'Gegen den Tag' - Seiten 0124 - 0256

  • Der zweite Abschnitt packt mich wieder mehr als das Ende des ersten.
    Merle Rideout, Dally und Chevrolette McAdoo tauchen als handelnde Figuren nicht mehr auf.
    Dafür wird eine neue wichtge Figur eingeführt.
    Webb Traverse ist ein eigenwilliger Charakter, sein Kollege und Freund Veikko Rautavaara ist ebenfalls ungewöhnlich.
    Durch die Vielzahl unterschiedlicher Protagonisten schafft Pynchon auf einfache Art ein komplexes Gesamtbild amerikanischer Menschen in ihrer Vielschichtigkeit.


    Webb ist tätig im Bergbau (Western Federation of minors), arbeitet sich hoch vom Windenführer, Bohrhauer zum stellvertretenden Vorarbeiter.
    Dieser Abschnitt ist voller Zündstoff: Webb arbeitet viel mit Dynamit, dazu kommt anscheinend ein Hang zum anarchistischen.
    Webb steckt also voller verstecktem Zorn, doch er führt ein relativ normales Leben mit seiner Familie.


    Mein Leseeindruck bei den Figuren: Pynchon mischt gerne zurückhaltende realistische Personen mit obskuren Gestalten und hebt dann allmählich die Grenzen auf.


    Dieser Abschnitt besitzt eine ganz eigene Atmosphäre, die sich von der des ersten Abschnittes unterscheidet.


    Später tauchen aber auch wieder die Freunde der Fährnis mit ihrem Luftschiff Inconvenience auf. Ich hatte sie schon vermisst.
    Im Kapitel 2 Islandspat gibt es sogar etwas Bodenurlaub.
    Ansonsten übernimmt Webbs Sohn Kit, ein selbstbewusster und intelligenter Bursche, mehr die Hauptrolle im Traverse-Part. Kit hat einen Hang zum ironischen, das unterscheidet ihn von Webb, deswegen mag ich ihn auch ganz gerne.

  • Eine interessante Figur! :-)


    Aber Kit folgt nicht dem Weg seines Vaters, der Widerständler, sondern verbindet sich mit dem Klassenfeind, indem er sich anheuern lässt.
    Seine Brüder schlagen anscheinend einen anderen Weg ein.


    Das ist auch kennzeichnend für Pynchon, dass die Figuren vielschichtig angelegt sind. Deshalb ist es nict immer einfach, sich sofort mit ihnen zu identifizieren. Neben sympathischen Seiten entdeckt man mit der Zeit auch weniger liebenswertes an ihnen. Das macht die Charaktere noch spannender und nimmt ihnen das einseitige!

  • Mir gefällt dieser Abschnitt auch wieder besser als das Ende des vorangegangen. Da war mir die Sprache mitunter fast zu schwülstig.


    Momentan habe ich den Eindruck als würden die Figuren die Handlung wie in einem Reigen weiterreichen (mir fällt leider kein besserer Vergleich ein).
    Webb tauchte ja schon bei Merle auf und nun geht's weiter mit seinem Sohn Kit.


    Mir gefällt auch, dass man nicht weiss, ob diese Personen nun weiterhin eine Rolle spielen, ob sie später oder gar nicht mehr auftauchen. Jedenfalls eine interessante Konstruktion.

  • Zitat

    Original von Herr Palomar
    (...) Das ist auch kennzeichnend für Pynchon, dass die Figuren vielschichtig angelegt sind. Deshalb ist es nict immer einfach, sich sofort mit ihnen zu identifizieren. Neben sympathischen Seiten entdeckt man mit der Zeit auch weniger liebenswertes an ihnen. Das macht die Charaktere noch spannender und nimmt ihnen das einseitige!


    Stimmt, und es ist auch viel realistischer -- hat nicht jeder Mensch (im richtigen Leben) auch seine Schwächen und Fehler? -- Ich halte das für einen großen Pluspunkt in diesem Buch (bzw. bei Büchern überhaupt); ich mag es gar nicht, wenn mir in Büchern Charaktere vorgestellt werden, die nur gut oder nur böse sind, das ist klischeehaft und langweilig.


    Eine andere Frage: sprechen sich die Leute mit "Du" oder mit "Sie" an, auf der Inconvenience z.B.?

  • @LuLim
    Jetzt musste ich zur Sicherheit doch glatt mal nachschauen, aber die Besatzungsmitglieder der "Inconvenience" sprechen sich mit "Du" an, zumindest in den Passagen, die ich nachgelesen habe.
    Wie kommst Du denn darauf?


    Ich glaube über Einseitigkeit oder Langeweile werden wir uns nicht zu beklagen haben, weder bei den Charakteren noch bei dem weitgespannten Bogen der Handlung.
    Ich muss auch manche Sätze zweimal lesen, weil sie doch oft recht lange sind und dann fehlt mir beim 1. Lesen das Prädikat. Das kommt mir dann fast so vor, wie das Übersetzen im Lateinunterricht.


    Gut, dass ich heute und morgen noch Zeit habe, danach komm ich nur noch abends zum Lesen, und dann wird sich mein Tempo etwas verlangsamen.

  • Ich habe nun auch die ersten Seiten des zweiten Abschnittes gelesen und mir gefällt das Buch nun etwas besser. Die Geschichte um Webb, Kit und Veikko empfand ich als spannend erzählt ... das war endlich mal ein Abschnitt, in dem ich das Buch kaum aus der Hand legen konnte.


    Vielleicht habe ich auch etwas überlesen, aber was kann ich mir denn genauer unter einem Islandspat vorstellen? Das sagt mir irgendwie gar nichts :gruebel

  • Islandspat ist ein Gestein, das in der Optik für seine doppelte Lichtbrechung bekannt ist.


    Pynchon lässt Informationen dazu in den Dialogen der Figuren einfliessen.
    Das gehört eigentlich nicht zu den von mir bevorzugten Stilmitteln, um essayistisch zu schreiben.
    Entgegen dem Konsens der gängigen Literaturkritik mag ich es, wenn Autoren essayistische Passagen direkt in ihren Text einbinden.

  • Ich verabschiede mich nun aus dieser Leserunde.


    Ich habe mir wirklich Mühe gegeben, Interesse für dieses Buch aufzubringen, was mir jedoch nicht gelungen ist. Nach 210 Seiten gebe ich auf und widme mich anderen Geschichten.


    Ich habe keinen Zugang zu diesem Buch gefunden, was ich sehr bedaure. Ich bin allerdings davon überzeugt, dass es nicht an mir liegt, sondern viel mehr daran, dass dieses Buch keine Message hat, bzw. eine hat, die ich aber immer noch nicht erkannt habe.


    Viel Spaß und Durchhaltevermögen euch anderen.


    :wave Ruhrmaus

  • Zitat

    Original von Herr Palomar
    Islandspat ist ein Gestein, das in der Optik für seine doppelte Lichtbrechung bekannt ist.


    Ah, danke für die Erklärung. Ich habe nun auch noch mal zurückgeblättert und habe festgestellt, dass ich wirklich bei einigen Dialogen etwas überlesen haben.


    Ruhrmaus
    Schade, aber ich kann dich verstehen! :knuddel1
    Auch ich habe zu kämpfen, aber ich habe bisher noch nicht vor, aufzugeben ... mal schauen, wie weit ich noch komme.


    Ich hoffe, dass du mehr Glück hast bei "Der Turm". ;-)

  • buzzaldrin :
    Du weißt doch, man trifft sich immer zweimal im Leben. Mindestens. :-] Ich kann mich auch schlecht bis gar nicht daran erinnern, dass ich ein Buch an die Seite gestellt habe, seit ich lesen kann. Und bei "der Turm" passiert mir das ganz bestimmt nicht. Das Buch hat schließlich eine Geschichte zu erzählen.


    :wave Ruhrmaus