Panther - Carl Hiaasen

  • Panther – Carl Hiaasen
    Verlag: Beltz; ISBN: 978-3407810526
    380 Seiten; Februar 2009


    Schon mal einen Bleistift gegessen?


    Beim Titel meiner Rezension zweifelt ihr an meinem Verstand? Oder gehört ihr zu den Menschen, die es gern skurril, etwas abgedreht und humorvoll mögen? Dann liegt ihr mit diesem Buch genau richtig!


    Nach Büchern wie "Eulen" und "Fette Fische" legt Carl Hiaasen nun erneut im Bereich des Jugendbuches nach - besser gesagt: Er legt vor! Mit "Panther" hat er ein grandioses Jugendbuch geschrieben, das durch seine Spritzigkeit und einen ausgesprochen lockeren Sprachstil überzeugt. Carl Hiaasen redet nicht um den heißen Brei herum. Er trifft einfach immer auf den Punkt, ist herrlich offen und lässt sich nicht von Konventionen beeindrucken. Wieso soll ein Jugendbuch nicht auch mal aufmüpfig sein? Weshalb darf es nicht die Dinge beim Namen nennen, anstatt in Kitsch zu verfallen, weil man den jungen Lesern kein eigenes Urteilsvermögen zutraut?


    Carl Hiaasen pfeift auf ausschmückendes Beiwerk und wird auf diese Weise sowohl junge als auch erwachsene Leser begeistern. Dieses Buch hat einen extrem hohen Unterhaltungswert und das ist gut so. Gleichzeitig vergisst der Autor es aber nicht, eine gewisse Tiefgründigkeit zu transportieren. Dennoch widersprechen sich diese verschiedenen Aspekte der Geschichte nicht. Ganz im Gegenteil: In dieser Kombination lassen sie das Buch echt wirken, trotz der überschwänglichen Fantasie des Autors. Mal humorvoll, dann wieder spannend, etwas melancholisch und später familiär - Hiaasen hat definitiv einen interessanten Stilmix geschaffen.


    Alles beginnt in einer Biologiestunde bei der meistgehassten Lehrerin der Schule. Es kommt zum Konflikt zwischen der Lehrerin und Smoke, einem recht querköpfigen Schüler. Als dieser sich weigert einen Aufsatz über Pickel zu schreiben, mit denen er leider großzügig bedacht wurde, wird die Lehrerin wütend. Es kommt zum Eklat und Smoke verspeist den Bleistift der Lehrerin - direkt aus ihrer Hand. Wenn das kein gelungener Start in ein Buch ist! Der Leser wird aufgerüttelt und überrascht. Man muss einfach weiterlesen. Genau dieser Anreiz zum gebannten Weiterlesen fehlt so vielen Büchern. Wie anregend, dass es hier nicht der Fall ist.


    Jedenfalls begeben sich besagte Lehrerin und einige Schüler kurze Zeit später auf eine Exkursion. Dort kommt es zu einem Buschfeuer und die Lehrerin bleibt als einzige verschollen. Und dann geht die Geschichte richtig los...
    Nick und Marta, zwei der Schüler, beginnen eigene Nachforschungen anzustellen. Lasst euch überraschen, was da noch kommt. Und was hat es eigentlich mit dem Panther auf sich?


    Ein großes Lob muss ich auch für die Umschlag- und Buchgestaltung aussprechen - vorn wird man von gefährlichen Pantheraugen verfolgt und auf der Rückseite befinden sich Pantherspuren. Das wiederholt sich nochmals direkt auf dem Buch. Wahrhaft ein Hingucker!


    Es handelt sich hierbei um einen Ökokrimi für Jugendliche. Auf den ersten Blick hört sich diese Kombination schon eigenartig an: Öko und dann noch Krimi - das soll spannend sein? Ja, das ist es! Außerdem lebt dieses Buch doch gerade von seinen einzigartigen Verknüpfungen.


    Kurzbeschreibung
    Carl Hiaasens neues Abenteuer aus Floridas Umweltsündersümpfen: spannend, rasant, skurril.Mit einer katastrophalen Schulstunde inklusive verspeistem Bleistift (mit Mine) und einer Strafarbeit über die Geschichte des Pickels (500 Wörter) beginnt Carl Hiaasens neuster Ökokrimi. Eine noch viel größere Sauerei spielt sich allerdings fern der Schule in Floridas Sümpfen ab: Einer der seltenen und unter Artenschutz stehenden Florida-Panther gerät illegalen Ölbohrungen in die Quere und wird brutal verjagt. Dabei bleibt sein Pantherbaby auf der Strecke. Es muss überleben und zu seiner Mutter zurückgebracht werden, das schmutzige Ölgeschäft im Naturschutzgebiet ein Ende haben!
    Eine gefährliche Mission für die beiden Freunde Nick und Marta - und eine zum Verzweifeln. Denn wer Carls Hiaasens Bücher kennt, der weiß, was seinen jungen Helden blüht: skurrile Begegnungen, jede Menge falscher Fährten, durchgedrehte, verschrobene oder einfach nur dämliche Erwachsene und ganz viel Quatsch!
    Und was haben Bleistift und Pickel mit all dem zu tun? Eben.


    Über den Autor
    Carl Hiaasen, Reporter und Starkolumnist des Miami Harald, ist dem Establishment von Florida verhasst, greift er doch mit spitzer Feder genau jene Themen auf, die die skrupellosen Geschäftemacher im Sunshine State nicht an die große Glocke hängen wollen: Profitgier, Touristennepp und Umweltzerstörung. Seine Romane zeichnen sich durch spannende Plots, fräsenden Humor und pointierte Dialoge aus. Hiaasen gilt als bissiger Kritiker des amerikanischen Lifestyle.

  • OT: Scat 2009



    ‚Panther’ ist der dritte ‚Rettet-die-bedrohte-Tierwelt’-Jugendkrimi von Hiaasen. Die bekannten Ingredienzien werden aufgefahren. Der Schulalltag, eine Lehrerin, die Angst und Schrecken verbreitet, brave und weniger brave MitschülerInnen. Das Familienleben, einmal beim Protagonisten Nick, dessen Vater im Irak stationiert ist, und einmal bei Duane, dessen Mutter sie verlassen hat. Die Fauna und Flora Floridas, hier die sog. ‚Schwarzrankensümpfe’, ein Teil der Everglades. Dazu gibt es noch ein paar Finsterlinge, bei denen sich im Lauf der Geschichte herausstellt, daß der eine oder andere gar kein Böser, sondern ein richtig Guter ist.


    Es beginnt mit einem Eklat im Biologieunterricht. Ein von der herrschsüchtigen Lehrerin (die die halbe Klasse für eine waschechte Hexe oder ein Alien hält) gepiesackter Mitschüler beißt zurück, im Wortsinn. Der drohend erhobene Bleistift verschwindet zur Hälfte im Mund von Duane, der wegen Brandstifter-Aktivitäten (wie man munkelt) auf den Spitznamen ‚Smoke’ hört. Gleich nach dem halben Bleistift verschwindet Smoke. Am nächsten Tag dann auch die Lehrerin, Mrs. Stark. Und das, nachdem während eines Ausflugs ein Feuer ausgebrochen ist. Hat Smoke etwas mit dem Verschwinden von Mrs. Stark zu tun?


    Unseren Helden Nick beschäftigt in diesem Stadium allerdings mehr das Problem, was aus seinem Vater geworden ist, der sich seit einiger Zeit nicht gemeldet hat. Sein Vater taucht wieder auf, allerdings schwer verwundet, was Nick völlig durcheinanderbringt.
    Smoke taucht auch wieder auf, jedoch ganz verändert, ein braver Junge, was zwar seine reiche Großmutter begeistert, seinen Vater, der seit dem Ende seiner Ehe äußerst merkwürdige Verhaltensweisen an den Tag legt, noch mehr zu verwirren scheint.


    Verwirrt ist auch der Direktor der Schule, weil Nachrichten der vermißten Lehrerin auftauchen, die Lehrerin selbst aber nirgends greifbar ist. Auch Nick und seiner Schulfreundin Marta fällt auf, daß Mrs. Stark durch die Gegend zu geistern scheint.
    Wer noch durch die Gegend geistert, sind ein seltsamer Mann mit einer schwarzen Skimütze über dem Kopf, zwei Fremde mit undurchsichtigen Plänen, viel zu viele Hubschrauber über den Sümpfen und schließlich ein hellbrauner Schatten, von dem Nick überzeugt ist, daß dieser nur eins sein kann: einer der höchst seltenen Florida-Panther.


    Vatersuche, Sohnsuche, Erkenntnissuche aller Beteiligten verwickeln sich bald in ein wild verzwirbeltes Handlungsknäuel. Was man unter den vielen Fäden allerdings fast vergeblich sucht, ist zum einen der berühmte rote und zum anderen der vielfarbige der Spannung. Sie haben nur ein paar dünne Fasern hinterlassen.


    Es wird von allem zuviel aufgetischt, zugleich bleiben Geschehen und Personen seltsam blaß und blutleer. Hiaasen nimmt immer wieder Anlauf, setzt zum Sprung an, kommt aber kaum zehn Zentimeter vom Boden weg. Die Schwerpunkte treten ebensowenig hervor wie die Perspektive. Alles scheint das gleiche Gewicht zu haben. Man betrachtet das Geschehen von Nick aus, vom Schuldirektor aus, von Duanes Großmutter aus, aber was Puzzleteile ein und derselben Handlung sein sollen, sind tatsächlich jeweils andere Geschichten. Diese wiederum können sich nicht entfalten, weil dem Autor im letzten Moment einfällt, daß er eigentlich etwas anderes schreiben muß. Ganze Handlungsstränge, besonders der über den wirklich abseitigen Lehrer Dr. Waxmo, sind einfach nur sinnlos. Sie wurden geschrieben um die Skurrilität willen, für den nächsten Lacher, haben aber keine echte Funktion im Handlungsverlauf.


    Es gibt ein wenig Kritik am Schulsystem, an der Politik, am Umgang mit der Umwelt. Sogar am Irak-Krieg, man höre und staune. Aber gerade bei diesem Thema hat sich Hiaasen dann auch übernommen, es geht um schwere Kriegsverletzungen, die Frage des Weiterlebens mit einem fehlenden Arm, Heldentum, Vater-Sohn-Beziehung. Das wird rasch zum Fremdkörper in einem eigentlich als witzig angelegten Unterhaltungsroman für recht junge Leserinnen und Leser. Die Kurve am Ende kann wirklich nur 11jährige völlig überzeugen.


    Nicht recht gelungen sind auch die Figuren. Sie werden eigentlich nur von außen beschrieben, zuweilen wirkt das so, als hätte Hiaasen die Charakterskizzen, die sein Arbeitsmaterial waren, einfach in den Text eingebaut. Das sprengt nicht nur den Handlungsverlauf, wenn er gerade mal wieder mühsam ins Rattern gekommen ist, sondern unterbricht auch den Lesefluß, weil man sozusagen das geistige Personalverzeichnis öffnen muß und eine Akte mit allen Daten zu einer weiteren Figur ablegen. Ihr jeweiliges Handeln wird nicht als Mittel der Charakterisierung eingesetzt, im Gegenteil dient sie oft nur der Wiederholung dessen, was uns im ‚Lebenslauf’ schon geschildert wurde. Ebenso holprig sind die Dialoge, die gesprochenen wie die inneren. Auch mit ihnen wird meist nur wiederholt, was bereits bekannt war. Das hat zur Folge, daß man beim Lesen das Gefühl hat, man trete endlos auf der Stelle.


    Überraschungen oder unerwartete Wendungen bleiben dementsprechend aus, man ertappt sich überdies dabei, daß sich das Interesse zu erfahren, was denn tatsächlich geschehen ist, langsam, aber entschieden verflüchtigt. Auf den letzten dreißig Seiten des immerhin 370 Seiten starken Romans zieht das Ganze dann noch einmal an. Das verdanken wir aber weder dem Autor noch den Figuren, sondern der Natur in Gestalt des wunderschönen Panthers. Zu einem überzeugenden Roman macht der Auftritt das Buch trotzdem nicht.


    Erschwerend hinzu kommt die nicht immer gelungene Übersetzung. Nun ist zu sagen, daß es nicht möglich ist, die vielen Anspielungen aus dem Reich der Exkremente, die das Original enthält (man beachte den Titel!), ins Deutsche zu übertragen. Ich persönlich muß zugeben, daß ich das nicht besonders bedauere. Es gibt noch genug zu lachen für kleine LeserInnen in diesem Buch. Der Kot wird ihnen auch im Deutschen nicht völlig vorenthalten, bei der Suche nach Tierfährten aber ist er am richtigen Platz. Schade ist es zudem, daß so mancher Witz in der Namensgebung auf deutsch nicht gleich wirksam wird. So hört die martialische Biologielehrerin ausgerechnet auf den Vornamen Bunny!
    Ebenso entfallen einige Wortspiele, aber so etwas ist immer ein Problem bei Übertragungen von einer Sprache in die andere.


    Was beim Lesen stört, sind Uneinheitlichkeit und die Verwendung sehr sperriger Ausdrücke. Nicks Vater ist einmal ‚Kapitän’, später ‚Hauptmann’. Durch die Luft schwirren ‚nächtliche Insekten’, ein Ara ‚quakt’. Es gibt unschöne Abstürze ins Umgangssprachliche: ‚Er war beim Ausflug nicht mit’. Zum Staunen gebracht hat mich ein Revolver, der mit einem Zahlenschloß gesichert ist. Eine Innovation in der Waffentechnik? Ich fände sie durchaus begrüßenswert. Ein zweiter und schließlich dritter Blick auf den Satz haben allerdings den Verdacht in mir geweckt, daß es wahrscheinlich die Nachttischschublade ist, an der das Zahlenschloß angebracht ist.
    Insgesamt erweckt der Text den Eindruck, als habe die Zähigkeit der Handlung auf Dauer die Übersetzerin angesteckt.


    Hiaasens neuem Buch fehlen der Schwung und die Frische, die ‚Eulen’ auszeichnete. Es überfordert ganz sicher junge LeserInnen der Altersgruppe der neun - bis elfjährigen, die der US-Verlag angibt, aber auch ältere Kinder können leicht kapitulieren. Als Einstieg in Hiaasens Kinder-Öko-Krimis taugt das Buch nicht, es ist eher für LeserInnen, die bereits Fans sind, und vor allem für solche, die gern lesen und für die Buch nur eins sein muß: dick.


    Die Cover-Gestaltung ist frablich wie graphisch einfach nur gelungen, wenn auch der Werbeaufdruck auf dem Schutzumschlag den künstlerischen Gesamteindruck gewaltig stört. Läßt man den Schutzumschlag diskret verschwinden, was eigentlich die einzige vernünftige Reaktion ist, da man den Werbeaufdruck nicht entfernen kann, muß man auf den schönen Schriftzug verzichten. Den zeigt die Buchvorderseite nämlich nicht.
    Das paßt zu diesem Buch, das, gleich, von welcher Seite man es betrachtet, einfach nicht recht gelungen ist.


    Der wunderschöne Panther hat deutlich Blei in den Sprunggelenken.

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus