Beiträge von SueTown

    Lothar war Pilot bevor es geschah. Seine Frau Ruth war damals Stewardess, nun hilft sie in der Telefonseelsorge, damit es wenigstens anderen besser geht. Ihr Sohn Merten glaubt, als Einziger zu wissen, warum sein Bruder ermordet wurde. In der Familie Wilber klafft eine Lücke. Man redet nicht über Jakob und über den Grund, warum er nicht mehr da ist. Am Tag der Verurteilung des Mörders zünden sie eine Kerze an und warten, bis der Anruf kommt: Lebenslänglich. Nachts liegen die Eltern nebeneinander, und die Mutter fragt: Bist du erleichtert? - Nein. Andreas Schäfer erzählt luzide und souverän die Geschichte eines Traumas und seiner Folgen. Sie lässt den Leser nicht mehr los.

    Literaturverlag Droschl, 199 Seiten, Erstauflage 2010, 19 Euro
    Longlist Deutscher Buchpreis 2010


    Inhalt
    Marina stammt aus Petersburg und ist zu Besuch in Deutschland, wo sie bei einem Kongress über Daniil Charms und seinen Freundeskreis spricht.
    Außerdem ist da ein Mann, der in Leningrad Russisch studierte und mit dem sie damals, vor 20 Jahren, eine Liebesgeschichte erlebte.
    Die Vergangenheit ist nicht vergangen - und das gilt nicht nur für diese private Geschichte: "Ich habe Angst vor den Geheimnissen der Zeit."
    Ein ganzes Jahrhundert (und manchmal auch darüber hinaus) passiert in Marinas Assoziationen Revue, und nirgendwo sonst ist dieses letzte Jahrhundert vielfältiger, durch gewaltige Brüche im Sozialsystem fragmentierter gewesen als in Russland: vom Zarenreich über die Revolution, die Sowjetunion, die Weltkriege, die Belagerung Leningrads durch die Deutschen, die Perestrojka...


    Die Autorin
    Olga Martynova, 1962 bei Krasnojarsk geboren, wuchs in Leningrad auf, studierte russische Sprache und Literatur; 1991 zog sie nach Deutschland. Sie lebt mit ihrem Mann Oleg Jurjew in Frankfurt/Main.
    Sie schreibt Gedichte (auf Russisch) und Essays und Prosa (auf Deutsch).


    Meinung
    Irgendwo las ich, dass man dieses Buch an jeder beliebigen Stelle aufschlagen und lesen kann. Dem ist wirklich so. Olga Martynova Roman besteht aus 88 mehr oder weniger kurzen Prosatexten, die fast vollständig unabhängig voneinander gelesen werden können. Der rote Faden ist die Beziehung Marinas zu ihrem deutschen Freund Andreas und der Dichterkreis um Daniil Charms.


    Sogar die Papageien überleben uns ist eine ungewöhnliche Reise durch Zeit und Geschichte. Es handelt vom Zeitfluss, von Zeitflussweibern, von "Dingen, von früher" und "Dinge aus dem anderen Leben" und wirkt ein wenig selbstverliebt als Roman. Es braucht das ein oder andere Mal ein wenig Durchhaltevermögen um den Unsinn der Gedankenspiele zu druchschauen, aber insgesamt amüsieren die geistigen Achterbahnfahrten der Autorin.


    Wwedenskij sagte: Und überhaupt: Jede Beschreibung ist falsch. Der Satz: >>Ein Mensch sitzt, über seinem Kopf ist ein Schiff<< ist doch vielleicht richtiger als >>Ein Mensch sitzt und liest ein Buch.<<


    Es wäre falsch zu sagen (das habe ich in meinem Vortrag nicht mitgeteilt): Ich stehe in einem schattigen Hof. Neben mir steht ein deutscher Schauspieler. Ich warte, bis er sein Foto signiert hat. Nein. Ich stehe in einem schattigen Hof. Über meinem Kopf kauen die Kamele das dürftige Grün, das nicht einmal grün ist. Unter meinen Füßen hinter dem Schattengatter (-gitter?) staubt der gelbe Himmel der Wüste, der Andreas und mir vor fast zwanzig Jahren golden war.[S. 59]


    Auch an den Gesprächen der Oberiuten (Charms und seine Dichterfreunde), die “den Unsinn als Erkenntnisform gewählt haben, um die absurde Welt, in der sie zu leben hatten, besser zu verstehen”, die ähnliche (aber unterhaltsamere) Formen hatten, dürfen wir dank der Autorin teilhaben.


    Der Roman ist sicherlich ein Exot unter den Nominierungen zum Deutschen Buchpreis. Vielleicht einen Hauch zu verspielt, zu wenig ernsthaft um in den Kreis der Shortlistnominierten aufgenommen zu werden. Olga Martynovas Sätze sind lang, verschachelt und bewusst konfus (mit zahlreichen gedanklichen Abschweifungen in Klammern versehen). Klammerung innerhalb von Klammerungen nicht ungewöhnlich bei Frau Martynova. Insgesamt macht es Spaß dieses Buch zu lesen, da es einfach anders ist und zum Mitdenken und Miträtseln auffordert. Ihren scherzig bissigen Tonfall setzt die Autorin mit Bravour ein.


    Fazit: Die Kernaussage ist bei mir nicht so richtig angekommen, aber das Buch hat irgendwie etwas. Etwas, was Spaß macht . Eine lyrische Reise durch die Ereignisse des 20. Jahrhunderts in Russland. Ganz sicher nicht jedermans Geschmack.


    Sonstige Informationen
    Daniil Charms bei Wikipedia
    Die Oberiuten bei Wikipedia

    Zitat

    Original von FrauWilli
    Ging nicht:


    Bresekow, ein Dorf in Vorpommern. Als die alte Frau Hanske stirbt, kommt ihre Tochter Ingrid mit ihrer Familie aus Irland zur Beerdigung. Ingrid hatte Bresekow vor vielen Jahren fluchtartig verlassen. Der Besuch verändert vieles im Dorf, wirft gerade für die Familien Ploetz und Wachlowski alte und neue Fragen auf. Die Dorfbewohner beginnen zu sprechen, über ihr derzeitiges Leben und ihre Verstrickungen von damals. Bresekow war immer eine kleine Welt, eng, abgelegen und heute zudem vom Verfall bedroht.


    Judith Zander lässt drei Generationen zu Wort kommen. Sie erzählt mit ungeheurer Sprachkraft von einem verschwiegenen Ort im Nordosten Deutschlands, von Provinz und Alltag, von Freundschaft und Verrat, vom Leben selbst.


    Huhu FrauWilli!


    Kannst du kurz erläutern, was dich zum Abbruch bewegt hat? Mich interessiert das Buch grundsätzlich schon...

    Ich finde die Idee sich durch die Welt zu lesen klasse und schließe mich mal dem Langzeitprojekt an.


    NORDAMERIKA und KARIKBIK:


    (1) Antigua und Barbuda
    (2) Bahamas
    (3) Barbados
    (4) Belize
    (5) Costa Rica
    (6) Dominica
    (7) Dominikanische Republik
    (8) El Salvador
    (9) Grenada
    (10) Guatemala
    (11) Haiti
    (12) Honduras
    (13) Jamaika
    (14) Kanada
    (15) Kuba
    (16) Mexiko
    (17) Nicaragua
    (18) Panama
    (19) St. Kitts und Nevis
    (20) St. Lucia
    (21) St. Vincent und die Grenadinen
    (22) Trinidad und Tobago
    (23) USA
    (24) Turks- und Caicosinseln



    SÜDAMERIKA
    (1) Argentinien
    (2) Bolivien
    (3) Brasilien
    (4) Chile
    (5) Ecuador
    (6) Guyana
    (7) Kolumbien
    (8) Panama
    (9) Paraguay
    (10) Peru
    (11) Suriname
    (12) Uruguay
    (13) Venezuela



    AUSTRALIEN und PAZIFIK
    (1) Australien
    (2) Fidschi
    (3) Kiribati
    (4) Marshallinseln
    (5) Mikronesien
    (6) Nauru
    (7) Neuseeland
    (8) Palau
    (9) Papua-Neuguinea
    (10) Salomonen
    (11) Samoa
    (12) Tonga
    (13) Tuvalu
    (14) Vanuatu
    (15) Niue
    (16) Antarktika



    EUROPA
    (1) Albanien
    (2) Andorra
    (3) Aserbaidschan
    (4) Belgien
    (5) Bosnien und Herzegowina
    (6) Bulgarien - "Die Hunde fliegen tief", Alek Popov (abgebrochen)
    (7) Dänemark
    (8) Deutschland
    (9) Estland
    (10) Finnland
    (11) Frankreich
    (12) Georgien
    (13) Griechenland
    (14) Großbritannien
    (15) Irland
    (16) Island
    (17) Italien
    (18) Kroatien
    (19) Lettland
    (20) Liechtenstein
    (21) Litauen
    (22) Luxemburg
    (23) Malta
    (24) Mazedonien
    (25) Moldawien
    (26) Monaco
    (27) Montenegro
    (28) Niederlande
    (29) Norwegen
    (30) Österreich
    (31) Polen
    (32) Portugal
    (33) Rumänien
    (34) Russland - "Sogar Papgeien überleben uns", Olga Martynova (Rezi)
    (35) San Marino
    (36) Schweden
    (37) Schweiz
    (38) Serbien
    (39) Slowakei
    (40) Slowenien
    (41) Spanien
    (42) Tschechien
    (43) Türkei
    (44) Ukraine
    (45) Ungarn
    (46) Vatikanstadt
    (47) Weißrussland
    (48) Zypern



    AFRIKA
    (1) Ägypten
    (2) Äquatorialguinea
    (3) Äthiopien
    (4) Algerien
    (5) Angola
    (6) Benin
    (7) Botsuana
    (8) Burkina Faso
    (9) Burundi
    (10) Elfenbeinküste
    (11) Dschibuti
    (12) Eritrea
    (13) Gabun
    (14) Gambia
    (15) Ghana
    (16) Guinea
    (17) Guinea-Bissau
    (18) Kamerun
    (19) Kap Verde
    (20) Kenia
    (21) Komoren
    (22) Republik Kongo
    (23) Lesotho
    (24) Liberia
    (25) Libyen
    (26) Madagaskar
    (27) Malawi
    (28) Mali
    (29) Marokko
    (30) Mauretanien
    (31) Mauritius
    (32) Mosambik
    (33) Namibia
    (34) Niger
    (35) Nigeria
    (36) Ruanda
    (37) Sahara
    (38) Sambia
    (39) São Tomé und Príncipe
    (40) Senegal
    (41) Seychellen
    (42) Sierra Leone
    (43) Simbabwe
    (44) Somalia
    (45) Sudan
    (46) Südafrika
    (47) Swasiland
    (48) Tansania
    (49) Togo
    (50) Tschad
    (51) Tunesien
    (52) Uganda
    (53) Zentralafrikanische Republik
    (54) Demokratische Republik Kongo



    ASIEN
    (1) Afghanistan
    (2) Armenien
    (3) Aserbaidschan
    (4) Bahrain
    (5) Bangladesch
    (6) Bhutan
    (7) Brunei
    (8) China
    (9) Georgien
    (10) Indien
    (11) Indonesien
    (12) Irak
    (13) Iran
    (14) Israel - "Die Attentäterin", Yasmina Khadra (Rezi)
    (15) Japan
    (16) Jemen
    (17) Jordanien
    (18) Kambodscha
    (19) Kasachstan
    (20) Katar
    (21) Kirgistan
    (22) Kuwait
    (23) Laos
    (24) Libanon
    (25) Malaysia
    (26) Malediven
    (27) Mongolei
    (28) Myanmar
    (29) Nepal
    (30) Nordkorea
    (31) Oman
    (32) Pakistan
    (33) Palästinensische Gebiete
    (34) Philippinen
    (35) Russland
    (36) Saudi-Arabien
    (37) Singapur
    (38) Sri Lanka
    (39) Südkorea
    (40) Syrien
    (41) Tadschikistan
    (42) Taiwan
    (43) Thailand
    (44) Turkmenistan
    (45) Türkei
    (46) Usbekistan
    (47) Vereinigte Arabische Emirate
    (48) Vietnam
    (49) Timor-Leste
    (50) Tibet

    Zitat

    Original von DraperDoyle
    Erstaunlich fand ich, wie dieser amerikanische Traum, wie Yates ihn schildert, im heutigen Deutschland noch gelebt wird: spätestens ab dem ersten Kind wird ein Haus auf dem Land gebaut, so teuer, wie man es sich gerade noch leisten kann und Mutti, auch wenn sie heute oft zumindest teilweise berufstätig ist, steckt einen Großteil ihrer Energie in die Verschönerung des Heimes.


    Wie wahr! Ich werde mich auch stets an einen Satz (aus Buch und Film) erinnern, der da ungefähr lautet: "Und dann bekommt man ein zweites Kind um zu allen zu zeigen, dass das erste kein Fehler war!" Zumindest in unserer Gegend trifft dieser Satz den Kern der Gesellschaft... Ein Kind geht gar nicht, zwei Kinder sind gesellschaftliches Optimum, drei Kinder schon ungewöhnlich und bei vier Kindern können die meisten ihr Erstaunen/ihre Verwunderung gar nicht verbergen...

    Vom Hundeausführer zum Millionär, vom Millionär zum Aussteiger: Zwei ungleiche Brüder aus Bulgarien suchen ihr Glück in Amerika. Während Ned, der einstige Tunichtgut, es bis in die Topetagen der Wall Street geschafft hat, beginnt der smarte Neuankömmling Ango sein Leben in den USA als Hundeausführer im Central Park. Doch dann wendet sich das Blatt: Ein unerfreulicher Auftrag lässt Ned an seinem Yuppie-Dasein zweifeln, und Ango gerät in ein perfides Komplott, dessen Drahtzieher die Schoßhunde der Upperclass vernichten wollen.

    Ich habe das Buch innerhalb 3 Stunden verschlungen gestern. Allerdings bin ich deswegen nicht ausnahmslos begeistert...


    Mir war der Roman insgesamt zu effekthascherisch. Die Thematik ist natürlich interessant und ganz wenige Abschnitte auch augenöffnend, aber dennoch bleibt ein fahler Beigeschmack. Zu viel Krimi, zu viele Dialoge trüben den literarischen Wert und die Wirkung der wenigen politischen Aussagen des Autors.


    Vor kurzem habe ich "Die Schuld des Tages an die Nacht" von Yasmina Khadra gehört und hatte einen gänzlich anderen Eindruck vom Autor. Dort zeichnet den Autor ein wesentlich behutsamerer und feinfühligerer Ton aus. Umso überraschter bin ich gerade über die Trivialität dieses Romanes. Im Vergleich zu Leon de Winters "Recht auf Rückkehr" bin ich eher enttäuscht von diesem Buch.


    Fazit: Thematisch sehr interessant, literarisch bin ich ebenfalls der Meinung, nichts Besonderes. Liest sich weg wie nichts, ist dafür aber eben wenig weitreichend.

    Amin Jaafari ist Chirurg in einem Krankenhaus in Tel Aviv. Er erhält die schreckliche Nachricht, dass seine Frau bei einem Attentat ums Leben kam. Nicht genug damit - seine Frau soll diesen Anschlag selbst verübt haben. Das kann Jaafie unmöglich glauben. Gegen alle Ratschläge seiner Freunde macht er sich auf die Suche nach den Motiven und Hintergründen des Verbrechens. Dabei gerät er immer tiefer in die Verstrickungen einer tödlichen Feindschaft.

    Ja, ich hatte das Buch aus der Bibliothek ausgeliehen - blind, klang vom Klappentext vielsversprechend. Ich glaube aber fast, dass Nachtgeschwister noch besser sein wird, da sie sich darin wohl sehr intensiv mit ihrer Beziehung zu Wolfgang Liebig auseinandersetzt und es sozusagen als Gegenstück zu seinem Werk Provisorium geschrieben hat. Die Kritiken klingen jedenfalls sehr reizvoll!

    Erstauflage 1997, 200 Seiten


    Kurzbeschreibung
    Der neue Roman von Natascha Wodin führt zurück in eine deutsche Kleinstadt im Jahr 1964.
    Die Heldin ist zu Beginn 19 Jahre alt und arbeitet als Sekretärin und Telefonistin. Bald lernt sie Harald kennen, der einen ganz neuen, aufsehenerregenden Beruf hat: Programmierer.
    So recht vorzeigbar vor den Kolleginnen ist Harald wegen eines Körperschadens zwar nicht, aber dennoch ist die Heirat für die junge Frau wie ein Sprung auf die andere Seite des Lebens. Hatten sich doch Kindheit und Jugend in Blocks hinter dem Kanal abgespielt, wo nach dem Krieg fast ausschließlich versprengte, russische Familien wohnten und der Blick gutbürgerlichen Lebens jedenfalls hinreicht. Nun aber adelt ein deutscher Name die neue Existenz. Die Segnungen der neuen Umgebung, die Aufnahme in die Famile des Gatten, die der Christlichen Wissenschaft und der NPD huldigt, Urlaubsreisen nach Italien, Operbesuche, Begleitung des Ehemanns zur Jagd gewähren ganz ungeahnte Genüsse. Mit naivem, fast ungläubigem Staunen nimmt die junge Ehefrau die Atmosphäre wachsenden Wohlstandes in den sechziger Jahren wahr, aber bald erweist sich auch dessen Brüchigkeit.


    Die Autorin
    Natascha Wodin, geb. 1945 in Führt als Kind russisch-ukrainischer Eltern, arbeitete in verschiedenen Berufen, bevor sie 1983 mit "Die gläserne Stadt" einen mehrfach preisgekrönten Debütroman veröffentlichte.


    Eigene Anmerkung: Natascha Wodin war von 1994 bis 2002 mit Wolfgang Hilbig verheiratet. Diese Ehe und das Leben mit diesem Mann hat sie in ihrem zuletzt veröffentlichten Roman "Nachtgeschwister" - was als Gegenstück zu Hilbigs letztem Buch "Provisorium" gilt - beleuchtet.


    Natascha Wodin bei Wikipedia.


    Meinung
    Ein beeindruckendes Buch angesichts der Tatsache, dass Natascha Wodin in ihren Werken ihre Vergangenheit aufarbeitet. So auch in diesem Werk. Es geht vor allem um Heimatlosigkeit, sie bezeichnet sich selbst als Fremde zwischen den Kulturen.
    Der Lebenslauf der namenslosen Ich-Erzählerin ähnelt in allen Eckdaten Natascha Wodins Lebenslauf.


    Die Ehe ist ein Roman vor dem Hintergrund der Nachkriegszeit in Deutschland und ein detaillierter Blick hinter die Kulissen. Die Atmosphäre dieser Zeit ist beeindruckend aufgefangen ("die 68-er", Studentenproteste gegen den Vietnam-Krieg, Willy Brandts Kanzlerschaft etc.). In einem distanzierten und äußerst schlichtem Ton berichtet die Ich-Erzählerin von ihren Erlebnissen dieser Zeit, von ihren Gefühlen und von ihrer Unkenntnis über die Kultur eines Landes, in dem sie zwar geboren ist, in dem sie jedoch völlig orientierungslos herumirrt.


    Als die Ich-Erzählerin eines Tages beim Fernsehabend der Nachbarin auf den einäugigen Harald Sikora trifft, ekelt sie sich zwar, aber sie weiß, er ist ihre Chance auf eine "deutsche" Zukunft.


    "Er sah schaurig aus. Ich wollte davonlaufen, wenn mich ein Blick aus diesem Gesicht traf".


    "Das war er, der deutsche Mann, den ich nie wollte. Aber er war der erste und einzige, der mir ein Leben als Deutsche anbot. [...] Er war das Beste, was ich bekommen konnte, und ich war das Beste, was er bekommen konnte. Er nahm meinen Mangel in Kauf und ich den seinen. Das war unser Handel, das war unsere Bestimmung füreinander."


    Die Ehe steht von Beginn an unter schlechten Sternen. Haralds Eltern und auch er selbst sind Mitglieder einer Sekte, die sich "Christliche Wissenschaft" nennt und nebenbei engagiert sich ihr neuer Mann in einer neugegründeten Partei, die NPD heißt. Ihre Schwiegermutter hasst das Mädchen von Anfang an und versäumt es nicht ihr gegenüber dies zum Ausdruck zu bringen. Was zu Beginn noch Faszination auf die junge Frau ausübt - die Ehe, die Aufnahme in eine echte "deutsche" und bürgerliche Familie, die in Wohlstand lebt - entwickelt sich schon nach kurzer Zeit zu einem konventionellen Gefängnis. Das Mädchen kämpft sich im Laufe ihrer Ehejahre an ihrem Mann vorbei durch die Konventionen und schafft es zuletzt tatsächlich als Frau ihre Unabhängigkeit zu erringen.


    Fazit: Ein kühles und beeindruckendes Buch. Es wirkt oft recht befremdlich, dadurch aber auch faszinierend. Ich bin schon sehr auf "Nachtgeschwister" gespannt. Sehr empfehlenswert!

    Zitat

    Original von Queedin
    naja, wenn man Schnupfen hat, ist die Nase ja auch zu und man kann nur durch den Mund atmen. aber das geht doch auch wieder vorbei - sooo dramatisch ist das ja nun nicht. ich lasse einfach die Finger von dem Teufelszeug, seit dem ich weiß, dass man davon abhängig werden kann.


    Das ist leider keinesfalls vergleichbar. Ein Schnupfen ist lästig, hindert dich aber nicht am Atmen. Nasenschleimhäute, die von Nasenspraysucht beschädigt sind schwellen sehr viel mehr an, als es bei einem gewöhnlichen Schnupfen der Fall ist. Dadurch kommt diese schleichende Sucht zustande (man will diesen Zustand ja schleunigst beseitigen) und deswegen ist das Abgewöhnen auch ein Horrortrip.
    Ein weiterer Punkt ist noch, dass die Nasenschleimhäute sich nicht regenerieren. D.h. einmal beschädigt immer beschädigt - und das wirkt sich auch nach einer überwundenen "Nasenspraysucht" auf die Lebensqualität aus. Man ist also höchst rückfallgefährdet. Klingt komisch, is' aber so.
    Es ist wie so oft mit den Süchten: man kann es selten nachvollziehen, wenn man nicht selbst betroffen ist. Ich bin auch froh, dass ich es nicht mehr brauche und werde es auch nicht wieder benutzen.

    Zitat

    Original von Maharet
    Diese "Sucht" kommt schneller als man denkt. Bei mir kams durch den Heuschnupfen. Den hab ich halt von Februar bis November, und die normalen abschwellenden Nasensprays helfen einfach viel besser als die Heuschnupfensprays (selbst die mit Cortison).... und ehe man guckt ists schon passiert....


    Kann ich nur bestätigen. Als ich 14/15 war, fing ich ebenfalls wegen Allergien mit Nasentropfen an und bemerkte nicht, dass ich abhängig war. Mit 20 habe ich dann nach der Diagnose des HNO-Arztes "den Absprung geschafft", was übrigens ziemlich hart war. Man kann zwar durch den Mund atmen, das stimmt, aber es kann sich wohl kein Mensch vorstellen wie sehr die Schleimhäute zuschwellen können, der es nicht selbst erlebt hat. Ich konnte zwei Wochen nicht richtig essen, weil keine Luft durch die Nase ging und schlafen war auch die Hölle. Schön war der Entzug nicht - da war das Rauchen aufhören ein Jahr später schon wesentlich leichter.

    Der Roman erzählt von einer jungen Frau, die, als Nachkriegskind einer russischen Familie in ärmlichen Verhältnissen und im Schatten der gutbürgerlichen Gesellschaftskreise einer deutschen Kleinstadt aufgewachsen, im Jahre 1964 einen jungen Mann kennenlernt, ihn heiratet und meint, damit den Sprung auf die andere Seite des Lebens geschafft zu haben. Mit naivem Staunen nimmt sie den wachsenden Wohlstand der sechziger Jahre und das scheinbare Wohlwollen der Familie ihres Mannes wahr.