Herz und Seide – Herta Müller

  • Essays
    Gebundene Ausgabe: 172 Seiten
    Verlag: Rowohlt, Reinbek, 1995


    Kurzbeschreibung:
    Herta Müller, die 1987 der Diktatur Rumäniens entronnen ist, schreibt aus erlittener Erfahrung heraus über Macht und Widerstand in einem totalitären Staat, über Wahrheit und Lüge, Aufrichtigkeit und Betrug. Ihre Essays stehen unter dem Motto: "Das Gedächtnis verläßt die Wahrheit nicht. Das Gedächtnis behält die Dinge der Angst."


    Über die Autorin:
    Herta Müller, 1953 geboren im deutschsprachigen Nitzkydorf/Rumänien, studierte 1973 - 1976 deutsche und rumänische Philologie in Temeswar. Nach dem Studium arbeitete sie als Übersetzerin in einer Maschinenfabrik. Sie wurde entlassen, weil sie sich weigerte für den rumänischen Geheimdienst Securitate zu arbeiten. Ihr erstes Buch "Niederungen" lag danach vier Jahre beim Verlag und wurde 1982 nur zensiert veröffentlicht. 1984 erschien es in der Originalfassung in Deutschland. Herta Müller konnte danach in Rumänien nicht mehr veröffentlichen und war immer wieder Verhören, Hausdurchsuchungen und Bedrohungen durch die Securitate ausgesetzt. 1987 Übersiedlung nach Deutschland. 1989 - 2001 Gastprofessuren an Universitäten in England, Amerika, Schweiz und Deutschland. Seit 1995 Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, Darmstadt. Herta Müller wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. So erhielt sie 2006 den Würth-Preis für Europäische Literatur für ihr literarisches Gesamtwerk sowie den Walther-Hasenclever-Werkpreis. Herta Müller lebt in Berlin. 2009 erhielt die Autorin die Ehrengabe der Heine-Gesellschaft.


    Meine Meinung:
    Die inzwischen auch schon für den Literaturnobelpreis gehandelte Autorin schreibt intelligente, überzeugende Essays. Dieser Essayband ist schon etwas älter, aber ich nehme es immer wieder gerne in die Hand und lese darin.


    Herta Müller schreibt als in Rumänien geborene Deutsche über die Diktatur, sie stellt Zusammenhänge in einem weiten Rahmen dar. Dazu nutzt sie eine klare, kraftvolle Sprache, die auch gut lesbar ist.


    Dem Essayband vorangestellt ist eine Rede Herta Müllers zur Verleihung des Kleist-Preis an sie im Jahr 1994.


    Das Buch ist oft ungemütlich, so erfährt man nicht gerade wenig über Verhörmethoden der Securitate und dem Terror der Diktatur unter Ceausescu.
    Eine Verdrängung oder spätere Verharmlosigkeit der Zeit akzeptiert Herta Müller nicht.


    Unvergessen ist Herta Müller die Zeit in Rumänien, der Geheimdienst, unter dem sie zu leiden hatte (vergleiche dazu beispielsweise auch ihren beeindruckenden Roman „Heute wäre ich mir lieber nicht begegnet“). Herta Müller erwähnt aber auch den Trost, den ihr ein Sarah Kirsch-Gedicht gab und das ihr half, mit der Bedrohung durch die Securitate zu leben.


    Es geht viel um Deutschland.
    In dem Essay „Schmeckt das Rattengift“ schreibt Herta Müller über Ausländerhass im Deutschland der 90ziger, wie unreflektiert auf Asylanten geschimpft wurde. Sie glaubt nicht an Protestwähler, wenn Republikaner immer mehr Stimmen bekamen.


    In „Zehn Finger werden keine Utopie“ beschäftigt die Autorin sich mit Begrifflichkeiten und wie mit ihnen umgegangen wird.
    „Die Ideologie des Sozialismus war eine angewandte Utopie. Die angewandte Utopie ergab eine Diktatur. (Seite 50)


    Ein zentrales Essay ist „Der Staub ist blind – Die Sonne ein Krüppel“ Zur Situation der Zigeuner in Rumänien. Für die rumänischen Zigeuner, die den Begriff Roma selbst nicht benutzen, herrscht immer noch eine große Verachtung im Lande, sie leben am Rande der Armut und Gesellschaft.


    Die letzten Essays beschäftigen sich mit dem Bosnienkrieg Mitte der 90ziger Jahre.


    Herta Müllers Schlussfolgerungen sind messerscharf! Dazu kommen überzeugende Bezüge, wenn sie auf Autoren wie Imre Kertész, Kafka und andere verweist.