'Ulysses' - 06 Hades - Friedhof

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    Es ist ja nicht eigentlich schräg, was er denkt, er nimmt nur immer wieder Kleinigkeiten und Details aus der Umwelt wahr und spinnt sie weiter, wie auch andere Menschen es tun. Nur spricht man es im Grunde ja nie aus oder reisst sich nach ein paar köstlichen, ja nahezu verbotenen Momenten fest zusammen.


    Genau so ist es.
    Ich könnte mir vorstellen, daß er zu seiner Zeit damit ein ganz schönes durcheinander ausgelöst hat. Da wird doch einiges benannt und bezeichnet, über das man aus meiner Sicht vermutlich noch vor einigen Jahren schwer schockiert gewesen wäre.
    Aber als Schocklektüre hab ich Ulysses bisher eigentlich nicht verstanden.
    Hm... vielleicht war man nicht schockiert, weil jeder im Grunde weiß, daß der Mensch genauso denkt?
    Schräg find ich es auch nicht, es sind einfach die Gedankengänge, die aufgeschrieben werden und die man nun entweder nachvollziehen kann oder eben nicht.

  • Zitat

    Original von Babyjane
    ...vielleicht war man nicht schockiert, weil jeder im Grunde weiß, daß der Mensch genauso denkt?


    Aber ich bin nicht sicher, dass diese Art des Denkens wirklich realistisch ist. Bloom denkt an so viel und so detailiert, wie ich es Otto Normalbürger kaum zutraue.
    Aber vielleicht sollte ich nicht von mir auf andere schließen! :lache

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    Original von Herr Palomar
    Aber ich bin nicht sicher, dass diese Art des Denkens wirklich realistisch ist. Bloom denkt an so viel und so detailiert, wie ich es Otto Normalbürger kaum zutraue.
    Aber vielleicht sollte ich nicht von mir auf andere schließen! :lache


    Also ich denke auch nicht so viel und so ausführlich! Überhaupt kam es mir so vor, als würde es länger dauern, als es tatsächlich der Fall ist im Buch. Zum Lesen brauche ich ja auch länger als ein Tag. Ja, natürlich kann man das so nicht sagen, aber vielleicht versteht ihr, was ich meine?


    Und ich glaube sehr wohl, dass die Leute in höchstem Maß von "Ulysses" schockiert waren, denn zwischen dem "Jeder denkt es für sich" und es in Worte zu fassen und zu veröffentlichen ist doch ein großer Unterschied. Jedenfalls für die Menschen damals.

  • Hm... ich denke da immer noch drüber nach und komme zu keinem Ergebnis... vielleicht ersetze ich schockiert durch irritiert und dann wäre ich fast einverstanden Jeanne

  • Vielleicht sind wir heute von dem Buch und seinen Inhalten weniger irritiert, weil wir in einer Zeit leben, in der seine damals neuen Gedanken schon tausendfach auf ähnliche Weise gedacht worden sind. Kirchenkritik irritiert mich nicht, Leichen habe ich schon zu tausenden in den Medien betachtet, sogar die Kleidung kann ich mir vorstellen, Fremdgehen ist alltäglich, Sex ...
    Ulysses ist bereits tausendfacht rezipiert, interpretiert, gehasst, bewundert, bekannt. Viele dürften Joyces Namen kennen und einige auch den Inhalt seiner Werke. Wundert mich nur, dass sich noch kein Regisseur an ihn herangemacht hat, oder doch?

  • Verfilmt 1967 von Joseph Strick.
    Joyce werden beim Drehbuch 'writing credits' zugestanden ;-)


    Der Film ist eine eigenartige Erfahrung. Natürlich kann man das Buch nicht verfilmen, aber es hat schon was, die auftretenden Personen wortwörtlich Joyces Dialoge sprechen zu hören.
    Der Film ist aber nur 2 Stunden lang. Und die Musik stimmt ü b e r h a u p t nicht!!


    Dann gab es 2003 oder 2004 noch mal einen irischen Versuch, das Ganze in Bilder umzusetzen, ich habe aber keine Ahnung, was daraus geworden ist.
    War, soweit ich mich erinnere, eine Regisseurin, die das vorhatte.

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von magali ()

  • Die Leute machen wirklich vor nichts halt ;-)


    Dann ist es ja gut, dass ich die Sache als Frage vormuliert hatte, ich ahnte doch irgendwie schon, dass sich da jemand daran versucht hat.


    Nach meiner bisherigen Lektüre bin ich allerdings nicht wirklich neugierig auf die Umsetzung. Am ehesten kann ich es mir als episodenhaftes Machwerk vorstellen, dass sich auf die witzig-ironischen Bemerkungen der Protagonisten stützt, aber auch da gibt es verfilmbarere Vorlagen. Manchmal ist ein Buch eben ein Buch und ein Film ein Film.


    Magali, ich bewundere dich jedenfalls für dein umfassendes Wissen.


    Liesbett

  • Liesbett


    freue mich, wenn es Dir nützt.


    Aber 'umfassendes' Wissen? :wow


    Ich habe ein Buch gelesen und weiß, daß es verfilmt wurde.
    Nichts also, was nicht jede/r andere auch wissen kann.
    :-)

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Hat nichts mit Bescheidenheit zu tun.


    Nur mit Zurechtrücken. Klar weiß ich viel, ist aber auch eine Frage der Erfahrung und die kann jede/r im Lauf der Zeit erwerben.


    Ich bin übrigens nicht im Mindesten bescheiden :grin
    Bloß fürchterlich vernünftig.

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Zitat

    Original von magali
    Aber 'umfassendes' Wissen? ... Nichts also, was nicht jede/r andere auch wissen kann.


    Nun ja, wenn ich mir die bisherigen Beiträge aller Ulysses-Threads (1-6) so anschaue ... Ich denke schon, dass du überdurchschnittlich viel zum Ulysses-Verständnis beiträgts und finde, ein kleines Lob ist durchaus angebracht, im vernünftigen Rahmen selbstverständlich. :grin


    Liesbett
    (die sich im Loben übt. Habe extra einen Kurs besucht. Ehrlich)