einfach in seinen Armen und genoss das Gefühl ihrer Wärme. Sie schmiegte sich ihrerseits an ihn und nach einer Weile, die für ihn endlos lang zu dauern schien, spürte er ihre Lippen auf den seinen. Eine Flamme fuhr durch seine Brust wie ein Schwert und wenige Sekunden kamen ihm wie endlose Jahre vor.
So kam ihm die Nacht wie eine Ewigkeit vor. Und doch war sie zu kurz. Zu kurz, als dass er all seinen Gefühlen in dieser Zeit hätte Ausdruck verleihen können.
Langsam schwand die Nacht und überließ dem Tag das Feld.
Schon bald würden die ersten Sonnenstrahlen gemächlich über den Horizont kriechen und auch die letzte Dunkelheit vertreiben. Gleichzeitig waren sie aber auch das Zeichen für ihren Abschied.
Sie hatten die ganze Zeit lang dort gestanden, Arm in Arm. Nun schnürte sich ihm die Kehle zu und unsagbare Angst machte sich in ihm breit. Angst, sie nie wieder zu sehen, Angst, dass dieser Augenblick einmalig bleiben würde.
Auch in ihren Augen machten sich Schmerz und Angst breit. Er fuhr sanft mit seinem Daumen über ihre Wange um eine einzige Träne fort zu wischen. Eine Träne, auf die noch viele folgen würden.
Wiederstrebend langsam löste er sich schließlich aus ihrer Umarmung und wandte sich zum Gehen. Sie blieb stehen, mit gesenktem Blick und nun flossen die Tränen wie Sturzbäche ihre Wangen hinunter, durchnässten ihr Kleid an den Schultern und tropften auf den Boden.
Während sie dastand ritt er mit bleischwerem Herzen davon. Jeder Meter, jeder Zentimeter, den er sich von ihr entfernte, drückte auf sein Herz und wollte es zum Zerspringen bewegen und jede Bewegung seines dahingaloppierenden Pferdes, die ihn weiter von ihr wegtrug, ließ tausend Schwerter seinen Körper schmerzhaft durchbohren.
Er preschte über die Ebene und spürte dabei, wie auch ihm die Tränen die Wangen hinablaufen wollten. Doch sie wurden vom Wind davongetragen, in Richtung der Eiche, in Richtung seiner Geliebten.
Doch trotz der damit verbundenen Schmerzen war er froh, dass er solch tiefe und intensive Gefühle empfinden konnte.
Dass er lieben konnte.
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Danke fürs Lesen!
LG,
Rava