Mika Frankenberg - Die Käferfrau

  • Über die Autorin
    Mika Frankenberg lebt als freie Autorin und Wissenschaftlerin in Frankfurt am Main.


    Kurzbeschreibung
    Dörte Martens arbeitet bei einem Pharmaunternehmen, ist spezialisiert auf die Forschung mit Käfern und hat für zwischenmenschliche Beziehungen nicht viel übrig. Ihre scharfe Zunge hält ihr unerwünschte Bekanntschaften auch zuverlässig vom Leibe. Eines Tages soll sie einige Käfer identifizieren, die man auf einer Leiche gefunden hat, und wird misstrauisch: Sie weiß, dass es diese sehr seltene Käferart in Europa nur in dem Institut, an dem sie arbeitet, gibt. Wie kamen die Käfer auf die Leiche? Und warum fängt ihr Chef auf einmal an, Nachforschungen über ihre persönliche Vergangenheit anzustellen und sie unter Druck zu setzen? Sie beschließt, sich den Gespenstern aus ihrem früheren Leben zu stellen. Dann trifft sie unverhofft einen Mann wieder, der sie seltsamerweise zu lieben scheint. Was ihre Verdrängungsmechanismen vollends durcheinanderbringt.


    Meine Rezension
    Vorweg sei eins gesagt: Dies ist ein seltsames Buch, mit einer seltsamen Protagonistin und einer seltsamen Handlung. Lange bleibt unklar, wohin uns der Weg führt: Ist es ein Krimi, der eine Käferforscherin als Protagonistin hat? Oder ist es primär die Ausleuchtung eines Familiendramas? Wenn ich ehrlich bin: ich weiß es auch nach Lektüre des Romans nicht, wie ich diesen Roman einzuordnen habe.


    Dörte Martens ist eine sehr eigenartige Frau. Verschlossen und misstrauisch lässt sie niemanden an sich heran. Erst ahnt man, dass sie wohl eine verkorkste Kindheit haben musste. Später entblättert sich, teils in Rückblenden, teils in Dörtes Recherche-Ergebnissen, wie verkorkst ihr Leben wirklich war: Pflegeeltern, Adoptiveltern, die Diagnose der verschiedensten angeblichen Behinderungen, Teenagerschwangerschaft, Verdacht der Kindstötung – ein Abgrund nach dem anderen tut sich auf und man begreift, warum der erwachsene Mensch Dörte so kompliziert ist.


    Dazu kommt ein dumpfer Verdacht wegen eines Todesfalls, der sie auch sowohl zu ihrem derzeitigen als auch ihrem früheren Chef führen… und dann ist da noch Viktor, der Russe, der sich einfach nicht abschütteln lässt.


    Ein Buch, das sich zwar einerseits gut weglesen lässt, auf der anderen Seite aber zumindest mich mit mehr Fragen zurücklässt als beantwortet wurden. Einige Punkte erschienen mir aber auch unlogisch bzw. zu sehr konstruiert, um wirklich glaubwürdig zu sein.


    Worüber ich mich diesmal aber wirklich ernsthaft SEHR geärgert habe: Welcher Aushilfspraktikant hat hier bloß den Klappentext geschrieben? Es heißt darauf „Ein spannender und sehr witziger Roman…“ Ich suche noch immer die witzigen Stellen im Buch. Welche könnte es sein? Teenieschwangerschaft, plötzlicher Kindstod? Pflegemutter, überforderte Adoptiveltern? Psychisch gestörter, magersüchtiger Teenie? Wo habe ich nun wohl am lautesten gelacht? Nein, sorry…. Das geht wirklich nun gar nicht. Das Buch ist definitiv NICHT witzig. Es ist sperrig, es ist komplex, es ist ernst. Was es nicht ist: witzig.

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

  • @ Batcat
    Danke für deine Einschätzung. Das Buch steht auf meiner Liste, jetzt aber gleich nicht mehr.


    :flowers :flowers :flowers

    Herzlichst, FrauWilli
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    Ich habe mich entschieden glücklich zu sein, das ist besser für die Gesundheit. - Voltaire

  • Zum Inhalt


    Dörte hält nicht viel von sozialen Kontakten. Sie spielt die Rolle der gewöhnlichen jungen Frau zwar fast perfekt, doch sobald ihr jemand zu nahe kommt, ergreift sie die Flucht. Bei ihrem psychologischen Gutachten ist das nicht weiter verwunderlich, denn demnach zeigt sie von klein auf eine Reihe gestörter Verhaltensweisen: Angefangen bei antisozialem Verhalten über autistische Züge bis hin zu leichter Schizophrenie.


    Sich dieser Diagnosen durchaus bewusst, hält sich Dörte so gut es geht von ihren Mitmenschen fern und widmet sich stattdessen lieber ihrer exotischen Käferzucht. Sie ist promovierte Biologin und sucht nach einem wirksamen Heilmittel gegen Krebs – eine Arbeit, in der Dörte vollkommen aufgeht.


    Als eines Tages eine Leiche auftaucht, in der Larven ihrer Käfergattung gefunden worden sind, denkt sich Dörte zunächst nichts dabei. Erst eine zufällige Begegnung mit ihrem ehemaligen russischen One-Night-Stand sowie der Kontakt zu ihrer neuen Arbeitskollegin Petra bringen Dörte auf einen Verdacht, der sie langsam, aber mit großer Aufregung aus ihrem Schneckenhaus lockt…


    Zur Umsetzung


    „Die Käferfrau“ ist zunächst ein höchst seltsames Buch. Auf den ersten Seiten wirkt Dörte für den Leser unnahbar. Sie schwelgt in wissenschaftlichen Theorien, schildert ihre Liebe zu Insekten und wirft mit Fachausdrücken nur so um sich. Der Einstieg in die Handlung gestaltet sich also etwas schwierig. Trotzdem lohnt es sich, dranzubleiben, da das Fachchinesisch irgendwann der eigentlichen Handlung weicht und diese mit einer ergreifenden Mischung aus Spannung, Psychologie und zwischenmenschlichen Beziehungen aufwartet.


    In erster Linie geht es um Dörte und ihre Vergangenheit. Sie wuchs als Heimkind auf, wurde von einer Pflegefamilie zur anderen gereicht und dabei allerhand unmenschlichen Zuständen ausgesetzt. Dörte weigert sich zunächst, ihren Wurzeln auf den Grund zu gehen und lässt nur hier und da sequenzartige Erinnerungen an ihre Jugend einfließen. Mit fortlaufender Handlung wächst in ihr jedoch der Wunsch, zu erfahren, was damals wirklich passiert ist. Sie macht sich auf die Suche nach ihren Eltern und stößt dabei auf Akten, in denen viele verwirrende und traurige Dinge zur Sprache kommen. Dennoch oder gerade deswegen kämpft Dörte beharrlich darum, ihrer leiblichen Mutter irgendwann gegenüberstehen zu können.


    Parallel zu dieser Thematik stehen Dörtes Beziehungen zu Viktor, dem russischen ONS, und Petra, einer scheinbar typischen Blondine, die offensichtlich mehr als eine Schönheits-OP hinter sich hat. Beide Figuren fügen sich mit ihren Eigenarten perfekt in die skurrile Personenkonstellation ein und sorgen mit ihrer bisweilen etwas naiven, aber sehr menschlichen Art für eine unfreiwillige Komik.
    Ohne die beiden wäre es bestimmt schwierig, einen Zugang zur Protagonistin zu finden, doch so wächst diese einem mit ihrem kratzbürstigen Umgangston, aber auch einer großen Portion Verletzlichkeit langsam ans Herz. Die merkwürdige Dörte wurde mir im Laufe des Buches durchaus sympathisch, vor allen Dingen auch, weil sie einen feinen Sinn für schwarzen Humor hat und man als Leser nach und nach erfährt, wo die Ursachen für ihr Verhalten liegen.


    Beide Handlungsebenen – die Familiengeschichte und Dörtes neue Bekanntschaften – sorgen für traurige, schockierende, aber auch amüsante und anrührende Lesemomente. Ergänzend dazu kommt durch den Fund der Leiche und Dörtes Nachforschungen diesbezüglich etwas Spannung ins Spiel. Zwar macht diese Thematik aus dem Roman noch keinen richtigen Krimi, sie sorgt aber durchaus für rätselhafte Ereignisse und temporeiche Abschnitte.


    Überhaupt ist Mika Frankenbergs Schreibstil im Ganzen sehr flüssig zu lesen. Hier und da muss man sich zwar etwas anstrengen, um die wissenschaftlichen Passagen nicht zu überfliegen, allerdings wirken diese sehr glaubwürdig und durchaus gut recherchiert. Den Rest des Buches habe ich mühelos und mit Vergnügen verschlungen.


    Fazit


    Alles in allem ist „Die Käferfrau“ vielleicht nicht jedem Leser zu empfehlen, doch wer eine Vorliebe für seltsame Geschichten, skurrile Charaktere sowie Psychologie und Familienschicksale hat, dem möchte ich dieses bisher zu Unrecht etwas unbeachtete Werk ans Herz legen. Ich persönlich werde die eigenartige Dörte und ihre Freunde vielleicht sogar ein bisschen vermissen…