Ingeborg Bachmann Preis 2007

  • Zitat

    Original von Nudelsuppe
    Inzwischen ist wenigstens der Text online ... genial!


    Warum wir Klagenfurt lieben


    :rofl


    Hoffentlich bleibt das nicht der beste Text dieses Jahr... :grin


    Kopier doch deine Kommentare zu den Lesungen mal hier rein, dann lässt sich besser drüber diskutieren und es bleibt auch bei späterem Nachlesen ersichtlich, wovon die Rede ist. :-)


    Jagoda Marinic
    Erste Reaktion: Ohje, "kreative" Autorenportraits. :yikes Das von der Passig letztes Jahr war ja wirklich genial gemacht, die diesjährigen Nachahmer sind bislang eher peinlich.
    Die Geschichte: Das detailversessene Lustigseinwollen fand ich eher anstrengend. Medienkritik, Berlin, jagut, auch das nicht gerade neu.


    Christian Bernhardt
    Schon besser.
    Das Kippen ins Surreale in der Szene mit den toten Terroristen hat mir gefallen. Und dass man nicht recht weiß, ob die Figuren auch zu den Toten oder den Lebenden gehören (erinnert mich an "The Sixth Sense"), das ist schön metaphorisch in einer Welt, in der Wahrhaftigkeit nicht mehr möglich ist, man sich selber nicht mehr spürt, nur noch als Konsument existiert. Das hat was, auch auf der Metaebene.


    Jochen Schmidt
    Dafür, dass Kathrin Passig letztes Jahr mit einem thematisch sehr ähnlichen Text gewonnen hat, kann er ja nix. :-)
    Ohne diesen Umstand wäre sein Text wahrscheinlich einer der bisherigen Favoriten gewesen. Die Pointen sind mir allerdings zu viele und zu gewollt. Ich hätte mir ein bisschen mehr Tiefe gewünscht. Und inhaltlich ist es, wie auch jemand in der Jury bemerkete, ziemlich unwahrscheinlich, dass sich der Typ allein mit seinen Mäusen in der Raumkapsel befindet...
    Einer der besseren Texte des 1. Tages.


    Andrea Grill
    Autismus, Selbstentfremdung und Weltentfremdung haben Konjunktur. :rolleyes
    Im Gegensatz zu Jochen Schmidts Humor kommt dieser Text allerdings wieder mit dieser Nörgelattitüde daher, und die Pointen, die drin sind, werden auch noch zu Tode erklärt. Wieder so einer von den Bachmännischen Befindlichkeitstexten, von denen ich hoffte, sie wären endlich mal passé.


    Sind diese Jammerliteraten eigentlich ein typisch deutsches (und österreichisches) Phänomen?


    Jörg Albrecht
    *örx*
    Genau das stört mich an Poetry-Slams, wenn Autoren (oder Menschen, die sich irrtümlicherweise für welche halten) versuchen, mangelnde Quallität ihrer Texte durch Tempo und Lautstärke zu kompensieren.
    Eine Endlosschleife, Thema: "Bin ich mein eigener Remix?" *gähn*
    Man sollte sich davon aber doch bitte nicht einschüchtern lassen. Nicht jeder Text, den man nicht versteht, ist zwangsläufig gleich Kunst, manchmal ist er auch einfach nur ein schlechter Text. (Diese Erkenntnis gilt nicht nur für den Bachmann-Wettbewerb. ;-) )


    Fridolin Schley
    Traditionell, aber gar nicht mal schlecht erzählte Geschichte über Erinnerungen und Zeit.


    Lutz Seiler
    Der Autor macht einen sympathischen Eindruck.
    Die Geschichte fand ich streckenweise etwas behäbig, aber ein längerer Text folgt wohl einem anderen Tempo als die abgeschlossenen Kurztexte, die wir bisher hauptsächlich gehört haben.
    Fand ich ganz nett, aber das Thema kann mich nicht so recht hinter dem Ofen hervorlocken, auch wenn die Jury sich schier überschlagen hat vor Begeisterung...



    Bei der Jury fehlen mir dies Jahr bisher die Kontroversen und heißen Grundsatzdiskussionen. Wenn ich daran denke, was sich die charismatischen Jurysten früherer Jahre da so alles an die Köpfe geworfen haben...
    Das ist mir ein bisschen zuuu sachlich (aka langweilig) bisher. :gruebel



    Aber ich kriege endlich mal meine ganze Wäsche weggegbügelt, die hier seit Wochen rumliegt, Klagenfurt eignet sich hervorragend zum Bügeln. :grin

  • Zitat

    Original von flashfrog
    Kopier doch deine Kommentare zu den Lesungen mal hier rein, dann lässt sich besser drüber diskutieren und es bleibt auch bei späterem Nachlesen ersichtlich, wovon die Rede ist. :-)


    Ok, wird gemacht :grin


    Wer auf der Seite war konnte die Kommentare oft schon vor Ende der Lesung als "Livekritik" lesen, auf jeden Fall sind sie vor der Jurydiskussion entstanden. Das die Texte im Netz auch schriftlich vorliegen ist eine riesige Hilfe. Wenn alles gut geht werde ich das die nächsten Tage auch so handhaben.
    Etwas knapp ist die letzte Kritik ausgefallen. Sprachlich deklassierte er alles, was bis dahin zu hören/lesen war. Große Literatur.


    9.00 Uhr
    Jagoda Marinic
    Es stimmt, was Hanns-Josef Ortheil gestern in der Eröffnungsrede sagte. Wer beim Video versagt braucht gar nicht erst zu lesen.
    „Ohne das Wort würde es keine Bücher geben.“ Der anschließende Text bestätigt alle Vorurteile, die man von Klagenfurt haben kann. Selbstbezügliches Geschwurbel, leblose Künstlichkeit, Metaebenen mit der Bohrmaschine in Butterkäse geschraubt, ein Emmentaler wird trotzdem nicht draus, übrig bleibt nur ein löchriger Textkäse.
    Einen guten Satz gab es allerdings, auch wenn ich diese Meinung mit Frau Radisch teilen muss:
    Ich komm aus der Kleinstadt, Paul, wir vögeln unsere Pinguine noch selbst, dafür muß ich keine Filme sehen.


    Die Jury hat den Text dann auch höflich begraben.


    10 Uhr
    Christian Bernhardt
    Es wird besser. Der Text gefällt mir, kein Wunder, denn er erinnert mich manchmal etwas an „Mitsu“,wenn z. B. im Baumarkt die Werkzeuge in Gut und Böse aufgeteilt werden. Die Überlegung, asiatisch zu kochen, taucht auch auf. Daneben gibt es viel Busen, viele Küsse, schöne „was wäre wenn“-Gedanken. Kritik: das Absurde funktioniert nicht richtig, für mich kommen Form und Inhalt nicht ganz zusammen, der Charakter wird nicht lebendig, das „Ich“ stimmt nicht. Etwas nervös vorgetragen, was die Sache aber nicht unsympathischer macht.


    Die Kritiker waren geteilter Meinung, bemängelt wurde vor allem das mangelnde Tempo.


    11 Uhr
    Jochen Schmidt
    Jochen Schmidt versprüht seinen etwas naiven, knuddeligen Charme üblicherweise auf Berliner Lesebühnen. Seine Lesungen machen Spaß.
    Nun also Klagenfurt. Er beginnt äußerst angespannt, die sonstige Lockerheit fehlt völlig, was auch den Text angestrengt wirken lässt. Mein Eindruck: er hat versucht, Passig in den Weltraum zu verlegen. Das klappt nicht.
    Beispiele für eine bessere, aber immer noch lauwarme Stelle:
    Viele seiner nomadisierenden Kollegen rasierten sich vor der Abfahrt ein Bein, man habe dann das Gefühl, neben einer Frau zu liegen, was der Einsamkeit langer Nächte in Hotels die Spitze nimmt.


    Es bleibt eine bemühte Klagenfurtgeschichte. Schade. Ich schlage Jochen Schmidt trotzdem für den Wilbur-Preis für das beste sprechende Pferd vor.


    Die Jury war fast völlig begeistert, auch wenn die Ähnlichkeit zu Passig bemerkt wurde. Nun, und die Vokabel Charme tauchte natürlich auch noch auf.


    12 Uhr
    Andrea Grill
    Zu dem Text möchte ich eigentlich nichts sagen. Die Vokabel „artifiziell“ fällt mir ein, ich werde ständig „hinausgeschmissen“, wie z. B. bei diesem Satz:
    Die Freundin meiner Mutter ist eine stille Puppe mit lebhaftem Blick. Nein, keine Puppe, eine Elfe ist sie.
    Einfach nicht mein Fall.


    Nun, die Jury hat das gleiche Problem wie ich und quält sich.


    Die Pause ist vorbei, es geht weiter.


    15 Uhr
    Jörg Albrecht
    Stakkato. Eine Art junger Woody Allen (äußerlich) mixt und mischt. Literatur als Musikvideo mit mindestens 160 bpm, teilweise arbeitet Albrecht mit Sprachverfremdungen, kurzen Geräuschcollagen usw. Lässt sich, ohne den Text gelesen zu haben, nicht beurteilen. Auf die Diskussion bin ich gespannt.


    Nach der Diskussion hat man den Eindruck, dass man den Text auch kaum beurteilen kann, wenn man ihn (mehrfach) gelesen hat.


    16 Uhr
    Fridolin Schley
    Der Name des Protagonisten, Brand, erinnert mich an „Brand´s Heide“. Die Sprache ist behäbig, etwas altmodisch:
    Schon immer habe er Strände gewissermaßen als Zauberorte empfunden, so groß sei das Gefühl der Entspannung, ja der gänzlichen Befreiung von aller Last, sobald er die ersten Schritte barfuß durch den von der Sonne erhitzten oder von einer verebbten Flut geglätteten und vom trocknenden Salz verkrusteten Sand mache, dabei sacht absinke, auf angenehme Weise mühevoll nur vorwärtskomme.
    Vielleicht nach dem Buzzwordgewitter des vorherigen Vortragenden etwas unglücklich, aber mit diesem Text hier kann ich so rein gar nichts anfangen. Auf mich wirkt diese Literatur so tot wie ein Nudelholz.


    Die Meinungen gehen auseinander. Der Bezug zu „Rolf Dieter Brinkmann“ wird hergestellt, der zentrale Konflikt bleibt: manche finden tote Texte toll, andere weniger.


    17 Uhr
    Lutz Seiler
    Wie man eine langsame Sprache einsetzen kann, aus der heraus Bilder entstehen, zeigt diese Geschichte. Kein Klagenfurttext, sondern ein sehr viel versprechender Ausschnitt aus einem Roman. Für mich sprachlich der beste Text des heutigen Tages, ein versöhnlicher Abschluss.


    Die illustre Kritikerrunde hebt ebenfalls die stilistische Brillanz hervor. Fein.


    Damit schließt der erste Tag.

  • Er schreibt auf jeden Fall noch!
    Im August 2006 ist wieder ein Buch von ihm gekommen: "Bin ich Europäer?"


    Sein Buch "Nelke und Caruso" habe ich vor längerer Zeit von ihm gelesen.
    Nicht schlecht, aber noch besser gefiel mir Die Bibliothek von Pisa.
    1999 hatte er das Buch bei einer Lesung freundlicherweise signiert.
    Das war eine schöne Lesung. Ich weiss noch, dass die Dichterin Hilde Domin im Publikum sass. natürlich kamen die beiden auch ins Gespräch.


  • Die Bibliothek von Pisa gibt es bei Amazon nicht, aber immerhin "Die Bibliothek von Pila" :grin
    Die Beschreibung klingt verlockend. :-)


    Bei der mausgrauen Jury diesen Jahres sehe ich viel zu wenig von dieser Verführungskunst und Leidenschaft für Literatur. *seufz*
    (Die geladenen Texte sind allerdings großenteils auch nicht zwingend zur Euphorie verleitend... :grin)




    Ich schreib trotzdem mal was zu Tag 2.


    Silke Scheuermann
    Eine Trauma- und Mutter-Tochter-Geschichte. Da ich normalerweise um "Frauenlitereraturthemen" einen weiten Bogen mache, nix für mich. Nicht neu, kleinbürgerliches Psychodrama, kein sprachlicher Mehrwert. Es gibt sicherlich irgendwo einen Haufen Leserinnen für solche Art von Literatur, aber nicht in Klagenfurt. Mit der Einladung hat man der Autorin, glaube ich, keinen Gefallen getan.
    Nudelsuppe : Zu meiner hemmungslosen Verwunderung muss auch ich heute Iris Radisch unverhältnismäßig oft zustimmen... :wow :grin


    Ronald Reng
    Eine brüchige Familie, eine tödliche Krankheit, Leben hinter der Fassade. Nicht wirklich neu (vielleicht ist man am 2. Tag schon zu verwöhnt?)
    Es ist der Anfang eines Romans, und man weiß nicht recht, wo der hinwill.
    Der Vortrag hat dem Text sicherlich geschadet. (Insgesamt bin ich aber positiv überrascht, wie gut die Autoren ihre Texte trotz der Aufregung rüberbringen. Wenn ich mir vorstelle, ich säße da... :yikes )


    Dieter Zwicky
    Ein Sprachtext, sehr schön! :-) Und im Gegensatz zu der Multi-Media-Performance von Jörg Albrecht gestern, die ich nur platt fand, folge ich Zwickys manieristisch verschlungenen Sprachpfaden und kunstvoll gedrechselten Türmchen mit großem spielerischen Hörervergnügen. Tolle innovative Bilder, die gleich wieder ironisch aufgelöst werden, wunderbare Motive: der Verlust der Sprache, der Verlust des Körpers, Überreizung, Hypersensibilität, Grenzauflösungen, Vermischungen... Ich muss den Text unbedingt nochmal lesen.
    Die Quittenstelle ist genial!


    Michael Stavaric
    Ein Leben in der Uneigentlichkeit, im Konjunktiv. Sex, Gewalt und Krieg kommen vor. Wozu, weiß ich nicht genau. Der ob- und dass-Stil hat bei mir zwar nicht einen Jelinek- aber einen Thomas-Bernhard-Widerwillens-Reflex ausgelöst. Allerdings sind Bernhards Tiraden wenigstens noch witzig, dashier fand ich eher ermüdend.


    (Ich würde auch nie einen Romananfang in Klagenfurt vorlesen, weil ich gar nicht wüsste, wie ich danach noch daran weiterarbeiten sollte, wenn er so öffentlich verrissen oder verlobt wurde. :gruebel )


    Milena Oda
    Selbstbespiegelung eines aufgeplusterten Narren in Autorengestalt. Der Eulenspiegeleffekt funktioniert nicht recht, aber das Literatenraten ist für Germanisten ein schönes Spiel, und der Text so schlecht nicht, wie ihn die Jury macht, die kein gutes Haar an ihm lässt.


    Kurt Oesterle
    Eine traditionell erzählte Geschichte aus der Dorfwelt der 50er Jahre. Schöne, stimmige altmodische Sprache, schöne Details - und ich finde es ziemlich kurios, dass einige Juroren dem Text die bruchlose Stimmigkeit seiner Sprache vorwerfen. :pille
    Im übrigen ist es ja keine Kinderperspektive, sondern ein mit sanfter Ironie erzählter Rückblick. Nicht überwältigend neu, aber stimmig. Sieht nach einem soliden Roman aus, der sein Lesepupblikum finden wird.
    Wird wohl irgendeinen Preis bekommen.
    Obwohl ich die eigentlich eher Jungautoren wünsche, die noch am Anfang ihrer Entwicklung stehen.
    (Schade, dass man jetzt schon diverse Bücher veröffentlicht haben muss, schon im Literaturbetrieb etabliert sein muss, um eingeladen zu werden :rolleyes
    Das gibt mehr bekannte Namen im Wettbewerb, vieliecht höhre Einschaltquoten, aber auch leider wenig Neues zu entdecken.)


    PeterLicht
    Der Text hat auch mich spontan begeistert, ich weiß im Nachhinein allerdings nicht mehr recht, warum. :gruebel
    Die Sprache blendet.
    Das Verfahren des 1. Teils ist beim ersten Lesen witzig, aber eigentlich sehr durchsichtig. der 2. Teil ist so toll auch nicht. Und irgendwie hatte ich ein Deja-vu-Gefühl, ich grübele, woher ich den Text kenne. :gruebel
    Jochen Schmidts Kosmonauten-Geschichte gestern hat für mich viel mehr inhaltliche Substanz als dashier.
    PeterLicht wird wohl den Wettbewerb gewinnen, ist aber nicht mein Favorit. Ich bin höchstens gespannt, wie das Siegerfoto aussehen wird. Blumenstrauß vor dem Gesicht? :lache
    .

  • Zitat

    Original von flashfrog
    [Die Bibliothek von Pisa gibt es bei Amazon nicht, aber immerhin "Die Bibliothek von Pila" :grin


    :bonk


    Genau, Die Bibliothek von Pila!
    Durchaus ansprechend zu lesen. Eine gute Mischung aus Anspruch und Unterhaltung!


    Beim Bachmannpreis dieses Jahr habe ich erst 4 Texte+Diskussion geschafft. Ist halt doch etwas zeitintensiv alles zu verfolgen.
    Aber macht ja nichts, wenn es etwas länger dauert. :-)

  • Zitat

    Original von Herr Palomar
    Ist halt doch etwas zeitintensiv alles zu verfolgen.


    Stimmt. Spaß macht es trotzdem, auch wenn ich heute zwischendurch etwas genervt war - mir wollte kein Text richtig gefallen. Es blieb dann nur PeterLicht übrig, der m. E. wieder eine Passig-Konstruktion hatte. Sehr gut gelesen, sehr ironischer Text, der ein sicherer Anwärter auf einen Preis ist. Eventuell bekommt er den Publikumspreis gleich hinterhergeschmissen.
    Bisher halte ich aber Lutz Seiler für den Favoriten der Jury (ist auch meiner). Literarisch ist das noch eine ganz andere Liga.


    Bei manchen Diskussionen hatte ich wieder das Gefühl, dass manch belangloser Text künstlich erhöht wird. Immerhin steht die Jury für die Auswahl ein.


    Ich bin auf morgen gespannt. Noch vier Lesungen. Meine bisherige Vorhersage für Preise:


    1. Lutz Seiler
    2. PeterLicht (+ Publikumspreis)
    3. Jochen Schmidt


    :wave
    Marcel

  • Das letztjährige Wettlesen hat mich etwas enttäuscht. Ich erinnere mich da an die Geschichte von Clemens Meyer, gradewegs erzählt und mit ordentlich Preffer dahinter. Was ganz andres als die Befindlichkeitsorgien oder Sprachmanierismen. Das ist einer für die Preise, hatte ich gesagt und war wütend, als man ihn am Ende ohne wieder heimgeschickt hat.


    Vielleicht lag's auch daran, dass er kein Germanist ist. Die meisten, die sich in Klagenfurt die Ehre geben, sind Literaturfachangestellte oder wenigstens Ausgebildete ohne feste Anstellung. Das merkt man deren Texten einfach an.

    »Wer die Dummköpfe gegen sich hat, verdient Vertrauen.«
    Sartre

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  • Die Letzten:


    Jan Böttcher
    Eine Ossiidentitätsgeschichte, um es mal despektierlich zu sagen. Realistisch und zurückgenommen mit norddeutschem Understatement erzählt, schön, schön. Allerdings muss ich Iris Radisch wieder mal zustimmen. (Langsam wird es mir unheimlich :wow) die Figuren und Orte bleiben ein bisschen zu sehr Symbole in einem Planspiel.


    Björn Kern
    Das Thema ist interessant. Die Perspektive, wie auch von der Jury bemäkelt, ein Problem, weil nicht konsequent durchgehalten und nicht glaubwürdig. (Ein ähnliches Problem hatten wir ja bei der Sucht-meine-Finger-Geschichte im Eulenwettbewerb diesem Monat.)


    Thomas Stangl
    Da ist sie, die Klagenfurt-obligatorische 3-Seiten-lange Teetasse. (Oder in diesem Fall eine Wiener Kaffeehaustasse?) *gähn*
    (Jetzt weiß ich wieder, wieso ich die Radisch nicht mag. :grin)
    Der Text ist ein pseudopubertierendes Geseier, mit monotoner Stimme zu Tode gelesen. Fotos, Flohmarkt, alte Häuser, altbackener gehen Metaphern für Erinnerung kaum.
    Und natürlich springt die Jury drauf an wie ein Rudel Pawlowscher Hunde und bricht in entzücktes Winseln aus. Ich hab mich furchtbar gelangweilt bei diesem Text und bedauert, dass ich nichts mehr zu bügeln hatte. :grin


    Martin Becker
    Der einzige Text, der mir heute richtig gefallen hat. Sprachlich interessant, gut gesetzte Pointen, die sich aber nicht vordrängeln, lapidare Absurdität einer völlig verrückten aus den Fugen geratenen Welt, das Symbolische kommt auch nicht zu kurz: Der Tod, der umgeht, der gruselige Kaffeeautomat - das ist schon ein bisschen ziemlich gut gemachter Kafka...

  • Fazit:


    Das große Thema dieses Jahrgangs sind offenbar verkapselte vereinsamte gestörte Ichs, die sich absolut setzen, mit Versuchsanordnungen im Kleinkleinen spielen, sich auflösen, sich von der Gesellschaft entfernen.
    Jochen Schmidt hat dafür mit seinem Kosmonauten, der in einer Raumkapsel mit seinen Labormäusen von der Welt wegdriftet, das treffende Bild gefunden. :anbet


    Ich frage mich, woher diese Häufung kommt.
    Alles Kathrin-Passig-Epigonen?
    Oder ein Merkmal der Gesellschaft unserer Zeit?
    Oder der Autorenexistenz?
    Oder nur ein Zeichen für die Vorliebe der einladenden Juroren? - Diese Frage beschäftigt mich wirklich, vielleicht hat jemand von euch eine Antwort darauf? :help


    Bei PeterLicht bricht die Katastrophe mitten ins Wohnzimmer ein und man macht weiter wie immer, es geht uns gut. Auch das scheint mir bezeichnend...
    In einer der Pausen wurde ja auch gefragt, was aus dem politischen Engagement der Gruppe 47 bei den heutigen Autoren geworden sei, und keiner in der Gesprächsrunde konnte einen politisch engagierten deutschen Schriftsteller unter 80 nennen. :wow
    Warum ist das so?
    Warum spinnt man sich lieber in seinen solipsistischen Textkokon ein?


    Ich wünsche mir wieder mehr Texte, die etwas zu sagen haben.
    Über das, was vorgeht mit der Welt, Klimakatastrophe, Kriege, neue Aufrüstung, schleichender Sozialabbau, die Herrschaft des internationalen Kapitals und die Entwertung der kulturellen und sozialen Werte, diese ganzen Ungeheuerlichkeiten, das kann doch nicht alles allen am Literatenarsch vorbeigehen!
    Oder?


    Und ich wünsche mir Juroren, die eine "Haltung" haben. Sonst verkommt die Veranstaltung (oder ist es schon längst) zu reinem Ästhetizismus. Wen vom "normalen Lesepublikum" interessiert das dann noch?

  • Zitat

    Original von Herr Palomar


    :bonk


    Genau, Die Bibliothek von Pila!
    Durchaus ansprechend zu lesen. Eine gute Mischung aus Anspruch und Unterhaltung!



    Herr Palomar : Könntest du vielleicht eine kleine Rezi über das Buch schreiben? Das würde sicher noch einige andere Eulen interessieren. :-)



    Nudelsuppe : Was findest du so toll an Lutz Seiler? Die Heizergeschichte fand ich höchst unappetitlich, den Geig-Erzähler-Gag zu Tode geritten und dass der Typ am Ende noch die Übersetzerin vögeln muss, eine ziemlich unerträgliche Macho-Attitüde. :rolleyes


    Grizzly : Man kann ja auch Bücher kaufen von Autoren, die keinen Preis abgeräumt haben. Qualität setzt sich ohnehin langfristig durch. ;-)
    Und ohne die Bachmann-Lesungen wären wir vielleicht nie auf Clemens Meyer, Yoko Tawada oder Gion Mathias Cavelty gestoßen...

  • Lutz Seiler schreibt m. E. mit diesem Roman ein Stück Weltliteratur (wenn er die Qualität durchhält). Das heißt natürlich nicht, dass es einem (dir) gefallen muss.


    Mich hat heute z. B. ausgerechnet der vierte Beitrag, der dir am besten gefiel, unendlich gelangweilt. Allerdings höre ich auch fast immer nur kurz in den Vortrag rein und lese dann den ganzen Text am Bildschirm (geht auch wesentlich schneller). Das ändert die Erfahrung des Textes natürlich radikal. Stangl z. B. hat seinen sehr, sehr guten Text geschrieben und bescheiden vorgetragen, bei Martin Becker ist es anders herum.


    :wave
    Marcel

  • Die Texte von 1997 sind wohl leider nicht mehr online, aber diese absolut geniale Bachmann-Preis-Satire findet sich in diesem Buch (Seite 30-46):

  • Zitat

    Original von Queedin
    ich hab's nicht gesehen, weil mir dazu momentan die Zeit fehlt, aber ist soetwas
    http://www.youtube.com/watch?v=VXmnDLfYfNs
    normal? *grusel*


    Leider nicht.
    Ich finds geil. :grin Schade, dass die anschließende Diskussion nicht mehr mit auf dem Video ist.


    Edit: Das Blut als letzte Möglichkeit, das Leben hinter dem ganzen Text- und Diskursgewölle zu spüren kam ja auch in ein paar Texten diesen Jahres vor, aber eben nur als Text, bei Christian Bernhardts Figur, die sich vor ein Auto stützt, oder Jörg Albrechts Haut-Abziehen oder Thomas Stangls Mordphantasien (hat die eigentlich jemand bemerkt??).


    PeterLicht hat als einziger die Körperlichkeit ins Spiel gebracht, dadurch, dass er verweigert, sein Gesicht zu zeigen und reiner Text bleiben will.

  • So, der Bachmannpreis ist vorbei :-) Meine drei Favoriten haben sich durchgesetzt, sogar der richtigen Reihenfolge. Etwas enttäuscht war ich, dass Jochen Schmidt gar nichts bekommen hat. Bitter, so oft genannt zu werden, um am Ende mit leeren Händen dazustehen. Offensichtlich reichte die Mobilisierung im Netz nicht aus.
    Nun ja.


    Interessant und spannend finde ich, wie manche Blogger den Bewerb mitverfolgt haben. Vor allem Sopran wirft einen ganz eigenen Blick auf Kritiker und Autoren :grin


    Ich hab das mal hier gesammelt.



  • Zitat

    Original von Nudelsuppe[...]
    15 Uhr Jörg Albrecht
    Stakkato. Eine Art junger Woody Allen (äußerlich) mixt und mischt. Literatur als Musikvideo mit mindestens 160 bpm, teilweise arbeitet Albrecht mit Sprachverfremdungen, kurzen Geräuschcollagen usw. Lässt sich, ohne den Text gelesen zu haben, nicht beurteilen. Auf die Diskussion bin ich gespannt.[...]


    Da habt ihr mich neugierig gemacht.
    Jörg Albrecht liest am 14.7.07, 17:20 Uhr, Erste studentische Buchmesse in Hannover, uni wortwechsel. Übrigens eine interessante Internetseite, die sich mit Literatur, AutorInnen und Verlagen rund um Hannover beschäftigt.


    Mehr dazu unter
    Termine


    Dort gibt es weitere Informationen zur Buchmesse / Lesungen in Hannover.

  • Nudelsuppe : Ich würde dich umgehend als neuen Jur-Ohr vorschlagen. :grin


    Die umständliche Abstimmung zur Preisermittlung finde ich immer herrlich anachronistisch, so völlig TV-unpassend. :-)


    Ich habe übrigens den Lutz-Seiler-Text nochmal gelesen und er ist sprachlich wirklich gut gemacht. Dsss er so einen starken körperlichen Widerwillen bei mir auslöst mit seinen Bilden, Tönen, Gerüchen, der körperlichen Bedrängung, spricht wahrscheinlich sehr für den Text, nicht gegen ihn. :gruebel


    Ja, schade, dass Jochen Schmidt (wie ja auch Michael Stavaric) so knapp an den Punkterängen vorbeigerutscht ist. Ich hab bei der Netz-Abstimmung für Schmidt votiert.


    Cookie : Dann solltest du dir auf jeden Fall auch Eike Christian Hirsch anhören, der Mann (du kennst ihn ja sicher auch aus dem Radio) ist einfach genial!