'Werte' - Bewahrung und Erneuerung

  • Traditionen... Ist ihre Bewahrung wirklich sinnvoll, oder bewahrt man sie, weil "man es schon immer so gemacht hat"? Was ist der Grund für Traditionen? Peter Prange nennt Sicherheit als Grund, was durchaus plausibel ist. Ich habe mal darüber nachgedacht, welche Traditionen ich so pflege. Da fiel mir natürlich als erstes die Gestaltung von Weihnachten in unserer Familie ein. Die ist seit Jahren gleich und würde jemand etwas daran ändern, würde wohl ein Aufschrei durch die Familie gehen, obwohl der Ablauf selbst eigentlich keinen bestimmten Grund oder kein bestimmtes Ziel hat. Es ist einfach schön, diese oder ähnliche Rituale zu pflegen :-] (Mit Ritualen meine ich jetzt nicht Weihnachten selbst, sondern wie es in unserer Familie gefeiert wird!). Andererseits sträuben sich mir die Haare, wenn ich z.B. in einem Betrieb höre, dass Neuerungen mit der Begründung abgelehnt werden, das habe man schon seit Jahren so gemacht, dann wird es auch die nächsten 20 Jahre soundso gemacht, obwohl eine Veränderung möglicherweise die Arbeitsabläufe verbessern würde. Vielleicht, weil ich einen konkreten Sinn in einer Veränderung sehe, der bei einer Veränderung von Ritualen fehlt...


    von Lyon
    Der hier angesprochene Aspekt, die Bibel ändern zu wollen, ist hochinteressant. Darf ich nachträglich "verbessern", weil ich vermute, im Original stecken Fehler? Oder muss ein Original nicht bestehen bleiben als Original? Muss ein Original in jedem Fall bewahrt werden oder nur dann, wenn es "vollkommen" ist? Ist eine nachträgliche Änderung in solchen Fällen gut oder schlecht? ...


    Campanella
    "Die Selbstsucht ist gegenstandslos geworden, wenn es kein Eigentum mehr gibt" - wirklich? Ich habe keine Antwort darauf, aber sehr interessant!


    Herder
    Tradition als Bremse des Fortschritts - ohja, in einigen Fällen ganz sicher (siehe oben *g*)!


    Owen
    Mich würde interessieren, warum Owens Experiment in Schottland funktionierte und in Europa auf großes Interesse stieß, in Amerika jedoch scheiterte. Wegen der unterschiedlichen Werte? ;-)
    In seinem Projekt fordert er ideale äußere Umstände, die geschaffen werden müssen, statt dem Einzelnen sein Glück selbst zu überlassen. Die Rahmenbedingungen müssen stimmen, ja, doch ob sich dann auch wirklich alle entfalten und dies nutzen? :gruebel Dass die Gleichheit der geistigen Fähigkeiten damit gesichert sein soll, bezweifele ich, schließlich geht es eher um die Möglichkeit zur Weiterentwicklung, aber nicht jeder hat die gleichen individuellen Voraussetzungen und nutzt diese gleichermaßen.

  • Das ist mal wieder ein interessanter Titel. Wie heißt es so schön? Stillstand ist Rückschritt. Es geht also immer voran und es ist auch gut so, daß wir beständig auf der Suche nach Neuem, nach Fortschritt sind, da Fortschritt unser aller Leben erleichtert und Krankheiten zu heilen hilft. Doch Fortschritt hat natürlich auch seine Schattenseite: Nicht alles, was erfunden wird, ist „gut“ und oft haben zuerst als gut empfundene Neuerungen ganz düstere Schattenseiten, die erst im Nachhinein erkennbar sind (ich muß dabei an Contergan und die Folgen denken).


    Erneuerung ist gut, aber oft genug macht sie auch Angst, weil man noch nicht weiß, welche Folgen sie mit sich bringt, wie im Fall des von Peter Prange im Einleitungstextes beschriebenen Mauerfalls.


    Dennoch finde ich es auch schön, alte Traditionen zu bewahren und beides schließt einander ja nicht immer aus. Es kommt halt immer darauf an, worum es im konkreten Fall geht.


    Der menschliche Wunsch nach Sicherheit ist natürlich oft auch ein Hemmschuh für Neuerungen, doch ich denke, letztendlich siegt meist die Neugierde des Menschen auf das Mögliche, bzw. der Wunsch das Unmögliche möglich zu machen.


    @ milla
    Ja, das Argument, „das haben wir doch immer schon so gemacht“, ist ein echter Killer. Frage mich nicht, wie oft ich mir das schon anhören mußte!


    Mimnermos
    Der Text ist sehr schwermütig und verdeutlicht mir weder Bewahrung noch Erneuerung, sondern wie es im Titel schon heißt, einfach nur die Vergänglichkeit. Im Text geht es nicht vorwärts oder rückwärts – es gibt nur ein abwärts.


    Von Lyon
    Milla schrieb:
    Der hier angesprochene Aspekt, die Bibel ändern zu wollen, ist hochinteressant. Darf ich nachträglich "verbessern", weil ich vermute, im Original stecken Fehler? Oder muss ein Original nicht bestehen bleiben als Original? Muss ein Original in jedem Fall bewahrt werden oder nur dann, wenn es "vollkommen" ist? Ist eine nachträgliche Änderung in solchen Fällen gut oder schlecht? ...


    Das ist eine interessante Frage. Aber ich meine dennoch, man sollte das Original bewahren – und eine Fußnote mit den neueren Erkenntnissen anbringen. Oder aber umgekehrt verfahren. Aber einfach etwas kommentarlos ändern, weil man in späteren Jahren zu anderen Erkenntnissen gekommen ist, wäre auch falsch. Genauso falsch wie es wäre, eine veraltete Lehre wider besseres Wissen zu verbreiten.


    Wie wird das eigentlich in „der Wissenschaft“ gehandhabt, wenn man zu einer antiquierten Theorie neue Erkenntnisse gewonnen hat? Fällt das alte dann unter den Tisch oder wird es entsprechend ergänzt weiter gelehrt? Kann das jemand beantworten?


    Campanella
    Eine von ganz vielen Utopia-Varianten...


    Milla schrieb:
    "Die Selbstsucht ist gegenstandslos geworden, wenn es kein Eigentum mehr gibt" - wirklich? Ich habe keine Antwort darauf, aber sehr interessant!


    Ich weiß nicht. Das kann ich mir nicht so recht vorstellen. Ich könnte mir aber dennoch vorstellen, daß sich die Selbstsucht in so einer Welt eben darin äußert, Eigentum besitzen zu wollen, oder?


    Mercier
    Eine weitere Variante von Utopia! Wobei ich eigentlich sehr skeptisch bin, was dies angeht. Ich glaube eher, daß der Mensch sich systematisch immer wieder ein Stückchen mehr selbst kaputtmacht durch die Art wie er lebt (Umweltverschmutzung, Kriege etc.) Ich glaube eigentlich, wir werden irgendwann, eines hoffentlich SEHR SEHR fernen Tages eher uns selbst als einer globalen Katastrophe zum Opfer fallen. Ich denke, die Erde wird unsere Spezies überleben. Doch was kommt danach? Ein neuer Anfang, so in der Art einer zweiten Schöpfungsgeschichte? DAS finde ich einen äußerst interessanten Gedankenansatz, der allerdings nicht so wirklich hier rein gehört, obwohl es sich ja letztendlich auch um eine Art von Erneuerung handelt. :gruebel


    P.S. Dieses Kapitel fand ich übrigens mal wieder so RICHTIG interessant. Klasse!

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

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  • Zitat

    Original von Batcat
    Wie wird das eigentlich in „der Wissenschaft“ gehandhabt, wenn man zu einer antiquierten Theorie neue Erkenntnisse gewonnen hat? Fällt das alte dann unter den Tisch oder wird es entsprechend ergänzt weiter gelehrt? Kann das jemand beantworten?


    Ich kann nur für die Psychologie als Wissenschaft sprechen, nehme aber an, dass es sich bei anderen Wissenschaften ähnlich verhält. Es kommt auf den Zusammenhang an, wie weit ausgeholt wird. In einem Lehrbuch werden sicherlich noch aus historischen Aspekten (aber auch als solche gekennzeichnet!) Galens Säfte- und Temperamentlehre beschrieben oder die Annahme, dass bestimmte körperliche Eigenschaften auf Persönlichkeitsmerkmale schließen lassen. "Gelehrt" werden diese Theorien aber auf keinen Fall mehr. Geht es aber um eine wissenschaftliche Abhandlung werden in der Regel nur solche Theorien oder Erkenntnisse benannt, auf die sich der aktuelle Artikel direkt bezieht bzw. aus denen die Schlussfolgerungen abgeleitet wurden, so dass der Leser die Ergebnisse und Erkenntnisse nachvollziehen und in einem größeren Zusammenhang betrachten kann.