Josef Giger-Bütler - Sie haben es doch gut gemeint

  • Diese Rezension hab ich mal für eine Psycho-Seite geschrieben, aber meine eigene Rezension zu kopieren, ist ja ok, oder?


    zum Buch (geklaut)


    Die Wurzeln der Depression liegen in der Kindheit. Hier werden die Verhaltensmuster vorbereitet, die sich später bei Erwachsenen hinter depressiven Zuständen verbergen. Sie waren Kinder, die sich ständig selbst überfordert haben. Kinder, die versucht haben, es allen Recht zu machen außer sich selbst. Verständlich, einfühlsam und weitgehend unter Verzicht auf fachpsychologische Begriffe wie vor ihm nur Alice Miller beschreibt Josef Giger-Bütler die Familienkonstellationen und Erziehungsstile, die krank machen.


    zum Autor

    Josef Giger-Bütler, Dr. phil., ist seit 30 Jahren in Luzern als Psychotherapeut in freier Praxis tätig. Sein Tätigkeitsgebiet umfasst neben den Therapien Supervision und Ausbildung in personzentrierter Psychotherapie. Sein Hauptinteresse gilt seit jeher der Depression und psychosomatischen Erkrankungen.


    Meine Meinung


    Das Buch ist recht einfühlsam geschrieben und auch für den Laien gut verständlich. Der Autor vertritt die Hypothese, dass depressive Menschen sich in einem „Teufelskreis der Überforderung“ befinden. Leider verzichtet der Autor nach eigenen Angaben bewusst auf jegliche empirische Untersuchung seiner Hypothese, sondern beruft sich ausschließlich auf seine Erfahrungen im Umgang mit depressiven Menschen. Retrospektiv wird man natürlich immer Möglichkeiten finden, ein Verhalten erklären zu können, wissenschaftlich ist diese Vorgehensweise allerdings nicht.


    Der Autor stützt zudem seine Sichtweise auf eine zirkuläre Argumentation: Überforderung führt zur Depression, dass ein Mensch überfordert ist, kann man wiederum daran erkennen, dass der Mensch depressiv ist. Die Überforderung entsteht nach Meinung des Autors schon in der Kindheit, wobei der Autor der Mutter die klassische Rolle zuweist, während der Vater nur geringen Einfluss hat. Neurobiologische und genetische Einflussfaktoren werden in seiner Theorie völlig vernachlässigt. Auch bei der Entstehung der Depression in der Kindheit argumentiert der Autor meiner Meinung nach zirkulär: dem depressiven Patienten ist nicht bewusst, eine schwere Kindheit gehabt zu haben, aber da er ist depressiv, muss seine Kindheit schwierig gewesen sein. Die Tatsache, dass dieses dem Depressiven meist nicht bewusst ist, bestätigt wiederum die Hypothese des Autors.


    Fazit: Das Buch bietet einen einfühlsamen Einblick in eine mögliche Ursache von Depressionen, entbehrt jedoch einer wissenschaftlichen Grundlage. Der Autor beschreibt so viele ungünstige Familienkonstellationen, dass es wahrscheinlich jedem depressiven Menschen leicht fallen sollte, sich in einer der Beschreibungen wieder zu finden und sich verstanden zu fühlen. Eine umfangreiche Darstellung von Lösungswegen sollte man beim Kauf des Buches nicht erwarten - das Kapitel „Erkennen und Verändern“ nimmt weniger als 15 % des Buches ein. Vieles in dem Buch hat mich an Alice Millers „Das Drama des begabten Kindes“ erinnert und auch sonst bietet das Buch wenig neue Informationen und Erkenntnisse.


    Lg Iris

  • Das Buch verkaufe ich sehr gut.
    Es scheint auch von Ärzten oder Psychologen viel empfohlen zu werden ???
    Unsere Kunden kommen jedenfalls oft mit der Bemerkung...

    ...der Sinn des Lebens kann nicht sein, am Ende die Wohnung aufgeräumt zu hinterlassen, oder?


    Elke Heidenreich


    BT

  • Da sieht man mal wieder, was man alles unter die Leute bringen kann. :wow Wenn ich das Buch vor meinem Studium gelesen hätte, hätte ich wahrscheinlich gedacht: "Wow, das macht Sinn und so fühl ich mich auch", aber jetzt - mit etwas mehr Wissen, wie man wissenschaftlich arbeitet - kann ich das einfach nicht mehr lesen ohne methodische Fehler zu finden und mich zu ärgern. Ich könnte dieses Buch nicht guten Gewissens empfehlen. da Betroffenen mit einfühlsamen Worten eine Theorie als "so ist es" untergejubelt ist, die wissenschaftlichen Ansprüchen einfach nicht genügt. Dazu kommt noch, dass der Autor immer und immer wieder das Gleiche wiederholt (diese Kritik kam auch von einer Leserin bei Amazon). Problem: Getretener Quark wird breit nicht stark. ;-) Und wie ich ja schon sagte - die Lösungsansätze sind einfach etwas dürftig. Zum Glück hatte ich das Buch nur geliehen - Pech für mich allerdings: ich musste als Gegenleistung eine Rezension schreiben und deshalb konnte ich es nicht nach 50 Seiten weglegen. :bonk


    lg Iris

  • Hallo Delphin,
    ich habe das Buch von Alice Miller "Das Drama des begabten Kindes" gelesen und fand es abgesehen von der Art wie sie es schrieb gut. Das Buch war mir damals ein wenig zu wissenschaftlich und ich habe mich da durchgekämpft, Seite für Seite, aber ich habe es auch ohne Psychologiestudium verstanden und für gut befunden.
    Es hat mir so manche Einblicke gegeben, die ich vorher nicht hatte. Gerade im Bezug auf Erziehung war es mir wichtig, nicht die gleichen "blöden" Fehler zu machen, wie meine Eltern.


    Du schreibst nun mehr negativ über das vorgestellte Buch. Ist es wirklich so schlecht, oder kommt das einfach nur dadurch, dass du mehr Ahnung von der Materie hast? Vom Inhalt spricht es mich schon an, doch deine Meinung dazu läßt mich wieder zweifeln und so bin ich in einem elenden Teufelskreis....?(

  • Zitat

    Du schreibst nun mehr negativ über das vorgestellte Buch. Ist es wirklich so schlecht, oder kommt das einfach nur dadurch, dass du mehr Ahnung von der Materie hast?


    Ich denk ja, dass ich dadurch, dass ich mehr Ahnung von der Materie habe, merke, dass es wirklich so schlecht ist. Ich kann einfach nicht anders. Aber das Buch wird ja nicht dadurch besser, wenn ich nichts wüsste. :lache
    Ähnliches gilt übrigens auch für das Buch von Alice Miller. Das hab ich damals - vor meinem Studium - verschlungen und mich voll wiedererkannt und heute sehe ich es viel kritischer. Wobei sie es ja selbst nach 16 Jahren noch mal komplett umgeschrieben hat.

    Mal abgesehen von meiner fachlichen Kritik fand ich das Giger-Bütler-Buch einfach nur langweilig, weil er die gleichen Dinge immer wieder und wieder gesagt hat. Steht auch irgendwo in einer Amazon-Rezi.


    lg Iris

  • Hallo Delphin,
    vielen Dank für deine schnelle Anwort. Ich werde also die Finger davon lassen. Hast du schon die verbesserte Version von Alice Miller gelesen?
    Gibt es ein Buch das in die Richtung geht und das du gut findest und das auch ein Laie versteht?


    Viele Grüße
    reza

  • Hallo Reza,


    ich hab beide im Schrank stehen, aber ich glaub, die neuere Version hab ich nie ganz fertig gelesen. :lache


    Ich mag die Bücher von Bärbel Wardetzki ganz gern, weil die nicht nur schlau daherredet, sondern auch Lösungsansätze bietet.


    Da gibt es (unter anderem):


    "Weiblicher Narzissmus" und "Ohrfeige für die Seele".


    Ich hab aber in beide seit Jahren nicht mehr reingeschaut. Seit ich Psychologie studiere ist mein Interesse an Psycho-Ratgebern deutlich gesunken. :lache


    lg Iris

  • Hallo Delphin,
    danke für die Büchervorschläge. Ich habe sie mir vermerkt und werde mir eines davon sicherlich zulegen. :kiss
    Momentan habe ich aber noch Susan Forward "Emotionale Erpressung" im Regal stehen und da ich diese Art Bücher nicht so schnell lesen kann wie Romane, wird es noch eine Weile dauern.


    Viele Grüße
    Reza