Der wiedergefundene Freund von Fred Uhlman

  • Mal wieder ein empfehlenswertes Buch gelesen, dass hier noch nicht vorgestellt wurde


    Inhalt:
    In Stuttgart treffen 1932 zwei 16-jährige Jungen im Gymnasium aufeinander: Der eine ist der Sohn eines jüdischen Arztes, der andere ist Konradin, Graf von Hohenfels. Die beiden freunden sich miteinander an, doch ihre anregenden Gespräche über Hölderlin und ihre Vertiefung in ihre archäologischen Sammlungen werden zunehmend vom Lauf der Geschichte gestört. Auf Dauer können sie die Politik nicht ignorieren und ihre Freundschaft wird zerstört. Viele Jahre später, Fred ist ein erfolgreicher Anwalt in Amerika, seine Eltern sind tot, hält er eine Liste in der Hand, mit den Namen seiner ehemaligen Klassenkameraden, die im Krieg gefallen sind.


    Zum Autor:
    Fred Uhlman wurde 1901 als Angehöriger einer in Württemberg ansässigen jüdischen Familie geboren. Er studierte Jura, arbeitete für die SPD und war mit Kurt Schumacher befreundet. 1933 flüchtete er nach Frankreich und lebte später als vielbeachteter Maler und Schriftsteller in Paris, Spanien und England. Er starb 1985.


    Meine Meinung:
    Ein dünnes Büchlein, Es ist kein Roman, eine Erzählung. Euro 7,90 für 116 Seiten bei 1 1/2 Zeilenabstand erscheint im ersten Moment happig.
    Da es aber von kompetenten Leserinnen empfohlen wurde, habe ich es mir trotzdem gekauft und im Nachhinein nicht bereut.
    Der Autor beschreibt in diesem kurzen Stück die Idyllen einer behüteten Jugend, in die plötzlich die bisher verdrängte Nazi-Realität einbricht und Welten zersplittern lässt. Gerade durch das wenig spektakuläre Geschehen erhält die Erzählung am Ende eine Intensität, die frösteln lässt


    Dyke gibt die volle Zahl Büchereulen, trotz des stolzen Preises.


    Neben der TB-Ausgabe gibt es noch eine gebundene Sonderausgabe für Euro 12,00
    Vielleicht ein Geschenk für interessierte Wenigleser

    "Sie lesen?"
    "Seit der Grundschule, aber nur, wenn's keiner sieht."


    Geoffrey Wigham in "London Calling" von Finn Tomson

  • Genau so ist es - und Du hast nix vorweg genommen - Wie schön -


    Wer es liest, sollte keine weiteren Klappentexte lesen, um sich die Überraschung nicht zu nehmen -


    ... und die kleine Sonderausgabe des Buches ist wirklich schön.


    Wer diese Art Geschichten liebt muss auch - wie im anderen Thread geschrieben, Adressat unbekannt von Kressman Taylor und die Blaßblaue Frauen schrift von Werfel lesen ...

    Binchen
    :write
    Kein Lesen ist der Mühe wert, wenn es nicht unterhält. (William Somerset Maugham) ;-)

  • Zwei Einzelgänger im Alter von 16 Jahren freunden sich an, sie haben übereinstimmende Interessen und verbringen einen sie beglückenden und bereichernden Teil ihrer Freizeit miteinander. Bei dem einen kommen die ersten Fragen auf, die er noch nicht selber wahrhaben will, dann werden sie drängender. Die Freundschaft zerbricht, der eine fühlt sich verraten – und findet doch nach langer Zeit den Freund wieder. So könnte man eine Inhaltsangabe dieser wundervollen Erzählung formulieren – und würde doch eine der wichtigsten "Zutaten" unterschlagen haben: nämlich die Zeit und ihre Forderungen an die Freunde.
    Im Januar 1932 beginnt dieses „kleine Meisterwerk“ - so Arthur Koestler in seinem Vorwort (Seite 5) -, der Nationalsozialismus greift in die Freundschaft dieser beiden Jungen ein, ergreift letztlich beide, so dass dem einen nur die Flucht bleibt, dem anderen sich fasziniert und mit Begeisterung Hitler anzuschließen.


    Diesem schmalen, gerade einmal 116 Seiten starken Band „Der wiedergefundene Freund“ scheint mir trotz aller Zeitbezogenheit etwas Zeitloses anzuhaften; auch nach mehr als 20 Jahren seit dem ersten Lesen hat die Erzählung nichts von ihrem Zauber verloren. Vielleicht ist es der letzte Satz, der so sehr versöhnt; vielleicht sind es diese beiden mit so wenigen Worten und doch so eindrücklich vorgestellten Jungen; vielleicht ist es auch die sparsame und doch glänzende Darstellung dessen, wie Hitler und der Nationalsozialismus Wirkung entfalteten, bei jedem auf seine Weise. Mit Sicherheit ist es aber die Sprache, die mich immer wieder gefangen nimmt. Arthur Koestler bescheinigt Uhlman „musikalische Qualität“, dem ist eigentlich nichts mehr hinzuzufügen.


    Man sollte sich auch nicht des Vergnügens berauben und auf die Lektüre des Vorworts verzichten; die kleine, charmante Spitze Koestlers in Bezug auf Schriftsteller entlockt mir immer wieder mal ein zustimmendes Grinsen, mal ein bedauerndes Lächeln.