OT: La Dame en Bleue
Kurzbeschreibung
Die Wiederentdeckung der Langsamkeit -- ein Thema, das den Zeitgeist trifft. Die Dame in Blau von Noelle Chatelet ist ein weiterer Beitrag zu dieser Thematik.
Mireille ist eine erfolgreiche und gutaussehende Frau von fünfzig Jahren. Ein verantwortungsvoller Job, ihre Liebhaber und ein großer Freundeskreis strukturieren ihren Tagesablauf und halten sie auf Trab. Mireille führt ein scheinbar zufriedenes und erfülltes Leben. Bis eines Tages eine kleine Begebenheit alles verändert: Als Mireille wieder einmal eilig durch die Straßen hetzt, wird sie ungewollt aufgehalten. Langsam und gemessenen Schrittes geht eine alte Dame vor ihr her. Etwas seltsames passiert: Mireille paßt sich dem Schrittempo an und wird plötzlich von einer unglaublichen inneren Gelassenheit erfaßt. Diesem neuen Zustand der Ruhe gibt sich Mireille nun ganz hin und überträgt ihn auf ihren Lebenswandel. Sie überläßt sich dem Lauf der Dinge, kämpft nicht mehr, lernt zu genießen. Sie krempelt ihr Leben völlig um, setzt sich mit dem Altern auseinander. Sie überdenkt ihre Freundschaften, ihre Liebschaften und das Verhältnis zu ihrer Tochter.
Meine Meinung
Der Einstieg hat mir gut gefallen: Mireille, die Karrierefrau, die gehetzte und gestresste taffe Fünfzigerin, begegnet auf der Straße einer anderen Frau, deren gemächliche Art ihr auffällt – und gefällt. So sehr, dass sie diese Geruhsamkeit annimmt und sie sich Schritt für Schritt vom Leben zurückzieht, sich fallen lässt und sich sozusagen aufs Altenteil zurückzieht – sehr zum Unverständnis ihrer Umwelt.
Die Anfänge haben mir noch gut gefallen, als sie z.B. ihre hohen Hacken und immer etwas zu engen Hosen gegen bequemere Kleidung eintauscht und der Hektik ihres Lebens den Genuß der Langsamkeit entgegensetzt.
Doch dann überzieht sie in meinen Augen den Bogen: Sie gibt sich ALT und zwar viel älter, als viele wesentlich ältere Senioren es innerlich sind. Sie lässt sich gehen, sie unternimmt kaum noch etwas und sie zieht sich in ihr Schneckenhaus zurück.
Selbst wenn das Augenzwinkern am Ende des Buches schon durchblitzt und die Aussage des Buches die Wiederentdeckung der Langsamkeit sein soll – auf mich hat das Buch mit der Verwandlung der taffen Karrierefrau Marthe in eine langweilige (fast schon senile!) graue Maus deprimierend gewirkt. Ich möchte allerdings weder ihr Leben vor, noch das nach der „Verwandlung haben“. Wie so oft ist auch hier das goldene Mittelmaß der richtige Weg.