Die Reise nach Petuschki - Wenedikt Jerofejew

  • Ich bleibe der osteuropäischen Literatur vorerst treu:


    Das „Poem“ (so der der vermeintlich gattungsbezeichnende Nebentitel) des streitbaren Russen ist seit seinem Erscheinen 1978 auch in Deutschland zu einem absoluten Kultbuch avanciert. Das erste Mal wurde der Roman in einer israelischen Zeitschrift veröffentlicht, denn in der Sowjetunion war es dem unbequemen Schriftsteller nicht ohne Weiteres möglich zu publizieren – oder auch nur sein Studium zu Ende zu führen. Also schlug er sich mit allen Möglichen Arbeiten durch, geißelte als Autor nebenberuflich das sozialistische System und karikierte wie in diesem Roman auf brüllend komische Art und Weise den befohlenen „realistischen“ Schreibstil.
    Der Titel würde in seiner wörtlichen Übersetzung die Handlung deutlicher vorwegnehmen: Moskau – Petuschki. Der Erzähler, der sich als der Autor Jerofejew vorstellt, möchte mit dem Zug an einem Freitagmorgen seine Geliebte (Affäre trifft es wohl eher) im zwei Zugstunden entfernten Petuschki besuchen. Die letzen 12 Wochen hat das prima funktioniert, aber bei seinem 13. Versuch wird er kläglich scheitern.
    Die Katastrophe geht bereits in Moskau (wo sonst!) los: Da erwacht der Trunkenbold in einem wildfremden Treppenhaus und ist immer noch blau wie der Enzian. Das hindert ihn aber nicht daran, im Verlauf des Romans (die erzählte Zeit entspricht der Zugreise) sich ins absolute Delirium zu saufen und zwar mit allem, was er in seinem Koffer an Trinkbarem findet. Die Monologe des Erzählers und seine Gespräche mit den anderen Zugreisenden werden mit jedem Drink und jeder passierten Station absurder. Na gut, mit Engeln, denen er zu seinem Unglück vertraut, spricht er schon vorher. Später kommt dann noch der Satan hinzu…Gekonnt vermischt Jerofejew eine salbungsvolle manierierte Sprache mit derben Vulgarismen, einer gründlichen Portion Ironie und allem an Pathos und Melancholie, was das slawische Gemüt aufzubieten hat. Dazu kommt ein kleiner Schuss Gelehrsamkeit, die sich aber darin genügen kann, hin und wieder aufzublitzen, wenn sie nicht ohnehin unmittelbar demontiert wird. Keine Spur von akademischer Gespreiztheit, keine Millisekunde wird es langweilig oder gewöhnlich. Heiter wird hier der Weg in die „Sphären des Fatalen“ beschritten, zur unvermeidlichen Katastrophe führt er trotzdem.


    Mir ist nur die Übersetzung von Natascha Spitz bekannt, die mir sehr gut gefallen hat, auch wenn ich den Verdacht habe, dass sie noch etwas derber hätte ausfallen können. Die neuere Übersetzung von Peter Urban wurde mir von Bekannten gepriesen, verglichen habe ich sie leider noch nicht.
    Aber vielleicht kennt jemand hier die Übersetzung von Urban und kann mir sagen, wie aufschlussreich der lange Kommentar ist...