'Die Nebel des Morgens' - Seiten 203 - 306

  • Ich gehe schon wieder nicht konform! :lache


    Brynhild und Siegfried sind eigentlich "a perfect match": zwei verzogene Kinder!
    Siegfried ist ein Herumtreiber und Angeber, der sich Gunther mit dem Zug gen Norden andient, und Brynhild langweilt sich auf der Insel zu Tode ... Die tendenziell unterschiedliche Schilderung sehe ich immer noch dem Erzähler geschuldet, was ich für klug gemacht halte -- Kompliment, Viola! :anbet


    Weil Brynhild die Langeweile und die Enge ihres "Inseldaseins" nicht mehr erträgt, wirft sie sich Siegfried an den Hals. Eine schöne Aufarbeitung des alten tragischen Themas, daß sich eine Prophezeiung gerade deshalb erfüllt, weil man mögliche Gefahren krampfhaft zu vermeiden versucht. Man findet das im Märchen (z.B. Dornröschen) ebenso wie in der Sage (z.B. Ödipus). Das Motiv spelt mit dem Paradoxon der Prophetie, die immer dann, wenn sie den Betroffenen zur Kenntnis kommt, zwangsläufig self-fulfilling prophecy wird -- sonst wäre sie ja keine Prophetie.


    Sorry, aber mein Mitgefühl hält sich sehr in Grenzen, wenn ein junges Mädel mit Brynhilds Begabung und Können sich aus Ver- und Überdruß einem x-beliebigen Kerl an den Hals wirft. :grin
    Für die Konsequenzen ist sie in jedem Fall mitverantwortlich, wie jede Gans, die sich einen "Jung-Siegfried" angelt und ihm Gewalt über sich gibt, ohne auch nur einen einzigen Gedanken daran zu verschwenden, was er für einer ist und ob er sie selbst überhaupt will.


    Daß Bryndt seine Mutter in einem anderen Licht sieht, ist verständlich -- er kennt die spätere Brynhild, die aus schwerem Schaden wohl ein wenig klüger, aber schließlich daran irre geworden ist, wie er nicht müde wird zu betonen.



    Viola, wenn die Jüten usw. Nachbarn unserer Insulaner sind, dann kann es sich nicht um die Britischen Inseln handeln (die passen auch nicht zur Schilderung), sondern um die friesischen inseln? Oder wohl gar um Helgoland und Düne???

  • Liebe Iris,


    das Geheimnis der Inseln ist ja schon gelöst, Du hast sicher Recht, aber ich habe aus Gründen, die ich in meiner Abschlußerklärung ausgeführt habe, anders entschieden.
    Ich hoffe, es mindert Dein Lesevergnügen nicht zu sehr.


    Viola

  • Zitat

    Original von Viola Alvarez
    Ich hoffe, es mindert Dein Lesevergnügen nicht zu sehr.


    Überhaupt nicht! Gute Romane sind ja immer klüger als ihre Leser und sogar als ihre Verfasser.


    Man kann vieles herausholen -- und ich wollte vorhin nur eine der mehrheitlich geäußerten gegenteilige Deutung äußern. Ich war doch etwas irritiert über den Triumph angesichts der angeblichen Demontage Siegfrieds und das Mitleid mit dem armen Mädchen angesichts ihres eigenen kopflosen Verhaltens.


    Brynhilds Ausreißen sehe ich veranlaßt in der blinden Verwöhnerei ihrer so liebenswert geschilderten Eltern. Ihr "Leben als Konjunktiv", wie du es an anderer Stelle so treffend bezeichnetest, resultiert nicht nur aus ihren Anlagen, sondern auch daraus, daß sie in einem watteweichen goldenen Gehege aufgewachsen ist. Ähnlich wie Siegfried. Und beider Lebensweg und Seelenverwandtschaft zeigt sich noch stärker darin, daß sie durch ihre Waffenmeister die einzige Erziehung erfahren -- und in dieser Kunst dann auch richtig gut werden.
    Insofern sind sie "a perfect match". :-)


    Und gerade weil die beiden so fehlbar und damit menschlich sind, gefällt mir der Roman sehr gut.

  • Ich sehe Brynhild und Siegfried so wie Iris die beiden beschrieben hat.


    Aber spielen wir doch mal die Romanze dieses "perfect match". Da stellt sich für mich als erstes die Frage: Was ist eine Romanze? Ich könnte mir sehr gut vorstellen, daß Siegfried in eine kurze oberflächliche Leidenschaft für Brynhild entbrennt. Eben zu dem, wozu er fähig ist, wenn er seine Grenzen nicht erfährt. Brynhild hätte wiederum sicherlich die Fähigkeiten Siegfried seine Grenzen erfahren zu lassen, aber sie ist selbst eine Person, die ihre Grenzen erleben muß und damit ist eine längerfristige romantische Beziehung der beiden m. E. nicht möglich.

  • So diesen Teil habe ich gestern Abend fertig gelesen.


    Man erfährt etwas mehr über Brynhilds Familie, die mir doch recht sympatisch ist.
    Sie sind doch weitaus normaler als die Familie von Gibich.
    Brynhild wird nicht so verzogen. Auch finde ich gut, dass ihr der Umgang mit Waffen
    erlaubt wird.


    Siegrfrieds Auftreten bei Brynhilds Familie fand ich nicht so toll, er blendet alle.
    Die arme Brynhild. :-( Wer weis was ihr noch alles bevorsteht.
    Bei mir ist Siegfried nun ganz unten durch. :hau :schlaeger

  • Zitat

    Original von Cassandra79
    Auch finde ich gut, dass ihr der Umgang mit Waffen erlaubt wird.


    :sehrverdaechtig Das sagt uns jetzt weniger über Viola Alvarez Buch als über Cassandra aus.
    :help Flintenweib! Alle Mann in Deckung :yikes

    Nemo tenetur :gruebel


    Ware Vreundschavt ißt, wen mahn di Schreipfelerdes andereen übersiet :grin


    :lesend  :lesend

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von beowulf ()

  • Der Umgang mit Waffen war nicht nur erlaubt, sondern auch notwendig.
    Es war durchaus üblich, dass Frauen mitgekämpft haben.
    Es soll sogar (Achtung Mythosgefahr) Waffenschulen gegeben haben, die von Frauen geleitet wurden.
    Aber sicher nicht als neo-feministisch-militaristisches Trainingcamp für Mißbrauchsopfer wie beschrieben in "Tochter der Insel".


    Viola

  • ganz anders als ich bisher kannte, allein schon die von siegfreid allein gestartete brautwerbefahrt, aber nicht schlecht. gut sogar. und vor allem: stimmig.
    die frage nach sympathie für krim- und brynhild kann ich so nicht beantworten, mir war keine besonders sympathisch oder unsympathisch, wenn mir auch zu unterschiedlichen zeiten mal die eine mehr leidtat und mal die andere. und krimhild mir manchmal mächtig auf den keks ging mit ihrer klammerei und heulerei (was aber wohl erst später kam). auf jeden fall waren auch sie stimmig. aufgrund ihrer vorgeschichte waren sie glaubwürdig in ihrem verhalten.
    der immer wieder hervorblitzende humor gefällt mir auch (meine lieblingsszene war da der dialog zwischen rüdiger und seiner frau und dann langsame begreifen von brynhild. obwohl das natürlich gleichzeitig traurig war)

    "Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Leute ohne Laster auch sehr wenige Tugenden haben." (A. Lincoln)