Frühe Leiden – Danilo Kis

  • Hanser, 1989
    Gebundene Ausgabe: 160 Seiten


    OT: Rani jadi
    1969 im Original erschienen
    Aus dem Serbokroatischen von Ivan Ivanji
    Ein Text übertragen von Ilma Rakusa


    Kurzbeschreibung:
    Kis beschreibt die Suche nach einer verschwundenen Welt. Er erzählt von einer Kindheit auf dem Lande, schildert aus dem Blickwinkel eines empfindsamen Kindes die geheimnisvolle, abenteuerliche Welt. Auch in diesem melancholisch-heiteren Roman erweist sich der SWF-Literaturpreisträger als Meister der ebenso lyrischen wie präzisen Schilderung.


    Über den Autor:
    Danilo Kis, 1935 in Subotica als Sohn eines ungarischen Juden und einer Montenegrinerin geboren, verbrachte seine Kindheit bis 1942 in Novi Sad, danach in Ungarn bei der väterlichen Verwandtschaft. Dem Holocaust entgeht Kis, da ihn seine Eltern 1939 taufen lassen; der Vater wird 1944 nach Auschwitz deportiert. Gemeinsam mit seiner Mutter und Schwester wird er 1947 mit Hilfe des Roten Kreuzes nach Montenegro repatriiert. Nach dem Krieg studierte Kis von 1954-58 Literaturwissenschaft in Belgrad und begann, als Übersetzer aus dem Ungarischen, Französischen und Russischen zu arbeiten. Zugleich veröffentlicht er selbst zahlreiche Gedichte, Essays und Erzählungen, seit 1962 auch Romane und Erzählbände. Sein 1976 erschienener Roman "Ein Grabmal für Boris Dawidowitsch" ließ ihn in Ungnade fallen. 1979 reiste Kis nach Frankreich aus, wo er in verschiedenen Städten Serbokroatisch lehrte. 1989 starb Danilo Kis in Paris.


    Meine Meinung:
    Frühe Leiden bildet den Auftakt zu Kis Trilogie Familienzirkus.


    Ich lese das Buch nicht direkt als Roman, sondern als Sammlung von miteinander verlinkten Skizzen, die sich mit dem Thema der Erinnerung, des Grauens und des Verlustes in Kis Heimatland Jugoslawien auseinandersetzen.


    Danilo Kis erlebte und überlebte als kleiner Junge das Pogrom gegen die Juden von Novi Sad durch die Faschisten, er floh mit seinen Eltern nach Ungarn aufs Land, wo sie für Bauern arbeiteten.


    In den Geschichten heißt die Hauptfigur Andreas Sam, so erlangt Kis eine notwendige Distanz zum Erzählen.
    Die Erlebnisse sind trotz Verfolgung und Hunger die prägenden Erfahrungen der Kindheit mit der kleinen ersten Liebe, der aufregenden Suche zusammen mit dem Hund nach der verschwundenen Kuh, dem zusammenleben in der Familie mit Vater, Mutter und Schwester. Leider folgen aber auch der Tod des Vaters und die Trennung der restlichen Familie.


    Manchmal scheinen die Zeiten vor und nach dem Krieg miteinander zu verschmelzen.
    Es vermischen sich auch die Stimme des rückblickenden Erzählers mit denen des Kindes, dass die Ereignisse dieser kleinen Geschichten erlebte. Dabei werden den Erinnerungen misstraut, sind die erinnerten Geschichten so passiert oder im Detail nur vom Gedächtnis getrübte Erfindungen.


    Das verleiht den Geschichten etwas Besonderes. Sie bleiben durch die lyrisch geprägte Sprache, die alles Überflüssige ausmerzt, teilweise traumhaft, doch die verschiedenen Empfindungen des Jungen sind nachspürbar. Darin liegt etwas verborgenes, die Biographie des Autors ist mit ihnen verbunden und bietet den Schlüssel zum Entziffern.
    Erstaunlich wie trotzdem ein verhalten ironischer und melancholischer Ton vorherrscht, der Sehnsucht nach der Zeit der Kindheit verrät.


    Ein durch seine Sprache und Konzeption faszinierendes Buch!