Christopher Lloyd - Um alles in der Welt

  • Was für eine schier unglaubliche Herausforderung, fast schon eine unverschämte Anmaßung: Wer bitte vermag es, einen Überblick über 13,7 Milliarden Jahre Geschichte zu geben, ja, die gesamte „Geschichte der Erde, des Lebens und der Menschen vom Urknall bis zum 21. Jahrhundert“ in einem einzigen Werk zu erzählen???
    Mit „Um alles in der Welt“ stellt sich Christopher Lloyd solch einer Aufgabe. Er nimmt diese Herausforderung an, und das Ergebnis ist ein Buch von 528 Seiten, für jedermann verständlich, mit einer Fülle an Wissen, reichhaltig illustriert und wirklich unterhaltsam geschrieben.
    Ein Buch mit wissenschaftlichem Tiefgang? Denken Sie daran: 13700000000 Jahre auf 528 Seiten… Hier eine detaillierte wissenschaftliche Arbeit zu erwarten, wäre völlig verfehlt. Dies kann und darf nicht Zweck eines solchen Buches sein. Die Herausforderung besteht vielmehr in der Breite als in der Tiefe der Informationen. So bietet „Um alles in der Welt“ gewissermaßen einen Höhenflug über die Geschichte von Raum und Zeit. Wir sehen also mehr die Schönheit des Waldes als die Einzigartigkeit der Bäume (obwohl das Buch – ganz nebenbei bemerkt – auf ganz wunderbare Weise zu erklären versteht, wie die ersten Bäume entstanden sind.)


    Um sich diesen gewaltigen Zeitraum besser vorstellen zu können, vergleicht Christopher Lloyd die gesamte Geschichte mit einem Tag von 24 Stunden. So findet sich auf jeder Seite des Buches die seit dem Urknall als Stunde Null verstrichene Zeit. Eine äußerst geschickte Hilfe, um die dargestellten Zeiträume als kleiner Mensch überhaupt erfassen zu können. Während Seite für Seite die Stunden, Minuten und Sekunden bis zum heutigen Tag verrinnen, tauchen die Leserinnen und Leser ein in die Unendlichkeit der Geschichte. Um 0.00 Uhr ist das Leben selbst noch in weitester Ferne. Erst gegen 5.19 Uhr dieses 24-Stunden-Tages entstehen Aminosäuren als ein Nebenprodukt der klimatischen Veränderung auf der Erde. Viel später wird der erhöhte Sauerstoffgehalt in der Luft die Voraussetzung für ein vielfältiges, artenreiches Leben schaffen, bis hin zu den weltweit größten Kreaturen, die um 22.24 Uhr gelebt haben, während nur 20 "Minuten" später fast alle Tiere am Ende der Perm durch ein großes Aussterben ausgerottet werden. In den restlichen 75 Minuten des Countdowns der Geschichte explodiert mit dem Auftreten neuer Arten das Leben erneut. Geographie und Klima der Erde bestimmen dabei das Schicksal aller Lebewesen.
    Wenn schließlich die ersten Menschen die Bühne der Geschichte betreten, ist auf unserer Uhr schon längst die letzte Minute vor Mitternacht angebrochen. Tatsächlich nimmt die Gesamtheit der menschlichen Geschichte gerade einmal die letzten drei Sekunden dieses Countdowns ein. Doch diesen drei Sekunden widmet Christopher Lloyd rund 400 Seiten seines Buches, von 70.000 v. Chr. bis ins Jahr 2008 n. Chr., vom Entstehen der vier großen ethnischen Gruppen und den ersten Hochkulturen im Nahen Osten bis hin zu einer immer globaleren und technisierten Welt von heute.
    Pünktlich zum Glockenschlag um Mitternacht stellt Lloyd schließlich die entscheidenden Fragen für unser aller Zukunft: Wie werden die Einflüsse des Homo sapiens die Welt von morgen gestalten? Wird der Mensch in ihr überhaupt eine Zukunft haben?


    Wäre „Um alles in der Welt“ ein Buch, das wissenschaftliche Fakten aneinanderreiht, wäre es für die meisten Leser(innen) sicher eine allzu trockene Lektüre. Zum Glück aber ist Lloyd Historiker und Journalist, der es gekonnt versteht, den Erzählfluss stets interessant zu gestalten. Unterstützt wird das Geschriebene durch eine Vielzahl an Zeichnungen und Fotos, die die geschichtlichen Entwicklungen wirkungsvoll veranschaulichen. Der umfangreiche Index lässt das Buch zudem zu einem guten Nachschlagewerk werden.
    Zugegeben, wer sich wissenschaftliche Details und entsprechenden Tiefgang erwartet, wird zwangsläufig enttäuscht werden. Mag auch sein, dass einige den Schreibstil zu einfach finden. Nicht alle werden Lloyds Ansichten zum menschen(mit)gemachten Klimawandel teilen. Und sicher wird es manch wissenschaftliche Ungereimtheit, Ungenauigkeiten oder sogar Fehler geben. Dabei darf nie vergessen werden, dass dieses Projekt tatsächlich von einem einzigen Menschen gestemmt wurde. Und hierin liegt sicher auch eine Schwäche! Also ist das Buch am Ende doch mehr Anmaßung als gelungene Herausforderung? Dem möchte ich absolut widersprechen! Christopher Lloyd hat sich durch seine Arbeit wirklich Respekt und Bewunderung verdient. Denn auf eine wunderbare Weise versteht er es, Zusammenhänge zwischen den geologischen, klimatischen, biologischen und soziologischen Kräften unserer Welt aufzuzeigen, und wie diese miteinander im Lauf der Zeit so zusammengearbeitet haben, dass unsere Welt entstanden ist, wie wir sie heute kennen: So sind Tektonische Platten beispielsweise nicht nur Felsgestein, das sich bewegt, sondern sind die Bühne der Natur für die Schaffung neuer Arten. Prähistorische Reptilien werden zu Kohle, die das Feuer anfacht, in dem schließlich Eisen zu Waffen und Werkzeugen geschmolzen wird, um Gesellschaften aufzubauen und zu erobern.
    „Um alles in der Welt“ wird seinem Namen dadurch gerecht, dass es seine Leserinnen und Leser zu einem wahren Höhenflug über Raum und Zeit einlädt, und so die Augen öffnet für die wunderbare Art und Weise der Natur, alles was ist und was sein wird, miteinander zu verbinden. Das hat dieses Buch für mich zu einem echten Aha-Erlebnis werden lassen!

  • Worum es geht ...
    ... ist bezüglich dieses Buches mit einem kurzen Satz gesagt: Es geht um alles. In kurzen, übersichtlichen Kapiteln erzählt der Autor die Geschichte der Erde, des Lebens und der Menschen vom Urknall bis ins Zeitalter der Globalisierung.


    Wie es mir gefallen hat
    Meiner Meinung nach hat Christopher Lloyd die ungeheure Aufgabe, die er sich mit diesem Buch stellte, ganz exzellent gemeistert. Am schwierigsten wird es wohl gewesen sein, Prioritäten zu setzen, wenn man für das Wichtigste nur rund 500 Seiten zur Verfügung hat. So war ich manchmal auch verwundert, dass er Wert auf die Darstellung von Ereignissen legte, die mir nicht so bedeutend erschienen, während ich von anderen gerne mehr erfahren hätte. Aber das liegt wohl im Auge des Betrachters, und dem Leser bleibt nichts anderes übrig als die Auswahl des Autors bei diesem unüberschaubaren Gebiet so zu akzeptieren, wie er sie getroffen hat.
    Besonders gut gefallen hat mir, dass Christopher Lloyd immer wieder auf wichtige Zusammenhänge in unserer Geschichte verweist, und dadurch neue Sichtweisen eröffnet. Um seinen Lesern eine Vorstellung von den ungeheuren Zeiträumen zu vermitteln, um die es hier geht, greift der Autor zu einem ebenso einfachen wie wirkungsvollen Hilfsmittel, und lässt die gesamte Erdgeschichte anhand eines 24-Stunden-Tages ablaufen. Dass der Homo sapiens erst wenige Minuten vor Mitternacht auftauchte ist kaum zu glauben und umso erschreckender, wenn man bedenkt, was er in dieser kurzen Zeit bereits alles angerichtet hat. Demnach müssen wir die Erfindung der Schrift, mit der die Geschichte der Zivilisation beginnt, überhaupt erst eine Zehntelsekunde vor 0:00 Uhr ansetzen.
    Mit seinem Buch hat Christopher Lloyd ein gleichermaßen spannendes wie lehrreiches Werk vorgelegt, das ich sehr gerne gelesen habe. Darüber hinaus führt es einmal mehr vor Augen, wie unbedeutend unsere eigene Existenz ist, nicht mehr als ein Wimpernschlag in der Unendlichkeit der Zeit.