Der Autor, als Jugendlicher mit seinen Eltern in die USA ausgewandert, kehrt, nun mit Frau und zwei Söhnen, nach Bombay zurück. Das ist zunächst ein klassischer Selbstfindungstrip, eine Spurensuche, ein Graben nach den Wurzeln. Aber offensichtlich nutzt er seine Zeit dort in erster Linie, um in den Abgründen dieser Megacity zu stöbern. Neben ausgesprochen amüsanten Schilderungen der ganz normalen Alltags, etwa um die Schwierigkeiten, einen einigermaßen fähigen, ehrlichen Klempner aufzutreiben, versucht Mehta, die Strukturen, die diese Stadt zusammenhalten, ihre Eigenheiten, ihre Vielfalt zu erfassen und damit auch dieses ganze spezielle Lebensgefühl in dieser Megacity zu erklären
Im ersten Teil („Verbrechen“) ist er in Bombays Unterwelt unterwegs. In einem Staat, in dem die Regierung unfähig ist, auch nur die einfachsten Bedürfnisse seiner Bürger zu befriedigen, hat sich eine Parallelwelt entwickelt, die illegal, aber effizient die Bevölkerung mit den nötigsten Waren und Dienstleistungen versorgt. Konflikte ergeben sich in den Slums weniger zwischen arm und reich, sondern zwischen rivalisierenden hinduistischen bzw. muslimischen Banden. Mehta beleuchtet die Hintergründe dieses Konfliktes und zeigt dabei die Schwierigkeiten eines Landes, in dem tatsächlich das einfache Volk die Regierung bestimmt (S. 109): Das ist der der deutlichste Unterschied zwischen den zwei größten Demokratien der Welt. In Indien gehen die Armen zur Wahl. Das führt nämlich oft dazu, dass sich teilweise recht zwielichtige Gestalten an die Spitze der städtischen Politik setzen können, andererseits durch haltlose Versprechen und religiöse und nationalistische Hetze Wahlen gewonnen werden.
Im zweiten Teil, „Vergnügen“, ergründet Mehta die Eigenheiten der indischen Unterhaltungsindustrie. Er treibt durch Bombays Nachtleben, freundet sich mit Transvestiten und Bartänzerinnen an und lernt, wie nahe Elend und Reichtum in dieser Stadt beieinander liegen. Zudem geht er dem sonderbaren Phänomen Bollywood auf den Grund. Auch hier ist Mehta mittendrin, spricht mit Schauspielern, Produzenten und Investoren und schreibt gar selbst am Drehbuch solch einer Bollywood-Schwarte mit.
Im letzten Teil „Passagen“ sind lose weitere indische Impressionen, die fast schon Essays sind, zusammengefasst. Besonders beeindruckend fand ich hier die mitreißende Schilderung religiöser Zeremonien und Feste, die für uns teilweise unvorstellbare Ausmaße annehmen. Hier spürt man wieder, wie so oft in diesem Buch, die Zerrissenheit Mehtas, der zwar voller Bewunderung für das pralle Leben, die Inbrünstigkeit aber auch der traditionelle Verwurzelung des einfachen Volkes ist, andererseits aber auch genau die Rückschrittlichkeit, die Engstirnigkeit und das Elend sieht, die dieses traditionelle Leben kennzeichnen.
Mehta erzählt völlig wertungsfrei von Killern, folternden Polizisten, Huren. Er freundet sich sogar mit ihnen an und erhält so ungeahnte Einblicke in das Leben unter der Oberfläche dieser lauten, dreckigen, uferlosen Stadt. Trotz der teilweise grausamen Geschichten scheint dabei immer wieder seine Liebe zu Bombay und seine Bewohner durch, die er zwar spitzzüngig, aber durchaus auch liebevoll charakterisiert. So erklärt er auch viele Phänomene, die für den westlichen Betrachter nur schwer zu verstehen sind, etwa, wieso die Slumbewohner das Leben zu zehnt in einer Blechhütte ohne Klo einer Wohnung in einem Wohnblock vorziehen.
Das Ganze stellt er dann auch noch in den Kontext der Geschichte Indiens, seiner literarischen Traditionen und seiner religiösen Entwicklung, ohne dass man auch nur einen Augenblick den Eindruck hat, dass einem hier trockenes Faktenwissen serviert wird. Denn obwohl die Lektüre dieser Reportage mit ihren fast 800 Seiten keineswegs ein Spaziergang ist, schafft es Mehta, von der erste bis zur letzten Zeile zu fesseln und zudem richtig gut zu schreiben.