"Töten, um zu leben" von Christopher McGowan

  • "Jäger und Gejagte in der Natur" , so der Untertitel des Buches.


    Der Autor: (aus dem Einband)
    Christopher Mc Gowan, geboren 1942 in England, studierte Zoologie und arbeitet seit 1969 am Royal Ontario Museum in Toronto, wo er die Abteilung für Paläobiologie leitet. Außerdem ist er Professor an der Universität von Toronto. Er hat mehrere naturwissenschaftliche Sachbücher veröffentlicht.


    Der Inhalt: (Buchrückseite)
    Von den Schwertwalen, die Elche am Ufer erlegen, bis zu Insekten, die Giftmörder sind - die Spielarten des Fressens und Gefressenwerden sind unerschöpflich. Die Begegnung zwischen Räuber und Beute in der Tier- und Pflanzenwelt faszinieren uns immer wieder von neuem - ob im eigenen Garten, in der Savanne Afrikas oder in den Tiefen des Ozeans. Christopher McGowan erzählt spannende Geschichten von der erstaunlichen Anpassungsfähigkeit und Phantasie in der NAtur und schildert anschaulich die Angriffs- und Abwehrstrategien vom Einzeller bis zu den Dinosauriern.


    Meine Meinung:
    "In der Anfangsphase des Buchprojekts, das sich deutlich von allen früheren unterschied, war ich mir über den Wert dessen, was ich zu Papier gebracht hatte, so unschlüssig, dass sich das ganze Projekt zu zerschlagen drohte. Jill nahm sich die Zeit, die Rohfassung durchzulesen, und ihre Ermunterung und Bestätigung gaben mir den Mut weiterzumachen." (Kapitel "Danksagung" aus dem vorgestellten Buch)


    Vielleicht hätte der Autor sich lieber auf sein Bauchgefühl, als auf diese Jill verlassen sollen. Ich glaube spätestens hier ahnt man, was ich von diesem Buch halte. Es lag sehr lange auf meinem SuB, und das wohl zu Recht. Das Thema an sich ist sehr interessant, die Umsetzung allerdings unglücklich. Bleiben wir zunächst bei den harten Fakten.


    In neun Kapiteln versucht McGowan den Leser über bestimmte Zusammenhänge und Fakten aus der Natur aufzuklären. Die Grundidee gefällt mir dabei. In vielen Kapiteln (nicht in allen, und auch nicht zu jeder Räuber-Beute-Beziehung, sondern eher exemplarisch)wechseln die sachlichen Abschnitte mit kurzen erzählerischen Textteilen, in denen Situationen bildhaft dargestellt werden, wie sie in der Natur jeden Moment hundertfach stattfinden. Vermeindlich friedliche Natur, die in Teils recht blutiges Gemetzel (Erzählung um die Löwen, und genaue Einzelheitenbeschreibung wie ein Zebra bei lebendigem Leib aufgefressen wird, ein Blauwal, der über Stunden von Orcas gejagt und lebendig angefressen wird (Blut welches aus in Muskelgewebe gebissenen Löchern strömt wie aus einem geöffneten Hahn usw)) umschlägt. Im Anschluss an diese Szenen beschreibt McGowan, was da passiert ist und stellt den Jäger genauer vor. Stets hat er dabei ein Auge auf physiologische Zusammenhänger.
    Vor allem in späteren Kapiteln verliert das Buch aber zunehmend an Lesefluss. Ohne Überleitung springt er innerhalb der Kapitel von einer Art zu nächsten, teils kaum mehr als drei Sätze auf sie verschwendend. An manchen Stellen ist es fast, als würde man sich ein Lexikon der Tierwelt durchblättern und kein populärwissenschaftliches Buch.
    In einem gemäßigten Maß setzt der Autor das Stilmittel der Anmerkungen ein...leider sind die am Ende des Buches zu finden, so dass man ständig blättern muss, wenn man die passende Anmerung lesen will. Das ist ärgerlich, wäre aber noch kein Grund, ein Buch als nicht empfehlenswert zu bezeichnen.
    Dafür gibt mir McGowan aber genug andere Gründe. Es ist mir nicht ganz klar, wen er mit diesem Buch ansprechen will. Für den fortgeschritten interessierten Laien, bietet das Buch wenig neues. Auch ich konnte an ein zwei Stellen noch dazulernen (zB dass ein Pottwal erst im Alter von 10 Jahren seine Zähne bekommt), aber diese kleinen erhellenden Augenblicke waren selten, kurz und kostbar. Auf der anderen Seite schreibt er in einem Stil, der es selbst mir, die öfter solche Bücher liest und für die viele der beschriebenen Sachverhalte nichts neues waren, schwer machte, hinterher zu kommen. Er verliert sich stellenweise in unwichtigen Details zu Maßen und Daten, die trockener kaum sein könnten. Ich denke, ein Laie auf dem Gebiet wäre mit der Schreibweise überfordert. Wer auch immer seine Zielgruppe sein sollte, ich schätze er hat sie verfehlt.


    Ist das schon ein Punkt, der in meinen Augen schwer wiegt, so frustrieren mich inhaltliche Patzer erst recht. In einigen Dingen beißt sich das was er sagt/ankreidet genau mit dem was er selbter tut.
    ZB. Betont er gerade im ersten Kapitel (die Löwensache), dass man die Tiere nicht dafür verurteilen darf, dass sie töten und man sie um Gottes Willen nicht vermenschlichen soll. Sehr guter Ansatz, den ich so unterschreiben würde. Aber wenn er dann seine kleinen Anekdoten von Tieren auf der Jagd schreibt, verfällt er teilweise so extrem in vermenschlichende Sichtweisen, dass es schon fast schmerzt: zB " Anders als seine Beute hat Allosaurus keinen wählerischen Geschmack, und er verschlingt unterschiedslos Fleisch, Haut und Eingeweide. Seine Gefräßigkeit grenzt an Böswilligkeit"... genaus extrem sind die Berichte über Haie/Wale und Schlangen, wo er die typischen Verknüpfungsmuster des Durchschnittsbürgers unterstützt ohne danach relativierend die Sache ins rechte Licht zu rücken (dann hätte ich es ja noch als Stilmittel akzeptieren können).


    McGowan kann mit der Hypothese des "Wettrüstens" unter Tierarten nichts anfangen. Das könnte ich noch so stehen lassen, wenn es gut begründet wäre, zumal er mit dieser Ansicht nicht allein dasteht (ich persönlich seh das aber derzeit anders).
    Aber seine Begründung, warum das "Wettrüsten" im Tierreich für ihn nichts als bloße Theorie ist, steht für mich in keinem Widerspruch zu der Theorie. Auch wenn er "logische Argumente" heranzieht, wie er sie nennt, entbehren sie in meinen Augen jeder Logik.


    An anderer Stelle eröffnet er, dass seiner Meinung nach ein giftiges Tier keinen Selektionsvorteil dadurch hat, und es daher unklar wäre, wie Giftigkeit ursprünglich entstanden sei. Auch hier ist seine (kurze Begründung) äußerst unbefriedigend und für mich unschlüssig.


    Alles in allem habe ich mich eher durchgekämpft, als wirklich entspannt gelesen. Zu empfehlen ist es eigentlich nicht wirklich, vor allem da er wie gesagt seinen Zielgruppen nicht gerecht wird. Da ich aber trotz allem wieder ein Stück schlauer aus diesem Buch hervorgegangen bin, bekommt es noch drei Gnadenpunkte von 10, aber keine Empfehlung.


    lieben Gruß
    Aj