Eva Demski - Gartengeschichten

  • Mit einem gewaltigen Magengrummeln sortiere ich dieses Buch hier ein. Es ist meiner Meinung nach kein richtiges Sachbuch, auf keinen Fall ist es ein Ratgeber.


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    Klappentext
    Das Paradies ist in vielen Religionen ein Garten. Unzählige Menschen wollen schon im Diesseits so etwas haben. Von diesem Moment an stellt sich jeden Tag aufs neue die Frage: Hat der Garten uns, oder haben wir ihn? Seit Adam und Eva ist diese Frage von nicht geringer Bedeutung für das menschliche Geschick. Auf vielerlei Pfaden geht Eva Demski in ihrem neuen Buch dem Garten-Mensch-Verhältnis nach, der kulturellen, sozialen, persönlichen Bedeutung von Gärten, sie erzählt vom Scheitern ebenso wie vom Glück des Gelingens, der Erschaffung eines Stücks Himmel auf Erden.
    Was macht ein Garten im Krieg, wie rettet oder beendet er Ehen, was sind Gartenterroristen? Wie benimmt sich bildende Kunst im Garten, was pflanzen Menschenfeinde am liebsten an und wie könnte Epikurs Garten ausgesehen haben?
    »Er hat mich mehr als einmal gerettet, der Garten: die Dinge zurechtgerückt, mich zum Lachen gebracht, wenn mir zum Heulen war. Er bereitet mir Niederlagen, aber er tröstet mich, wenn die Welt mir welche bereitet.«


    Über die Autorin
    Eva Demski ist gebürtige Regensburgerin. Ihre Kindheit verbrachte sie in Regensburg, Wiesbaden und Frankfurt am Main. Später studierte sie Germanistik, Kunstgeschichte und Philosophie und arbeitete anschließend als Dramaturgieassistentin, Lektorin, Übersetzerin und Journalistin. Heute lebt sie als freie Schriftstellerin in Frankfurt, wo sie 1998/99 an der Universität die Frankfurter Poetik-Vorlesungen hielt. Ihr erster Roman Goldkind erschien 1979, gefolgt von zahlreichen weiteren Romanen, Essay-Sammlungen, Reiseführern und Bildbänden. Ihre Werke wurden vielfach ausgezeichnet. 2008 erhielt Eva Demski den "Preis der Frankfurter Anthologie".


    Über den Illustrator
    Michael Sowa wurde 1945 geboren. Er ist Maler und Zeichner. 1995 wurde er mit dem Olaf-Gulbransson-Preis ausgezeichnet, 2004 mit dem Berliner Buchpreis in der Kategorie Kinderbuch.



    Meine Meinung
    Wieder einmal hat sie es geschafft, die Eva Demski, dass ich Zeit und Ort vergessen habe, so lange ich ihr Buch „Gartengeschichten“ gelesen habe. Eingetaucht bin ich in die Gärten, die sie vorgestellt hat, die ihr wichtig sind, Menschen durfte ich begegnen, für die Garten mehr sind als ein Stückchen Land, bepflanzt mit Bäumen, Sträuchern, Blumen. Menschen wie Anni, jener Gärtner aus meinem Lieblingskapitel „Goldener Boden“, die genau weiß, dass so vielbescholtenes „Unkraut“ ein gehörig Maß an Schönheit in sich birgt und uns Momente schenken kann, die wir sonst niemals zu Gesicht bekommen hätten wie jene Distel mitten im Weg, die aber auch weiß, dass man einen Garten nur auf Zeit besitzt und dass es gut ist, ihn loslassen zu können. In diesem Kapitel ist auch mein Lieblingsbild von Michael Sowa (auf Seite 47), Tulpen sind darauf zu sehen in gelb und rot und in Reih und Glied, aufrecht und das eine Blatt in fast militärischem Gruß ans Blütenköpfchen gehoben. Was dieses Bild so liebenswert, ja fast ein wenig zauberhaft macht, ist das Mäuschen rechts unten, den gleichen Gruß entbietend. In meinem Garten sind Mäuse die schlimmsten Feinde jeder Tulpe, hier gehen sie eine wunderbare Verbindung ein.


    Dieses Buch ist kein Ratgeber, und doch glaube ich, dass es ratsam ist, sich Eva Demskis Gartenbeschreibungen genau durchzulesen, nicht den Kopf darüber zu schütteln, ein wenig unwillig vielleicht sogar, sondern darüber nachzudenken. Es könnte sich herausstellen, dass man mit einem Garten, der ihr gefallen würde, glücklicher wird als mit einem jener unglücklichen Gevierte, in denen außer Rasen, umsäumt mit Lebensbäumen, nur die eine oder andere Rose oder Geranie ein wenig, zu wenig Farbe ins Spiel bringt. „Ordnung ist das halbe Leben“? Nein, für einen Garten gilt das nicht, darf nicht gelten, höchstens als Rahmen darf die Ordnung herhalten. Denn wo, wenn nicht in einem Garten, findet Leben statt – oder sollte es zumindest stattfinden? Mit einem leisen Schmunzeln habe ich ihren so wunderbar zurückhaltend geäußerten Unmut über die so modern gewordenen asiatischen Gärten (Seite 75) gelesen, ein einziger Satz nur – und ich weiß mich völlig mit ihr einer Meinung.


    Eines der für mich beeindruckensten Kapitel „Krieg und Frieden 96“ erzählt von einer Reise nach Sarajevo im Frühjahr 1996. Es hat mich zutiefst bewegt, über die zerbombten Häuser, die Ruinen, aber auch die Gärten, in denen das Werden und Vergehen weitergeht, als wäre nichts geschehen, zu lesen. Blumen blühen, ohne sich darum zu scheren, ob jemand hinschaut oder nicht, so sagt es auch Eva Demski. Das Leben geht weiter, es sprießt wieder in den Gärten, die Narzissen verströmen ihren Duft, irgendwann werden auch die Tiere wiederkommen, und dann auch die Menschen. Ein wenig bedrückend empfand ich dieses Kapitel, und doch ist da auch der Trost der Narzissen, des Holunders, des Efeus, der Goldrute und jener Trost des letzten Satzes dieses Kapitels.


    Hinreißend jenes Kapitel, in dem die sieben Todsünden in Bezug auf den Gärtner betrachtet werden. Ein glücklicher Garten, so lehrt mich Eva Demski darin, ist nicht leise, lebt auch von Geräuschen, hat eben, so möchte ich es ausdrücken, sein ganz eigenes Kaleidoskop an Tönen. In diesem Sinne muss mein Garten wohl überglücklich sein – und ich bin es, wenn ich in ihm sein darf, wenn ich dieses Buch lesen darf.


    Eva Demski hat mir ein Buch geschenkt, das mich lange begleiten wird. Viel Stoff zum Nachdenken habe ich nun wieder. Und wie könnte ich mir anmaßen, etwas zu ihrer Sprache sagen zu wollen? Nur so viel vielleicht: Nicht genug kann ich davon bekommen, trunken kann sie mich machen wie der Duft des Zwergflieders, wie der der Winterblüte oder der jener Rosen aus dem wehrhaften Stamme der Rugosas.


    20 Kapitel auf gerade mal 234 Seiten, das ist nicht viel, so könnte man denken. Und doch, was findet sich nicht alles in diesen Kapiteln, auf diesen Seiten! Ihre eigene Sicht auf Gärten, auf die Menschen, die in ihnen leben und wirken (oder auch nicht), bietet sie meinen staunenden Augen dar, lässt mich oft bejahend nicken. Wie gerne würde ich einmal ihren Garten sehen, wie gerne würde ich wissen wollen, was sie von jenem hält, den ich so oft als mein Paradies bezeichne.


    Die Bilder, die Michael Sowa zu den Texten geschaffen hat, haben mich zum längeren Betrachten eingeladen. Viel ist darauf zu sehen, viel mehr, als der erste Eindruck erahnen lässt. Kongeniale Umsetzung des Textes könnte man diese Bilder wohl nennen. Der einzige Kritikpunkt, den ich an dem Buch finden kann, betrifft – ausgerechnet – sie: Ich hätte sie gerne ein wenig größer gehabt.


    Mein Fazit
    Eine große Schriftstellerin, eine große Gartenliebhaberin, eine wunderbare Umsetzung von Wort in Bild, ein großartiges Buch, das für mich zu einem der Lieblingsbücher gehören wird, aufgestellt in dem Regal, in dem meine kostbarsten Bücher stehen. Kostbar nicht im materiellen Sinne, kostbar im Sinne von „für mich wichtig, lebenswichtig“. Bücher wie „Der Stechlin“, wie „Stolz und Vorurteil“, wie die „Sonette“ von Shakespeare.


    Zehn Punkte sind viel zu wenig, aber mehr darf ich nicht verteilen.