Kronprinz Wilhelm - Helmut Ries

  • Kurzbeschreibung
    Der Kronprinz hatte Augenmaß und politisches Gespür, Eigenschaften, die bei seinem Vater, Kaiser Wilhelm II, wenig entwickelt waren. Dem Verfasser gelingt eine fakten- und aufschlußreiche, sehr gut lesbare Darstellung des letztlich tragisch verlaufenen Lebens des Thronfolgers.
    Der Leser erfährt mit Staunen, in welch strenges Korsett der kaiserliche Nachwuchs tatsächlich eingebunden war



    Ich suchte schon länger nach einer entsprechenden Biographie über den letzten deutschen Kronprinzen, denn nur die Erinnerungen seiner Frau (die vielleicht doch subjektiv sein müssen) reichten nicht. Ries versucht nun den Kronprinzen vom Vorwurf des "Luftikus" oder "Lebemannes" reinzuwaschen. Denn ebenso wie des Kaisers Bild wurde auch das des Kronprinzen zu Propagandazwecken verzerrt.
    Ob nun gewisse Dinge zu kurz abgehandelt werden, Sachfehler vorhanden sind, oder nicht notwendige, meist antibritische Polemiken vorkommen, wie Rezensent Afflerbach in der FAZ schrieb, mir gefiel die Art des Schreibens, verständlich nicht fachidiotisch. Im Anhang finden sich nicht nur Quellenangaben, sondern auch die Übersetzung diverser Begriffe und Zitate, auch Personen, die im Zusammenhang stehen, werden erläutert. Ich habe den Kronprinzen durchaus als politischen Menschen sehen gelernt, der durch die autokratische Regierung des hyperaktiven Vaters vielfach gedemütigt und entmutigt wurde. Ob Wilhelm ein besserer Kaiser als sein Vater geworden wäre? Eine ebenso hypothetische Frage wie die nach der liberalen Regierung des 99-Tage Kaisers Friedrich III. Vielleicht hätte jedoch der sehr englandfreundliche Kronprinz Deutschland nicht in die Isolation getrieben...
    Etwas lasch wird das Leben des Kronprinzen nach dem Zusammenbruch der Monarchie beschrieben. Denn nach der Rückkehr aus dem Exil führte der Kronprinz in Potsdam ein gesellschaftliches Leben, das Freudinnen ebens einschloss wie Kontakte zu Künstlern odern Diplomaten. Auch seine Beziehungen zu den Nazis (Göring wie Hitler waren in Cecilienhof zu Gast) kehrt Ries unter den Tisch. Wilhelm ließ sich jedoch nicht lange von der braunen Brühe ködern (im Gegensatz zu seinem Bruder "Auwi"). Dennoch gibt es befremdliche Glückwunschtelegramme an Hitler (auch seitens des Kaisers aus Doorn). Die Frage Warum? wäre sicher interessant. Denn mehrheitlich blieb der Kronprinz wärend der Nazi-Zeit wohl unpolitisch neutral. Auch die letzten Jahre in Hechingen werden nur in wenigen Sätzen angedeutet.
    Insgesamt ein interessantes Buch, aber leider nicht ganz rund.

    Die Dichter
    Es soll manchen Dichter geben,
    der muß dichten um zu leben.
    Ist das immer so? Mitnichten,
    manche leben um zu dichten.
    Heinz Erhardt