Stern in der Ferne - Roberto Bolano

  • # Broschiert: 175 Seiten
    # Verlag: Fischer (Tb.), Frankfurt; Auflage: 2 (3. März 2010)
    # Sprache: Deutsch


    Kurzbeschreibung
    Hin und her gerissen zwischen Faszination und Abscheu entwirft Roberto Bolano das schillernde Porträt eines Blenders, eines Mannes mit vielen Namen, dessen einzige Moral die Ästhetik ist. Carlos Wieder ist ein Dandy des Schreckens, der foltert, mordet, die Angst auf Fotos festhält, "barbarische Gedichte" verfasst und seine Werke mit äußerster und tödlicher Konsequenz erschafft. In diesem Roman, deren Hauptfigur aus einem Alptraum ins reale Leben übergetreten zu sein scheint, versetzt Roberto Bolano den Leser in eine vom Terror und Schrecken beherrschte Welt.


    Autorenportrait
    Roberto Bolano, geboren 1953 in Santiago de Chile, erhielt 1999 den wichtigsten südamerikanischen Literaturpreis "Romulo-Gallegos". Nach Pinochets Militärputsch wurde er 1973 verhaftet, saß ein halbes Jahr im Gefängnis und ging danach ins Exil nach Spanien.


    Meine Meinung
    "Stern in der Ferne" ist aus dem letzten Kapitel von Roberto Bolanos Werk "Naziliteratur in Amerika" entstanden. Im Mittelpunkt der Geschichte steht Carlos Wieder, der zunächst als Dichter unter dem Namen Ruiz-Tangle bekannt wird. Später macht er sich als Pilot einen Namen, der Gedichte in den Himmel schreibt. An einem Nachmittag schreibt er die Zeilen: "Der Tod ist Freundschaft. Der Tod ist Chile. Der Tod ist Verantwortung." in den Himmel. Carlos Wieder ist jedoch nicht nur als Literat bekannt, sondern auch als sadistischer Mörder.


    "An rätselhaften und absonderlichen Gestalten herrscht kein Mangel, die zentrale Figur jedoch, die einzige, die sich aus dem Abgrund und dem Gestammel dieses fluchbeladenen Jahrzehnts heraushebt, ist ohne Zweifel Carlos Wieder."


    Auf 173 Seiten wird knapp und in wenigen Worten – aber eindrucksvoll – die Geschichte von Carlos Wieder geschildert. Viele seiner Morde werden nur angedeutet, dennoch bekommt man als Leser einen Eindruck seiner Gräueltaten.


    Ein weiteres zentrales Thema von "Stern in der Ferne" ist das Leben in Chile während der Regierungszeit von Pinochet.


    "Stern in der Ferne" ist mein zweites Buch von Bolano und ich bin begeistert. Bolano ist mein erster Kontakt mit der lateinamerikanischen Literatur, aber ich denke, dass ich sicherlich noch viele weitere seiner Bücher lesen werde. Ich hoffe sehr darauf, dass "Naziliteratur in Amerika" noch einmal neu wiederaufgelegt wird.

  • Roberto Bolanos "2666" fand ich wirklich faszinierend. Muss man jetzt damit rechnen, dass jede schriftliche Äußerung dieses Autors gnadenlos vermarktet wird? Bolano ist ja leider schon verstorben.


    In jedem Falle aber herzlichen Dank für diese Buchvorstellung - und natürlich werde ich es auch kaufen. Denn eines ist gewiss: Bolano ist ein echtes Highlight der zeitgenössischen Literatur, endlich mal wieder ein wirklicher und echter Lichtblick.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Zitat

    Original von Voltaire
    Roberto Bolanos "2666" fand ich wirklich faszinierend. Muss man jetzt damit rechnen, dass jede schriftliche Äußerung dieses Autors gnadenlos vermarktet wird? Bolano ist ja leider schon verstorben.


    In jedem Falle aber herzlichen Dank für diese Buchvorstellung - und natürlich werde ich es auch kaufen. Denn eines ist gewiss: Bolano ist ein echtes Highlight der zeitgenössischen Literatur, endlich mal wieder ein wirklicher und echter Lichtblick.


    :write


    Und Danke an Buzzaldrin für eine wieder mal sehr gelungene Rezension!

    Was sich überhaupt sagen lässt, lässt sich klar sagen; und wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen.
    - Wittgenstein -

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von Voland ()

  • Titel: Stern in der Ferne
    Autor: Roberto Bolano
    Verlag: Fischer Taschenbuch Verlag
    Erschienen: März 2010
    Seitenzahl: 175
    ISBN-10: 3596187311
    ISBN-13: 978-3596187317
    Preis: 8.95 EUR


    Das sagt der Klappentext zu diesem Buch:
    Chile. Frühjahr 1973. Politik und Poesie scheinen eins, das Leben ist neu, jeder träumt von dem großen Gedicht und der erlösenden Liebe. Wochen später liegt Pinochets Schatten über dem Land und die jungen Dichter sehen vom Gefängnishof, wie eine alte Messerschmitt Verse in den Himmel schreibt. Am Steuerknüppel sitzt Carlos Wieder, tollkühner Pilot, futuristischer Dichter und Star des neuen Regimes. Langsam ahnen sie, dass er die Fäden zieht und kein anderer ist als ihr Mitstudent, der mysteriöse Tagle.


    Der Autor:
    Roberto Bolano, geb. 1953 in Santiago de Chile, gestorben 2003, erhielt 1999 den wichtigsten südamerikanischen Literaturpreis 'Romulo-Gallegos'. Lange Zeit lebte er in Mexiko. 1973, während Pinochets Militärputsch wurde er in Chile verhaftet, saß ein halbes Jahr im Gefängnis und ging danach zurück nach Mexiko und weiter nach Spanien.
    Meine Meinung:
    Roberto Bolano ist ein außergewöhnlicher Erzähler. Seine Bücher sind von einer ganz besonderen Intensität, irgendwelche nichtsagenden Alltäglichkeiten wird man bei ihm vergeblich suchen, denn wenn er über Alltäglichen schreibt, dann werden auch sie zu etwas Besonderem. In diesem Buch setzt sich Bolano intensiv mit der Situation nach dem Militärputsch 1973 in Chile auseinander. Viele Menschen arrangierten sich mit den neuen Machthabern, gaben bisherige Positionen auf, änderten über Nacht ihre Ansichten und schreckten auch vor Verrat an ehemaligen Freunden und Weggefährten nicht zurück. Niemand traute niemand mehr, offene Worte wurden nicht mehr gesprochen und angebliche Freunde besorgten sehr oft das Geschäft der neuen Machthaber.
    Ein Buch über das oftmals abnormale Verhalten in Zeiten von Diktatur und Unterdrückung. Und so mancher schreckte auch nicht davor zurück sein künstlerisches Talent zu missbrauchen, es in den Dienst des Bösen zu stellen. Nicht das Schicksal der ehemaligen Gefährten war mehr wichtig, das eigene Fortkommen war einzig das was zählte.
    Bolano zeigt wie auch die Poesie missbraucht wurde. Der geheimnisvolle Tagle stellt sich ganz in den Dienst der neuen Machthaber, seine Gedichte und er selbst sind Teil der neuen Avantgarde, allerdings einer Avantgarde der willfährigen Diener des neuen Regimes.
    Ein beeindruckendes Buch, geschrieben von einem großartigen Schriftsteller und großen Erzähler, von einem Autor der es immer wieder schafft seine Leser zu verblüffen und ihnen immer wieder das Unerwartete vorzusetzen. Als Schriftsteller ist Bolano ganz sicher nicht berechenbar und wäre es wahrscheinlich auch noch heute, wenn er nicht schon im Alter von 50 Jahren viel zu früh gestorben wäre.
    Ein sehr lesenswertes Buch.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Stern in der Ferne – Roberto Bolano


    Mein Eindruck:
    Als ich diesen Roman vor kurzen las, war ich beeindruckt, wie komplex und dabei doch einfach und gut lesbar Roberto Bolano schreibt. Er schreibt ungekünstelt und meist in kurzen Sätzen, die eine besondere Dichte erzeugen.


    Es beginnt in Chile anfangs der 70ziger Jahre mit Studenten in Literaturwerkstätten.
    Wieder thematisiert Bolano also die Literatur an sich und zeigt, wie sich nach dem Sturz des demokratisch gewählten Präsidenten Salvadore Allende durch Pinocet und seinem Militär die Welt für die Chilenen änderte, auch und insbesondere für die Schriftsteller, Dichter und Intellektuellen. Wer als Linker nicht ins Ausland ging, hatte es schwer. Gefängnis oder sogar Tod drohte.
    Erzählt wird von einem der Studenten, der handlungsmäßig nicht besonders im Mittelpunkt steht, sondern mehr mit einer gewissen Bitterkeit beobachtet. Man gewinnt den Eindruck, dass es sich um einen Alter Ego des Autors handeln könnte.


    Die eigentliche Hauptfigur Carlos Wieder wird durchgehend nur von außen betrachtet. Er, der unkonformistische und selbstbewusste Autodidakt, wird sich nach dem Putsch auf die Seite des Regimes stellen und zum literarischen und tatkräftigen Star, der auch vor Mord nicht zurückschreckt.
    Aber nebenbei zeigt Bolano auch die andere Seite, die linken Dichter des Landes und wie es ihnen ergeht. Obwohl der Roman relativ kurz ist, wird ein großer Zeitraum bis nach dem Tod Pinochets und dem Versuch einer Aufarbeitung abgehandelt. Das gelingt Roberto Bolano durch seinen geschickten, unpathetischen Stil! Am Ende besitzt der Roman sogar noch ein Noir-Element, das hervorragend zum Text passt.