Der Büchereulen-Adventskalender 2010

  • 1. Dezember 2010 von Eskalina



    Weihnachtsgeschichte 2010


    Es war ein langer Tag gewesen und die freute sich darauf, gleich im Wohnzimmer den Designer-Kamin anzuheizen, sich auf die Granitfliesen davor zu setzen und einfach nur in die Flammen zu sehen. Vielleicht noch Verdi als Hintergrund, nein, der wäre zu mild, zu fließend, sie brauchte etwas anderes – Andrea Chénier ja, genau, und dann den dritten Akt „La mamma morta“ und dazu ein kraftvoller und strenger 1968er Chateau Cos D'Estournel, das würde zu ihrer dramatischen Stimmung nach ihrem riesigen Erfolg heute passen.


    Sie drückte die Fernbedienung für das elektrische Gitter und fuhr den Bentley langsam durch die Einfahrt. Sie fröstelte als sie ausstieg und hoffte, dass die neue Hausangestellte schon das Holz und den Anzünder bereit gelegt haben würde. Den Kamin entzünden übernahm sie lieber selbst und sie genoss die Augenblicke, in denen die Flammen auf das zerknüllte Papier trafen und sich langsam bis zu den Kienspänen durch fraßen, wie das Feuer dann plötzlich aufbrach und um sich griff, nun nicht mehr tastend und suchend, sondern unbarmherzig züngelnd und immer heißer werdend.
    Sie schleuderte ihre Schuhe von sich und ging ins Wohnzimmer. Manchmal bereute sie es, dass sie damals ihrem Mann nachgegeben hatte, als er ihr seine Entwürfe für das Haus zeigte. Natürlich - als berühmter Architekt, der er war, erwartete man schon fast, dass er dieses Haus, seinem Stil getreu aus Glas und Stahlwürfeln konstruieren würde und so bot jeder einzelne Raum interessante Perspektiven und Ausblicke. Der Nachteil aber war – dass man genauso jederzeit hinein sehen konnte und es bis auf die Toilette kaum Rückzugsorte gab, an denen man sich unbeobachtet fühlen konnte. Besonders unangenehm war die Nordseite im Wohnzimmer, von der aus man direkt auf die kleine ruhige Seitenstraße blicken konnte, die am Haus vorbeiführte. Die Straße war der Grund gewesen, aus dem sie die gesamte Einrichtung des Zimmers so platziert hatte, dass sie ihr immer den Rücken zuwenden konnte. So störten sie die Blicke der wenigen Passanten nicht, die sich ab und zu in die kleine Straße verirrten und die manchmal völlig ungeniert und neugierig vor dem Edelstahlzaun stehen blieben und ins Hausinnere starrten.


    Nur wenn sie den Raum betrat, musste sie sich dem ungeliebten Ausblick stellen. Einmal mehr verwünschte sich ihren Gatten, der ihr das Haus überlassen hatte und zu seiner jungen Geliebten gezogen war, der er dann umgehend ein kleines gemütliches Haus auf dem Land gebaut hatte.
    Ihr Blick schweifte auf die erleuchtete Straße vor dem Haus und sie erstarrte. Da – direkt auf der anderen Straßenseite befand sich ein übergroßes Werbeplakat am dem Bauzaun, der seit einigen Wochen das letzte brach liegende Gründstück der Gegend einrahmte. Voller Abscheu trat sie näher und schüttelte erbost den Kopf. Auf dem Plakat war ein Rauschgold-Engel abgebildet und grinste sie frech an. Es schien, als blicke er ihr höhnisch in die Augen und sein breiter verzerrter Mund wirkte bei näherer Betrachtung wie eine Fratze auf sie. „Wir wissen, was du willst!“ stand dort in fetten Lettern über dem Emblem eines schwedischen Möbelhauses und sie merkte, wie sie langsam wütend wurde. Schon als Kind hatte sie eine Aversion gegen alles entwickelt, was mit Weihnachten zu tun hatte. Schuld daran war ihr Vater gewesen, der die Familie immer zu den Feiertagen tyrannisiert hatte – denn da war er endlich einmal für einige zusammenhängende Tage nicht auf Geschäftsreise. Die Mutter hatte sich dann stumm und mit einer Flasche Scotch in ihr Büro verzogen und die Kinder waren seinen Launen hilflos ausgeliefert.
    Seitdem hasste sie alles, was mit dem „Fest der Liebe“ zu tun hatte und empfand dieses ganze Gerede von Frieden und Freude als Heuchelei und gesteuerte Aktion der Konzerne, um den Umsatz Jahr für Jahr in die Höhe zu treiben.
    Und nun das – dieser Engel! Das ging gar nicht! Es war erst Ende November und erfahrungsgemäß würden diese Plakate bis weit in den Januar hängen bleiben.
    Wütend schmiss sie Papier in den Kamin, goss den Anzünder auf das Papier und versuchte innerlich etwas ruhiger zu werden, während sie in die Flammen blickte, doch ohne Erfolg.


    Sie entkorkte die Weinflasche, warf den Korkenzieher auf den Glastisch und setzte sich auf den Boden vor dem Kamin. Nach Musik war ihr nun gar nicht mehr zumute. Sie nahm einen großen Schluck Wein und überlegte, was sie tun sollte. Das Plakat ignorieren, oder ihre Sekretärin beauftragen, die Plakatfirma anzurufen, damit sie darum bat, dass dieses Wesen nicht mehr in ihr Wohnzimmer starrte? Nein, sie würde sich lächerlich machen und zum Gespräch der ganzen Stadt werden. Es musste etwas anders passieren, aber was?
    Sie schenkte das Glas wieder voll. Langsam wurde es warm im Wohnzimmer – zu warm fast und sie zog den Rock aus. Von der Straße konnte man ja nicht alles sehen und es würde niemandem auffallen, dass sie jetzt im seidenen Unterrock hier vor dem Feuer saß. Und nun zur Musik, sie würde sich nicht den Abend verderben lassen, ganz gewiss nicht von einem schwedischen Möbelhaus!
    Trotzdem spürte sie den Blick dieser Gestalt im Rücken. „Wir wissen, was du willst!“ Als wenn das stimmte – und wieder fiel ihr der Vater ein „Du willst es doch auch…“ und sie nahm einen großen Schluck und legte eine CD von Savatage ein. Ihre Stimmung hatte sich zu „Sarajevo“ gewandelt und sie drehte die Musik auf. Es wurde immer wärmer im Raum und sie zog hastig an ihrer Haarklemme, löste ihre Hochsteckfrisur, riss sich den cremefarbenen Kaschmir-Pullover über den Kopf und schmiss das Teil auf den Boden. Ein Tröpfchen Rotwein rann das Glas hinunter, als sie den nächsten Schluck nahm und tropfte auf den Stoff. Es sah aus wie Blut. Erneut schenkte sie sich nach. Die Flasche war schon fast leer und von Entspannung keine Spur. Der Blick in ihrem Nacken wurde immer brennender und sie drehte sich wütend um. Das Grinsen hatte sich verändert, es wirkte bösartiger und die Augen des Engels waren stärker zusammen gekniffen als vorher. Leicht schwankend stand sie auf und ging zu dem Glastisch mit den Getränken. Sie goss sich langsam zwei Finger breit Whisky in ein Glas und drehte sich zu dem Engel. Jetzt hatte er den Kopf schief gelegt und schaute sie höhnisch abwartend an. Trotzig erhob sie das Glas und prostete ihm zu. „Du nicht, nein von dir nicht…“ murmelte sie und trank erneut. Heiß rann der Whisky durch ihre Kehle und sie spürte, wie er ihr gut tat und wie er ihr die Angst vor dem bösen Geschöpf nahm, dass sie so dreist in ihrer Privatsphäre störte. Sie kehrte zum Kamin zurück und stieß versehentlich das Rotweinglas auf ihren am Boden liegenden Pullover. Nun war die Flasche leer, dann musste eben eine neue Flasche her – sie öffnete sie langsam und fühlte es förmlich, wie sie aufmerksam beobachtet wurde. Sie kippte den Whisky herunter und griff nach der Weinflasche und nahm einen großen Schluck. Sie würde sich das nicht gefallen lassen, nein, sie nicht!
    Ein wenig schwindelig war ihr, als sie sich erhob und den Unterrock ansah, dessen glänzende Seide nun durch unappetitliche Rotweinflecken entstellt war. Sie zog den fleckigen Pullover wieder über den Kopf. „Passendes Ensemble“ fiel ihr ein und sie lachte laut, als sie barfuß die Treppe hinunter in den Keller wankte.
    Mit Leiter und roter Farbe bewaffnet näherte sie sich nun dem Engel, der sie ansah und – da war sie ganz sicher – tadelnd, aber verunsichert den Kopf schüttelte. Endlich schien er Angst vor ihr bekommen zu haben! Mühsam kletterte sie die Leiter hinauf, tauchte den Pinsel in die rote Farbe und zog einen dicken roten Strich quer über das feiste Gesicht und noch einen und noch einen. Jeder Pinselstrick befreite sie ein Stück mehr und sie musste über das entstellte Engelsgesicht lachen. Als sie die Leiter herab kletterte, fühlte sie sich schon viel besser. Sie musste sich ausruhen - nur einen Moment - und sie setzte sich mitten ins Licht des Autos der Polizeistreife, die ihre Aktion schon einige Zeit beobachtet hatte.


    Bevor die beiden Polizisten aus ihrem Auto stiegen, gab einer der beiden die Meldung zur Leitstelle durch. Ihr glaub es nicht, wer hier völlig betrunken, im Unterrock vor uns auf dem Gehweg sitzt…“


    In der Tages-Zeitung las man am nächsten Tag: „Politikerin will ein Zeichen gegen den Kommerz setzen und schreitet tatkräftig ein.“ Tamara W. will unsere Stadt verschönern und ist am gestrigen Abend persönlich in Aktion getreten. Die Politikerin hat beherzt ein Werbeplakat der Firma…übermalt, um darauf hinzuweisen, dass wir uns auf die wirklichen Werte des Weihnachtsfestes auf Frieden und Freude und den wahren Anlass dieses wunderbaren Familienfestes zurück besinnen sollen, sagte ihr Sprecher, Rechtsanwalt Tilo B. der neuen allgemeinen Zeitung. Tamara W. befindet sich auf einer Dienstreise und war leider nicht zu sprechen, um uns mehr zu ihrer, wie wir finden, so mutigen Aktion zu verraten.“

  • 2. Dezember 2010 von Sandrah



    Faltsterne basteln


    Material:


    Bastelfolie 2-farbig
    Schere
    Stift
    etwas rundes z.B. Frühstücksteller


    So geht es:
    mit Hilfe eines Tellers und eines Bleistiftes auf die Folie einen Kreis
    zeichen, nicht allzu klein, sonst klappts nachher mit dem Falten nicht
    so gut.


    Den Kreis 4 x zum Mitte hin falten. 1 x wieder auffalten und die rundung
    zur Ecke abschneiden (s. Foto 1).
    Dann wieder zusammenfalten und von der langen Seite aus zur MItte hin
    gleichmäßig große Schitte (4,6,oder 8, auf alle Fälle eine gerade Zahl)
    machen, parallel zur schrägen Kante (s. Foto 1)


    Dann alles auffalten und jeden Streifen etwa bis zur Hälfte umklappen.
    (s. Foto 2.) Das mit allen acht Flügeln genauso machen. Am schönsten
    sieht es aus, wenn die Bastelfolie zweifarbig ist.


    Diese Sterne kann man dann an den Christbaum oder ins Fenster hängen,
    oder z.B. als Untersetzer für Teelichte benutzen. (s. Foto 3)

  • 3. Dezember 2010 von Caia



    Liebe Eulen, aufgrund eine kreativen Lochs heute von mir nur mein Lieblings-Weihnachtsmuffins-Rezept – mir will einfach keine Geschichte einfallen.



    Spekulatiusmuffins mit Zitronenaroma


    Zutaten für 12 Stück:
    Fett und Mehl für die Form
    125g Gewürzspekulatius
    125g weiche Butter
    3 Eier
    125g Zucker
    100ml Milch
    180g Mehl
    1 Teelöffel Backpulver
    ½ Teelöffel Natron
    abgeriebene Schale einer unbehandelten Zitrone
    100g gemahlene Mandeln
    2 Teelöffel Zimtpulver
    Salz
    150g Puderzucker
    4 Esslöffel Mandelblättchen


    Zubereitung:


    Den Ofen auf 180 Grad vorheizen, die Muffinsform mit Fett einstreichen, eventuell Mehl darüber stäuben.


    Spekulatius in einen Gefrierbeutel geben und mit dem Nudelholz schön klein klopfen.


    Butter und Zucker schaumig schlagen, Eier und Milch unterrühren. In einer zweiten Schüssel die Spekulatiusbrösel, Mehl, Backpulver, Natron, Zitronenschale, gemahlene Mandeln, 1 Teelöffel Zimt und 1 Prise Salz mischen.


    Die Mehlmischung zu der Eimasse geben und mit einem Kochlöffel solange mischen, bis alle Zutaten feucht sind – sofort maximal drei Viertel hoch in die Muffinsform füllen und bei 180 Grad und mittlerer Schiene ungefähr 20 Minuten backen.


    Nach dem Backen herausnehmen, kurz auskühlen lassen und aus der Form nehmen.


    Den Puderzucker mit dem restlichen Zimt und etwa 2 Esslöffeln Wasser zu einem dicken Guss vermischen, die Muffins damit bestreichen und mit den Mandelblättchen bestreuen.


    Viel Spaß beim Ausprobieren!

  • 4. Dezember 2010 von kleines-schaf



    Weißer Nougat



    Zutaten:
    300 g Zucker
    2 EL Traubenzucker
    100 ml Wasser
    1 Msp. Salz
    2 Eiweiß
    50 g Haselnüsse
    50 g Pistazien
    30 g Rosinen
    100 g gehobelte Mandeln


    Zubereitung:


    Das Eiweiß muss mit dem Salz und 20 Gramm Zucker in einer fettfreien Schüssel (oder Messbecher) steif geschlagen werden.
    Der Restliche Zucker wird zusammen mit dem Traubenzucker und dem Wasser auf 152°C aufgekocht. Dieser Sirup wird dann langsam in den Eischnee gegossen und dann geschlagen, biss die Masse vollkommen kalt ist.
    Die restlichen Zutaten werden untergemischt.
    Die Masse ca. 2cm dick auf ein Backblech streichen und einen Tag stehen lassen, damit das Nougat fest wird.
    Nach diesem Prozess die Süßigkeit in mundgerechte Stücke schneiden und vernaschen.


    Tipp:
    Für ein bisschen Abwechslung sorgt etwas Lebensmittelfarbe.
    Einfach die erkaltete Masse separat portionieren und unterschiedlich verfärben. Dann auf das Blech streichen und erkalten lassen.

  • 5. Dezember 2010 von Beowulf



    Vorfreude



    17. September, 23.00Uhr


    Vergiss es. Weihnachten wird in die Kirche gegangen, in die Christmette um fünf, danach gehen wir zu Mama ins Heim und Abendessen bei Klaus. Das haben wir schon immer so gemacht, das geht nicht anders. Vorher treff ich mich noch mit Petra und Corinna auf einen Glühwein, während du den Laden zumachst. Punkt und Ende.


    Du gehst doch sonst nie in die Kirche, mein Schatz, warum an Weihnachten?


    Da gehen die Semmelrings, die Klaibers und die Dohls, alles wichtige Kunden, da müssen wir uns als Familie sehen lassen.


    Alles U- Bootchristen - tauchen einmal im Jahr auf, hauen einen Zehner in die Kollekte und fühlen sich super. So was kotzt mich an, ich will dieses Jahr was anderes machen, ich will weg hier, ich habe die Schnauze voll. Für den 24. kann Melanie den Laden alleine schmeißen, da kommt eh keiner mehr. Am 23. fliegen wir nach Süden.


    Ruhe jetzt, um sechs klingelt der Wecker.



    19. Oktober, 22.30 Uhr


    Hast du schon die Weihnachtsgeschenke für deine Mutter und für deinen Bruder? Schließlich müssen wir die schon rechtzeitig hinbringen.


    Hör mit dem Gespinne auf. Wir bleiben Weihnachten hier.



    21. November, 22.00 Uhr


    Schatz, ich bin für Weihnachten in der Türkei, hast du den Bericht in der Zeitung gelesen? In Antalya gibt es sogar eine Kirche.


    Semmelrings sind dieses Jahr in Dubai, Dohls fliegen nach Vietnam und Klaibers nach Bali. Niemand, gar niemand bleibt hier, da können wir doch nicht den Eindruck erwecken, wir können uns keinen Urlaub leisten


    Wenn, dann fliegen wir nach Schottland. In den sicheren Schnee, in ein Hotel in einem Schloss, irgendwo in den Highlands.



    23. November, 19.30 Uhr


    Ich habe heute bei Frau Semmelring die Kataloge geholt, die Kathedrale von Sevilla haben wir noch nicht besucht.



    3. Dezember, 14.00 Uhr


    Hier sind die Tickets. Für den Flug - mit Ryanair nach Barcelona, dann mit dem Zug und Hotelvoucher. Schatz, was hast du?


    Ryanair hast du bei Frau Semmelring gebucht? Was wird die von uns halten, wenn wir Billigflieger fliegen?


    Semmelrings sind im Sommer selbst mit Ryanair nach Schottland geflogen , sie war ganz begeistert.


    Melanie, Sie haben am vierundzwanzigsten bis um vier Uhr die Geschäftshoheit.


    Aber Chef, das geht doch nicht! Ich gehe mit meinem Sohn um halb drei in die Kirche. Ich habe Weihnachten immer um eins frei bekommen. Es ist doch Weihnachten, mein Sohn und ich ...


    Ach Melanie, dieses ganze kommerzielle Gedöns, das müssen Sie mit Ihrem Sohn nicht mitmachen. Wir fahren dieses Jahr nach Spanien.


    Wenn es alles kommerzielles Gedöns ist, können Sie ja mich das Geschäft um eins schließen lassen.


    Nein, Das Geschäft schließt 16 Uhr. Punkt. Lassen Sie mich mit ihrem Gedöns in Ruhe.


    Aber Chef, Sie sind doch im Kirchenvorstand, Sie müssten doch …


    Halten Sie den Rand und machen Sie, was ich sage.



    4. Dezember, 23.00 Uhr


    Schatz - wir müssen dieses Jahr hierbleiben, hast du von den Fluglotsenstreiks in Spanien gehört?


    Blödsinn, die sind doch längst vorbei bis Weihnachten.


    Ja sicher, Schatz, aber Melanie hat fristlos gekündigt, weil wir unzumutbar wären - sie hat neue Arbeit bei Dohls, sie geht lieber in die Kirche als zu arbeiten und wir haben niemand fürs Geschäft. Nächstes Jahr, ganz bestimmt ...

  • 6. Dezember 2010 von Johanna



    Piraten zu Nikolaus



    Wir schreiben das Jahr 1600. Im Winter desselben schiffte sich der junge Horatio of Guildford auf dem stolzen englischen Segler glorious Queen ein.
    Horatio, ein junger Mann am Hofe Elisabeths, gerade zum Ritter geschlagen und Hofschreiber seiner Majestät, brach zu seiner Reise auf.
    Im Auftrag der Königin führte ihn sein langer Weg in die neue Welt, ihr Bericht zu erstatten, wie die Besiedelung dort voranschritt.


    Horatio war bereits seit einigen Wochen unterwegs, als er eines Nachts unsanft aus dem Schlaf gerissen wurde, da ihn laute Schreie und schwere hin und her eilende Schritte über ihm weckten.
    „Piraten!“, ertönten die Rufe, „schnell an die Kanonen, macht Euch bereit, Männer“.
    Horatio sprang in seine Hose, schnappte sich seinen Degen und eilte an Deck. Aber - es war bereits zu spät. Der Kampf war bereits in vollem Gange, die Degen und Säbel schlugen wild gegeneinander, daß die Funken schlugen, Matrosen kämpften verbittet, die Piraten brüllten siegessicher und hieben um sich.


    Alles ging blitzschnell, Horatio sah den Kapitän der glorious Queen an einen Mast gedrückt, einen Säbel an seiner Kehle , gehalten von einem muskulösen, schlanken Mann, den feuerrote Haare zierten, mit einem verwegenen Lächeln auf den Lippen.
    „le Rouge flambert“, schoss es ihm durch den Kopf. Der gefürchtete Pirat, der Rote, so genannt seiner feuerroten Haare wegen. Bekannt für seine Leidenschaft für „ Spielchen“. Er liebte es, seine Gefangenen zu aberwitzigen und grausamen Spielchen aufzufordern, damit sie um ihr Leben spielen konnten, sich durch Spiele von der Aussicht auf die Sklaverei befreien konnten.


    Laut brüllte Le Rouge: „Schafft die Gefangenen auf die Battre Gagnant .
    Aber laßt sie am Leben und rührt sie nicht an, sie sollen noch gutes Geld auf dem Sklavenmarkt in Tortuga einbringen.“


    Eine Stunde später versank das ehemals stolze Schiff ihrer Majestät Königin Elisabeths in einem gewaltigen Feuerball im Meer.
    Die Piraten grölten und begannen, die gekaperten Weinfässer zu leeren.
    Plötzlich wurde Horatio auf einen Pulk Männer aufmerksam, die sich um etwas zu scharen schienen und sich gegenseitig anfeuerten.
    Er drängte sich durch die Piraten und sah mit Entsetzen, daß in der Mitte der Meute ein kleiner, älterer Mann stand. Bekleidet mit einem langen grünen Mantel und kurioserweise mit leuchtend roten Stiefeln.
    Auf der glourious Queen war ihm dieser kleine Kerl bisher nicht aufgefallen, was allerdings auch nicht weiter verwunderlich war, da sich Horatio hauptsächlich in seiner Kajüte aufgehalten hatte, um die Berichte für Ihre Majestät zu schreiben.
    Die Piraten waren gerade dabei, den kleinen Mann festzubinden und ihn auf eine Planke zu hieven.
    Voller Entsetzen sah Horatio, daß sie vorhatten, den kleinen Mann Kiel holen zu lassen.
    Ohne nachzudenken stieß er die vor ihm stehenden Piraten zur Seite, stürzte an die Seite der Planke und schrie wutentbrannt: „ Ihr elenden Feiglinge, seid nicht Manns genug, gegen einen wirklichen Gegner zu kämpfen.“
    Von dem Tumult angelockt, erschien „Le Rouge“, sah zu Horatio und setzte ein maliziöses Lächeln auf: „Ah, ich sehe, Euch liegt an dem Männlein. Nun denn, spielen wir ein Spiel. Ich schenke Euch sein Leben, so Ihr das Eure mit ihm teilen möget. Ihr bekommt die Chance dem Sklavenmarkt zu entgehen und die Zeit, die Euch noch bleiben wird, mit dem Männlein gemeinsam zu verbringen.“


    Elegant hob er die Hand und gab seinen Männern den Befehl, das Beiboot klar zu machen.
    Kurz darauf wurden Horatio und der kleine Mann in das Boot verfrachtet. Der Kapitän setzte sich zu seinen Männern an die Riemen und ruderte eigenhändig mit.
    Unweit war eine kleine Insel zu erkennen, auf die das Boot zusteuerte.
    Dort angekommen mußten die beiden Passagiere das Boot verlassen.
    „Hier, Euer Degen, kein Mann soll ohne seinen Degen in der Hand sterben“. Sprachs und deutete eine huldvolle Verbeugung an. „So lebet denn wohl, Ihr Beiden“.


    Das Ruderboot stach wieder in See, ruderte davon und die beiden Ausgesetzten blieben auf dem verlassen und karg wirkenden Eiland zurück.


    Der kleine Mann begann zu sprechen: „Habt Dank für Euer Bemühen, mein Leben zu retten. Nur tut es mir unendlich leid, daß Ihr nun dieses Schicksal mit mir teilen müßt“.
    Horatio sah auf und lächelte: „Es ist meine Pflicht als Ritter im Dienste der Königin, mich gegen das Unrecht einzusetzen und die Unschuldigen zu verteidigen. Lieber sterbe ich mit Euch auf dieser Insel, als zuzusehen, wie ein wehrloser Mann getötet wird.“


    „Nun denn“, antwortete der kleine Mann, „ dann laßt uns zusehen, wie wir aus dieser mißlichen Lage wieder herauskommen und erst einmal die Insel erkunden. Ich heiße übrigens Nic.“
    „Und weiter?“
    „Nichts weiter, nennt mich einfach nur Nic.“


    Die beiden erkundeten die Insel, mußten aber bald einsehen, daß es sich wirklich nur um einen kleinen, öden Flecken Land handelte, auf dem fast keinerlei Vegetation herrschte, kaum Schutz vor der Sonne vorhanden und keinerlei Süßwasser zu finden war.


    Nach zwei Tagen setzte ihnen die Hitze immer mehr zu, der Durst wurde unerträglich.
    Horatio war dabei, die Hoffnung aufzugeben, doch Nic bemerkte dieses, sah ihn eindringlich an und sagte: „Gebt Euch nicht auf. Wir werden es schaffen. Wir werden von dieser Insel herunterkommen und die Heimat wiedersehen“. Müde sah Horatio Nic an und dachte nur: „Wie sicher der kleine Mann doch klingt, wie optimistisch er ist. Ich will ihm seine Illusionen nicht nehmen. Wie sollen wir hier überleben und auf ein vorbeifahrendes Schiff hoffen, wenn wir spätestens morgen verdursten?“


    Nic sah Horatio an, daß er ihm nicht glauben konnte. „Wartet ab, mein Sohn, ich sehe, Ihr glaubt mir nicht. Habt Geduld und versucht einfach nur daran zu glauben. Laßt uns jetzt schlafen legen“
    Daraufhin zog er seine auffälligen roten Stiefel aus, stellte sie ordentlich nebeneinander, legte sich hin und schlief ein. Verwundert sah Horatio ihm zu, war aber zu erschöpft, weiter über dies merkwürdig anmutende Verhalten nachzudenken. Er legte sich ebenfalls nieder und fiel sofort in einen tiefen Schlaf.


    Etwas weckte ihn, ein Geräusch, ein lange vermisstes Geräusch. Und ein Geruch. Ein Geruch nach Frische, nach feuchter Erde. Und als etwas auf sein Gesicht prasselte, war er vollends wach.
    Regen! Es regnete. Etwas in diesen Breitengraden äußerst Seltenes.
    Er setzte sich auf, legte den Kopf nach hinten und genoß das wunderbare, kühle Nass.
    Dann sah er Nic neben sich sitzen, der ihm lächelnd einen der beiden roten Stiefel reichte.
    Beide waren bis oben hin voll, gefüllt mit lebenspendendem Wasser. Gierig nahm Horatio den Stiefel entgegen und trank bis er nicht mehr konnte. Und immer wieder füllte sich der Stiefel erneut mit Wasser.


    Horatio sah, wie auf dem Meer die Wellen sich zu kräuseln begannen, der Wind wurde immer stärker und allmählich entwickelte er sich zu einem Sturm. Seltsamerweise blieb die Insel selber verschont von den Ausläufern des Sturmes.


    In der Ferne sah er etwas, drehte sich fragend zu Nic um: „Siehst Du das auch?“
    „Ja“ antwortete dieser, „ich habe Dir ja versprochen, dass wir wieder in die Heimat kommen werden“. Durch den tosenden Sturm hindurch sah Horatio, daß es sich um ein Schiff handelte, ein Schiff in Seenot. „Aber, das kann doch nicht …“ - er brach ab. Aber sie war es, die Battre Gagnant, hilflos dem Sturm ausgesetzt, die Segel flatterten hilflos im Wind und der Sturm trieb das Schiff immer näher an die Insel heran. Plötzlich drehte sie sich auf die Seite, Nic und Horatio sahen machtlos zu, als die Männer aus den Wanten ins Meer gespült wurden. Schreie ertönten, Männer sprangen ins Wasser, versuchten gegen die Wellen anzuschwimmen.


    Völlig erschöpft wurden die ersten ans Ufer gespült.
    Das Schiff bäumte sich wieder auf und mit einer riesigen Welle rauschte es heran und setzte sich im Sand fest. Stille. Dann laute Schreie: „Helft uns, wir sitzen hier unten, laßt uns nicht ertrinken“.
    Horatio zögerte keine Minute, rannte auf das Schiff zu und öffnete die Ladeluke.
    Dort saßen, völlig durchnässt und zusammengebunden, die Matrosen und der Kapitän der glorious Queen. Als Horatio und Nic die Männer befreit hatten, sah sich Horatio auf dem Schiff um. „Wo ist Le Rouge? Ist er über Bord gegangen?“


    „Nein“ ertönte da eine Stimme hinter ihm, „Ich gebe mein Schiff nicht auf – nur bitte ich Dich um Gnade für meine Männer, sie handelten nur auf meinen Befehl – ich werde dieses Schiff nicht verlassen und mit ihm untergehen“. „Nichts wird hier untergehen, das Schiff werden wir flott bekommen und diesmal biete ich Dir ein Spielchen an“, meinte Horatio und zog den Degen, „spielen wir um das Leben Deiner Männer. Solltest Du gewinnen, so lassen wir sie am Leben, gewinne ich, dann werden sie hängen“. Le Rouge setzte sein nonchalantes Lächeln auf und schlug ein.


    Mittlerweile waren die Schiffbrüchigen wieder auf die Beine gekommen und scharten sich mit den Männern der glorious Queen um die Beiden.
    Die Kontrahenten brachten sich in Stellung, die Degen in die richtige Haltung und der Kampf begann.
    Und was für ein Kampf! Wäre es nicht um Leben und Tod gegangen, ein wahrer Augenschmaus.
    Auf der einen Seite - Le Rouge, der rothaarige muskulöse Mann, mit den grünen, meist amüsiert blickenden Augen; auf der anderen Seite – Horatio, der Ritter der Königin, der es ebenso gewohnt war, sich im Fechtkampf zu messen. Schlanker, dafür wendiger, seine dunklen Locken, die ihm immer ins Gesicht zu wehen drohten, die sonst so besonnen und warm blickenden braunen Augen , die jetzt nur Funken zu versprühen schienen. Beide waren ebenbürtig.


    So schien der Kampf auch ewig zu dauern, bis sich Le Rouge zu siegessicher fühlte, einen Ausfallschritt machte und prompt ins Stolpern geriet, über eine Ansammlung Muscheln stürzt und am Boden lag. Horatio hatte seinen Degen schon zum finalen Stoß erhoben, zögerte, hielt ihm die Spitze des Degens an die Kehle.
    „Nein, mein Freund. So einfach kommst du mir nicht davon. Dich zu töten, wäre zu einfach. Nun hast Du die Wahl. Bleibe hier alleine auf der Insel oder komm mit uns nach England, wo Du vor ein ordentliches Gericht gestellt wirst.“
    Le Rouge sah Horatio in die Augen, zeigte sein leicht spöttisches Lächeln und meinte:“ Nun denn, Sir Horatio of Guildford, diesmal habt Ihr das Spiel gewonnen, ich begebe mich in Eure Hände folge Euch in Eure Heimat“.


    Gemeinsam bekamen die Männer die Battre Gagnant wieder flott, die Piraten wurden vor die Wahl gestellt, als Matrosen anzuheuern oder sich dem Schicksal als Gefangener ihrem Kapitän anzuschließen. Einen Tag später stach die Battre Gagnant in See und nahm Kurs auf England.



    Wie sich der geneigte Leser sicher vorstellen kann, gelang Le Rouge auf wundersame Weise die Flucht vor der englischen Gerichtsbarkeit, so daß durchaus die Möglichkeit vorhanden sein könnte, daß er uns wieder einmal eines Tages über den Weg laufen wird…….



    Nach einer langen, diesmal ereignislosen Fahrt erreichte die Battre Gagnant den Hafen von Portsmouth. Am Kai kam die Zeit des Abschieds, Nic wand sich Horatio zu:
    „Ich werde an Dich denken, an Deinen Mut, Dich für mich einzusetzen. Nie vergessen, was Du bereit warst, für mich einzugehen.“ Nic reichte Horatio die Hand, drehte sich um und verschwand in der Menge am Hafen. Er sah den kleinen Mann nie wieder.


    Aber jedes Jahr am 6. Dezember, dem Tag,der sie vor dem Verdursten bewahrte, fand Horatio die roten Stiefel vor seiner Türe vor, gefüllt mit den herrlichsten Leckereien und Dingen, die das Leben so lebenswert machen Auch noch im hohen Alter, als Horatio im Kreise seiner Familie saß, von seinen Abenteuern auf See erzählte, waren die roten Stiefel an seiner Seite.
    Als seine Enkelin ihn einmal fragte, „Großvater, was hat es mit den Stiefeln auf sich?“, da lächelte er sie an und sagte: „Sie haben mir das Leben gerettet und erinnern mich immer daran, niemals die Hoffnung aufzugeben.“

  • 7. Dezember 2010 von Gummibärchen



    10 schlaue Büchereulen


    10 schlaue Büchereulen wollten Weihnacht feiern,
    doch konnten sie sich nicht entscheiden, ob in Franken oder Bayern.
    Sie fingen an zu diskutieren, wo wie was und solchen Schrott,
    und endeten - wie sollt' es sein? - doch wieder nur beim lieben Gott.
    Religion, Kirche, sowas, nach Argumenten suchend,
    bis plötzlich verließ die Runde Tom - Tür knallend und fluchend.


    9 schlaue Büchereulen sahen ihm kurz nach,
    doch auf einmal hörte man richtig lauten Krach.
    Babyjane war's, die wortwörtlich platzte richtig vor Wut,
    Chanel-Lack aus! Überall! Das war gar nicht gut.


    8 schlaue Büchereulen konnten sie nicht vergessen
    und versuchten zu bekämpfen den Kummer mit dem Essen.
    Laugengebäck, Weihnachtsmuffins, Prombär buk zuhauf,
    bis sie sich selbst , ohne's zu merken, in Luft löste auf.


    7 schlaue Büchereulen wollten nicht einfach warten,
    Inso beschloss, mit iPhone-Hilfe ne Prombär-Suche zu starten.
    Doch unauffindbar war das Gerät, man spürte Insos Schmerz,
    lag's am iPhone oder an Prombär, dass zerriss Insos Herz?


    6 schlaue Büchereulen wussten nicht mehr weiter,
    denn dieses Fest war nach Meinung aller alles, nur nicht heiter.
    Aus diesem Grunde fing churchill einfach an zu singen.
    Wer hätt' gedacht, er würde dabei gleich aus dem Fenster springen?


    5 schlaue Büchereulen saßen rum und tranken Punsch,
    in diesem Moment ging in Erfüllung einer Eule Anti-Wunsch.
    Löw als Trainer beim HSV, so lautete der neue Deal,
    für Voltaires armes schwaches Gemüt war's eindeutig zu viel.


    4 schlaue Büchereulen fanden's nicht so klasse,
    traurig guckten sie zu Voltaires zur Hälfte vollen Tasse.
    Sich langweilen, das war es, was sie alle taten,
    bis Johanna wurd entführt von ganz bösen Piraten.


    3 schlaue Büchereulen wollten folgen dem bösen Schiff,
    zeitlang schien es, als hätten sie alles auch im Griff.
    Da sagte Beo, er müsse mal ganz ganz dringend aufs Klo,
    dann - ohne ein Wort - er zur besten Ehefrau von allen floh.


    2 schlaue Büchereulen hatten keinen Bock zu suchen,
    sie gönnten sich seelenruhig einfach nur Lebkuchen.
    So aßen und aßen sie, bis war mehr gar kein Platz,
    in dem kleinen süßen Magen der Eulen-Flederkatz'.


    Ganz einsam stand nun Wolke da, wie nicht abgeholt und doch bestellt,
    so hatte sie sich ihr Weihnachten gewiss nicht vorgestellt.
    Da erblickte sie ein Lichtlein, sie traute ihren Augen kaum,
    dort waren sie, ihre Eulen, und tanzten um den Weihnachtsbaum.
    Und so wurde es, fast wie im Märchen,
    doch noch ein Fest voller Liebe, Geschenke und Gummibärchen.

  • 8. Dezember 2010 von JaneDoe



    Perspektiven



    Er steht im Regal und schaut ängstlich geradeaus. Ein bißchen von seinem Glanz und Stolz hat er verloren. Wehmütig denkt er zurück an den Tag, an dem er in der Schokoladenfabrik seinen rot-gold-weiß schimmernden Mantel bekam und die Kordel mit dem Glöckchen um die Taille gebunden wurde. Wie aufgeregt er gewesen ist, als man ihn nach der langen Reise aus dem dunklen Karton heraus nahm und ins Regal stellte. Nur kurz hatte es ihn irritiert, dass eine komische Maschine ein Etikett mit einer dicken Zahl darauf unter seine Stiefelsohlen geklebt hatte.


    Und nun steht er hier – schon eine ganze Weile – und niemand will ihn in den Einkaufswagen legen. Gelegentlich nähert sich eine Kinderhand, wird jedoch schnell wieder von einer viel größeren Hand zurückgezogen. Er seufzt, denn inzwischen kennt er sie alle: die kleinen Hände und die großen, die kalten, die feuchten, die weichen, die rauen, die in Wollhandschuhen und die in den feinen Lederhandschuhen. Großen Respekt hat er vor den Fäustlingen und den dicken Wildlederhandschuhen. Einige seiner Kollegen sind von ihnen heftig traktiert worden, und manch einer hat bereits üble Blessuren davongetragen. Wenn sich jemand nähert und ihn hochnimmt, keimt vorsichtig leise Hoffnung in ihm auf. Bis … ja, bis derjenige einen Blick auf seine Schuhsohlen wirft und ihn dann - meist mit einem Kopfschütteln - schnell wieder zurück ins Regal stellt. Komisch, irgendwie muss das an diesem Etikett liegen, dass die Menschen davon abhält, ihn mitzunehmen. So beobachtet er traurig und zunehmend frustriert, wie seine Kollegen aus den umliegenden Regalen nach und nach in den vorbeifahrenden Einkaufskörben verschwinden. Nur er und einige seiner Brüder stehen noch immer im allmählich leerer werdenden Regal.


    Schließlich hört das Weihnachtsliedgedudel im Supermarkt auf und die bunten Lichterketten und –kugeln der Dekoration weichen glitzerndem Konfetti und bunten Luftschlangen. Auch er muss seinen Platz räumen. Der Deckel des Kartons, in dem er nun mit seinen Kameraden liegt, schließt sich. Leise hört er einen von ihnen flüstern: Ich habe gehört, einige von uns erhalten eine zweite Chance und kommen im Frühjahr als Osterhasen wieder ...

  • 9. Dezember 2010 von LeseRatteKevin



    NUSSECKEN



    130 g Butter oder Margarine
    130 g Zucker
    2 Ei(er)
    300 g Mehl
    1 TL, gestr. Backpulver
    Für den Belag:
    4 EL Aprikosenkonfitüre
    200 g Butter oder Margarine
    200 g Zucker
    2 Pkt. Vanillezucker
    200 g Haselnüsse, gemahlen
    200 g Haselnüsse, gehackt
    4 EL Wasser
    Kuchenglasur, Schokolade

    Butter, Zucker, Eier, Mehl und Backpulver zu einem Knetteig verarbeiten und auf einem gefettetem Backblech ausrollen. Aprikosenkonfitüre auf den Teig streichen.
    Nun geht es an den Belag.
    Butter, Zucker und Vanillezucker erhitzen, bis der Zucker sich gelöst hat. Nüsse zusammen mit dem Wasser und die Masse rühren und auf den Teig geben.
    Bei 175°C ca. 25 Minuten backen. In noch warmen Zustand in Rechtecke und dann in Dreicke schneiden. Dann jeweils eine Ecke bis zur Hälfte in Schokolandenglasur tauchen.

    Guten Appetit :-)

    LeseRatteKevin

  • 10. Dezember 2010 von BunteWelt



    Adventssterne



    Als er seine Wohnung wie jeden Tag verließ, die Aktentasche unter den Arm geklemmt und die Krawatte mal wieder falsch gebunden, stieg ihm ein bekannter Duft in die Nase. Es roch nach süßem Glühwein, würzigen Lebkuchen und nach Honig duftenden Bienenwachskerzen. Diese Gerüche erinnerten ihn an früher, als die ganze Familie vor dem Kamin saß und Schüsseln mit duftenden Plätzchen vor ihm standen. Er dachte daran, wie die Mutter ihn immer beim Teignaschen erwischte, weil das Mehl um seine Mundwinkel klebte. Früher. Damals war das größte Problem gewesen, den tollen Spielzeugbagger nicht zu bekommen. Während er gerade seinen Gedanken nachhing, hatte er gar nicht bemerkt, dass er inmitten eines Weihnachtsmarktes stand. Verschiedene Stände waren hier aufgebaut - Glühwein wurde verkauft, selbst gemachte Kerzen angeboten und sogar Plätzchenformen konnte man hier erstehen. Plötzlich entdeckte er einen Stand, dessen rote Farbe schon an vielen Stellen abgeblättert war. Über der Verkaufsluke stand in großen Lettern “ADVENTSSTERNE” und innendrin saß, eingehüllt in einen dicken schwarzen Mantel, eine junge Frau, die geschickt und behände mit Strohfasern und Halmen Sterne band.
    Um ihre vor Kälte geröteten Lippen spielte dabei ein zartes Lächeln, das ihn wieder an die Vergangenheit denken ließ.


    Als er sie leise nach einem Stern fragte, suchte sie einen für ihn aus und packte ihn behutsam in eine kleine Tüte, auf die ein rotes Herz gedruckt war. Ab diesem Moment konnte er es gar nicht erwarten, morgens aufzustehen und in die Arbeit zu gehen. Jeden Morgen besuchte er die junge Frau und kaufte ihr einen Weihnachtsstern ab. So verging die Adventszeit. Schließlich verließ er seine Arbeit, nachdem ihm viele Kollegen ein schönes Weihnachtsfest gewünscht hatten. Sie hatten gut reden. Sie hatten ja Familie. Er aber war, wie jedes Jahr, allein. Ein letztes Mal schlenderte er durch den Weihnachtsmarkt, wo schon einige Stände abgebaut waren, und setzte sich an den Glühweinverkauf, um sich ein bisschen aufzuwärmen. Er bestellte sich einen Punsch und betrachtete die Menschen, die sich kurz, bevor das Christkind kommen würde, hier noch etwas gönnen wollten. Auf der gegenüberliegenden Bank sah er ein bekanntes Gesicht: Die Adventssternverkäuferin, die sich gerade mit ihrer Freundin einen Glühwein geholt hatte. Als er sein Glas abgab, hörte er die junge Frau lachend sagen:


    “... so ein Idiot! Er hat mir jeden Tag, wirklich ungelogen, einen Adventsstern für fünf Euro abgekauft! 24 Sterne! Das macht 120 Euro! Es gibt wirklich Idioten!” Dann lachten beide so glockenhell wie zwei Engel. Natürlich wusste er, dass er damit gemeint war. Er hatte 24 Adventssterne gekauft. Wegen ihres Lächelns hatte er 120 Euro ausgegeben.


    Langsam ging er durch den Weihnachtsmarkt und sah die junge Frau ihren Adventssternstand abbauen. Er ging an ihr vorbei, er sah sie enttäuscht an und sie strahlte ihn dagegen an, nahm einen Stern aus ihrer Tüte und streckte ihn mit ihren filigranen Fingern ihm entgegen. “Ich wünsche ihnen ein frohes Weihnachtsfest! Vielen Dank, dass sie bei mir jeden Tag eingekauft haben!”
    Er nahm den Stern, dankte ihr mit einem traurigen Lächeln auf den Lippen und wusste nun, an wen ihn dieses Lächeln erinnerte: An eine Zeit, die nie wiederkehren würde.

  • 11. Dezember 2010 von Arno



    Feuerland



    Es war im letzen Jahr, in der Adventszeit. Ein langer, nervenaufreibender Arbeitstag lag hinter mir und ich fühlte mich ausgebrannt und leer, als ich mich auf den Nachhauseweg machte. Es hatte den ganzen Nachmittag geschneit, und auch jetzt kitzelten mich immer wieder kleine Flocken im Gesicht. Einem spontanen Gedanken folgend bog ich nach ein paar hundert Metern in den Stadtpark ab. Ich hatte keine Lust auf die Hektik und das Tempo der Straßen. An diesem Winterabend stand mir der Sinn nach Ruhe, nach einem gemütlichen Heimweg vorbei an Bäumen und Hecken, die in gleichmäßigen Abständen von niedrigen Laternen aus der kalten Dunkelheit herausgehoben und in eine Decke aus gelblichem Licht gehüllt wurden.
    Ich weiß nicht mehr, an welcher Stelle des Parks es war, und ich kann auch nicht sagen, warum das mit einer dicken weißen Schicht bedeckte Holz der Bank mich stumm dazu einlud anzuhalten, ein Stück der Sitzfläche mit den Händen freizufegen und mich auf ihr nieder zu lassen. Ich wollte einfach einen Moment an diesem Ort verweilen. Normalerweise nahm ich Dinge wie eine Holzbank kaum wahr, bestenfalls als vergammeltes Standardrequisit einer Landschaft, die als kaum wahrgenommene Randdekoration einfach zu einem Nachhauseweg gehört.
    An dieser jedoch schien mich etwas magisch anzuziehen.
    Die Laterne gleich daneben richtete das Zentrum ihrer Strahlen genau auf die Sitzfläche, der Schnee auf den Büschen links und rechts davon war noch unberührt. Ein schöner Fleck. Hier konnte ich den Arbeitstag hinter mir lassen und einige Minuten entspannen.


    Gerade beugte ich mich nach vorne, um den Schnee von meinen Schuhen abzuklopfen, als jemand fragte: "Entschuldigen Sie bitte, dürfen wir uns für einen Moment zu Ihnen setzen?"
    Überrascht sah ich auf und blickte in zwei Gesichter, die wohl schon weit mehr als siebzig Winter erlebt hatten.
    Das Paar stand, in dick wattierte Jacken gehüllt, eng umschlungen vor mir, und während er mir ein Lächeln schenkte, das mich angenehm warm berührte, streichelte er ihr zärtlich mit der Rückseite des Zeigefingers über die faltige Wange.
    Das Ungewohnte dieses Bildes ließ mich einen Moment zögern, doch schließlich nickte ich und rutschte ans äußere Ende der Bank, wobei ich den Schnee einfach mit dem Hintern wegschob. "Ja, bitte, setzen Sie sich."
    "Wir danken Ihnen", sagte er und half ihr dabei, sich langsam auf die Sitzfläche nieder zu lassen. Dann setzte er sich neben sie, legte ihr wieder den Arm um die Schulter und zog sie dicht zu sich heran. Mit der freien Hand strich er ihr mehrmals über das weiße Haar, auf dem die Schneeflocken fast nicht zu erkennen waren, bevor er sie dann sanft auf Ihre Hand legte.
    Ich bemerkte gleichzeitig mit ihm, dass ich die Beiden unentwegt anstarrte. Das Gefühl, ertappt worden zu sein, ließ ein Prickeln auf meinen Wangen entstehen.
    "Junger Mann, wir scheinen Ihr Interesse geweckt zu haben“, sagte er freundlich. „Das ist schön. Wir freuen uns immer, wenn junge Menschen sich für uns interessieren.
    Ich fühlte, wie sich die Röte in einem neuen Schub über mein Gesicht zog. „Entschuldigen Sie bitte, dass ich Sie angestarrt habe. Man sieht selten ein Paar in Ihrem Alter, das noch so zärtlich miteinander umgeht."
    Nun beugte sie sich etwas nach vorne, so dass sie mich an ihm vorbei ansehen konnte. Ihr Lächeln war ebenso warmherzig wie seines.
    "Wir leben in Feuerland", sagte sie, dann lehnte sie sich wieder zurück und ließ sich von ihm weiter das Haar streicheln.
    "Sie leben in Feuerland?" fragte ich verblüfft. "Das ist sehr weit weg. Machen Sie hier Urlaub?"
    Er lächelte nachsichtig. "Nein, nein. Wir wohnen hier in der Stadt, aber wir leben in Feuerland."
    Ich sah meine ausgestreckten Füße an und versuchte die Worte zu verstehen. Es gelang mir nicht.
    "Entschuldigen Sie, wenn wir Sie verwirren“, sagte er nachsichtig. „Ich möchte es Ihnen gerne erklären, wenn es Ihnen nicht zu langweilig erscheint.“
    Ich schüttelte heftig den Kopf. "Nein, auf keinen Fall ist das langweilig. Ganz im Gegenteil, es klingt sehr interessant. Bitte, erklären Sie es mir."
    Er gab ihr lächelnd einen Kuss auf die Stirn und sah ihr lange in die Augen, so, als suche er darin ihre Zustimmung. Dann wandte er sich mir wieder zu und erzählte: "Wissen Sie, woher der Name Feuerland kommt? Tierra del Fuego - Land des Feuers. Er stammt von den vielen Feuerstellen, die durch die Seefahrer entlang der Küste beobachtet wurden. Die Indianer benutzten die Feuerstellen nachts als lebensnotwendige Wärmequelle. Das haben wir zum Leitbild unserer Ehe gemacht, als wir vor Zweiundfünfzig Jahren geheiratet haben.“
    „Zweiundfünfzig Jahre“, wiederholte ich leise, fast flüsternd, und er musste die Ehrfurcht in meiner Stimme bemerkt haben, denn er nickte lächelnd.
    „Ja, zweiundfünfzig Jahre. Wir haben an unserer Hochzeit ein Feuer angezündet, an dem wir uns wärmen können, das uns jederzeit Kraft und Leben spendet. Immer dann, wenn wir im Laufe unseres gemeinsamen Lebens merkten, dass die Flammen niedriger wurden, legte einer von uns beiden einen Scheit nach. Es gab einige Stürme in unserem Leben, und heftiger Regen versuchte es zu löschen, aber wir haben stets auf unser Feuer geachtet und es vor allen Einflüssen beschützt. Die Flammen sind nie verloschen, weil wir nie vergessen haben, dass wir in Feuerland leben und dass die Wärme dieses Feuers lebensnotwendig für uns ist. Und immer, wenn wir Menschen treffen, die so aussehen, als hätten sie ihr Feuer irgendwann ausgehen lassen, erzählen wir ihnen von Feuerland."
    "Denken Sie, ich hätte … Wie kommen sie darauf?", fragte ich nachdenklich.
    Nun beugte sie sich wieder lächelnd nach vorne.
    "Hätten Sie sich sonst über uns gewundert?"


    Als ich nach Hause kam, marschierte ich nicht wie sonst nach einem kurz in Richtung Küche gerufenen „Hallo“ sofort in mein Büro, um den Computer anzuschalten, meine Mailbox zu kontrollieren und die neuesten Nachrichten der Finanzwelt im Internet abzurufen.
    An diesem Abend stellte ich meine Tasche im Flur ab und ging zu Karin in die Küche, umschlang sie von hinten und küsste sie in den Nacken. Als sie sich umdrehte und mich überrascht ansah, nahm ich sie in den Arm und gab ihr einen Kuss.
    Sie sah mich groß an und lächelte verlegen. "Was ist denn mit dir los? Und … und wo warst du so lange?"
    "Ich war in Feuerland“, antwortete ich. „Kennst du Feuerland?"

  • 12. Dezember 2010 von Lena J



    Es wird Zeit ...



    Dies hier ist eine Premiere. Genauer gesagt, sind es zwei Premieren: Zum ersten Mal in meinem Leben schreibe ich eine Weihnachtsgeschichte. Und endlich habe ich mal richtig viel Zeit im Advent.


    Noch ist November, da muss ich wohl ein wenig nachhelfen, um in die richtige Stimmung für eine weihnachtliche Geschichte zu kommen. Ich zünde mir eine Duftkerze an. Herrlich, wie die Räume sich gleich mit Zimt- und Orangenaroma füllen! Jetzt noch Tee und Lebkuchen geholt, dann kann es losgehen. Die richtige Idee will noch nicht auftauchen. Vielleicht lockt ein Becher Glühwein die Kreativität besser hervor. Köstlich, einfach köstlich. Ich muss gestehen, dass mir etwas viel Rotwein in den Topf geflossen ist, und auch der „Schuss“ ist kräftiger ausgefallen als geplant. Aber der Geschmack ist hervorragend. Das Tässchen wird flugs noch einmal gefüllt ...Hoppla, ich glaube, ich habe einen Schwips. Und vom vielen Lebkuchen ist mir ganz komisch. Etwas Herzhaftes täte jetzt gut. Nach dem Genuss von drei sauren Gurken, einem Stück Schinken und unzähligen Käsewürfeln, begleitet von einem weiteren Becher Glühwein, geht es mir noch schlechter. Ich werde mich etwas hinlegen und morgen schreiben.


    Wie gut, dass es Frauenzeitschriften gibt. Zu dieser Jahreszeit stecken sie voller guter Tipps für das Fest und die Vorbereitung darauf. Eine weihnachtlich geschmückte Wohnung wird bestimmt für die richtige Atmosphäre sorgen, in der meine kleine Geschichte gelingt. Ich packe Schneekugeln, Engelfiguren, die Krippe mit Josef, Maria, den heiligen drei Königen und natürlich dem Jesuskind aus. Zwei Schafe sind auch dabei, die gab es beim Kauf gratis dazu. Nach Frauenzeitschrift-Anleitung bastele ich einen Adventskranz. Wunderbar, wenn man so viel Zeit hat! Noch nie vorher habe ich einen Kranz selbst gemacht. Tannennadeln bedecken binnen kürzester Zeit meinen hochflorigen Teppich. Meine Fingerkuppen schmerzen irrsinnig, weil die blöden Metallkrampen sich doch nicht so leicht in den Strohkranz haben drücken lassen, wie es in meiner Freundin Brigitte geschrieben steht. Schreiben kann ich mit diesen malträtierten Fingern jedenfalls nicht mehr. Außerdem muss ich noch die gefühlt 387 Nadeln aus dem Bodenbelag pulen, die der Staubsauger einfach nicht zu fassen gekriegt hat.


    Weihnachtsstimmung erfasst mich immer dann, wenn der Duft frisch gebackener Plätzchen durch die Küche weht. Eine grandiose Idee! Ich werde schon jetzt einen kleinen Vorrat herstellen und nicht erst – wie sonst – zwei Tage vor Heiligabend schweißgebadet den Ofen beladen. Da ich viel Zeit habe – es ist schließlich erst Nikolaustag – probiere ich ein paar neue Rezepte aus. Dabei wird mir bestimmt auch eine Idee für meine Adventskalender-Geschichte einfallen. Ui, der Teig spritzt aber lustig aus der Schüssel. Schon sind Toaster und Kaffeemaschine ganz besprenkelt. Blöd, dass die Tapete auch etwas abbekommen hat. Während im Kühlschrank schon der Teig für die zweite Kekssorte ruht, bewaffne ich mich mit Schrubber und Küchentüchern. Was riecht denn hier so streng? Verdammt, die Nussküsschen im Ofen hatte ich ganz vergessen! Gut, die sind nun etwas dunkel geraten, schmecken aber bestimmt noch prima. Ein Biss, und die Plombe eines Backenzahns quittiert den Dienst.


    Musste beim Zahnarzt ewig lange warten. Und das Putzen der Küche hat auch ziemlich viel Zeit in Anspruch genommen. Der Teig aus dem Kühlschrank hat auf der Arbeitsfläche geklebt wie altes Kaugummi. Sterne oder Stiefel ausstechen – Fehlanzeige. Ich war ja froh, überhaupt Fragmente auf das Blech bekommen zu haben. Schön sind die Plätzchen nicht geworden, aber immerhin schmecken die.
    Zur Belohnung nach dem ganzen Frust und natürlich auch wegen der tollen Stimmung gehe ich jetzt auf den Weihnachtsmarkt. Shoppen geht immer, wenn sonst nichts hilft. Und überhaupt, allmählich wird es Zeit, sich um Geschenke, Weihnachtskarten und vernünftige Kekse zu kümmern. Bin etwas planlos. Weiß weder, wen ich alles beschenken will, noch habe ich zündende Ideen. Aber die Stiefel sind schick. Und einen Mantel brauche ich auch ganz dringend. Auch das Designer-Notebook dort im Schaufenster gefällt mir gut. Wenn ich das hätte, flösse mir die Weihnachtsgeschichte bestimmt von ganz allein aus den Fingern (die Hornhaut darauf bildet sich übrigens langsam zurück). Alle Achtung, Taschen und Tüten sind prall gefüllt, Portemonnaie und Konto leer geräumt. Da wird’s wohl dieses Jahr eng mit Geschenken und fettem Braten.


    Was? Schon der dritte Advent? Ich habe noch keine einzige Karte verschickt, Geschenke muss ich basteln, weil das Geld für alles andere fehlt, und einen Auftrag habe ich auch noch schnell angenommen, damit mein Konto sich erholen kann. Für eine Weihnachtsgeschichte habe ich jetzt wirklich keine Zeit. Außerdem bin ich nicht in Stimmung. Sorry, vielleicht nächstes Jahr ...

  • 13. Dezember 2010 von Idgie



    Das letzte Weihnachten



    Im letzten Frühling, als sie sich schon länger nicht mehr gut fühlte und endlich nach wochenlangem Zögern beim Arzt gewesen war, hatte sie an einem Dienstagvormittag diese furchtbare Diagnose erhalten. Der Doktor hatte sie gebeten, mit ihrem Mann in die Praxis zu kommen und ihr dann mit ernstem Gesicht eröffnet, dass sie einen bösartigen Gehirntumor hat, der leider nicht operabel ist. Im ersten Moment hatte sie fest an einen Irrtum geglaubt und den Arzt nur ungläubig angestarrt. Das konnte nicht sein. Nicht sie. Das war schlicht unmöglich, es gab doch außer ihr niemand, der die Familie, Haus und Garten versorgt, mit den Kindern Hausaufgaben macht, sie zur Musikschule und ihren Freunden fährt und jeden Tag dafür sorgt, dass alles reibungslos läuft. Ihr Mann ist oft mehrere Tage dienstlich unterwegs; da konnte es nicht ausgerechnet sie treffen. Sie war doch unentbehrlich.
    Sie öffnete mehrmals den Mund, um etwas zu sagen, brachte aber keinen Ton über die Lippen. Dafür erwachte ihr Mann, der anfangs ebenso reglos dagesessen hatte, aus seiner Starre. „Geben Sie uns bitte eine Liste mit den besten Neurochirurgen. Es muss irgendjemand geben, der meiner Frau helfen kann; wenn nicht hierzulande, dann doch bestimmt in Amerika. Es stirbt doch heute kaum noch jemand an Krebs.“ bat er den Arzt.


    Da war es, das böse Wort. Krebs. Bisher hatte es noch niemand ausgesprochen. Während ihr Mann sein smartphone aus der Tasche kramte, um sich die Namen der Spezialisten zu notieren, die der Arzt ihm bestimmt gleich nennen würde, ließ sie das Wort auf der Zunge zergehen. Wer hatte das eigentlich so benannt? Sie hatte das Tier mit den 8 Beinen und zwei Scheren im Kopf - im wahrsten Sinne des Wortes -, das sich an Land so unbeholfen und langsam fortbewegt. Wahrscheinlich heißt die Krankheit deshalb so, weil sich der Tumor mit allen Beinen und Scheren fest an die befallenen Organe klammert und sich so festbeißt, dass man ihn nur schwer, oder gar nicht wieder los wird. Vom weiteren Verlauf des Gesprächs mit dem Arzt bekam sie nicht mehr viel mit. Das schien alles nicht sie selbst zu betreffen. Es kam ihr fast vor, als würden sie über jemand Fremdes reden.


    Im Laufe der nächsten Wochen und Monate hatte ihr Mann mit Hilfe des Internet und unterstützt von Freunden und Arbeitskollegen die Namen einiger bedeutender Onkologen und Neurochirurgen herausgefunden und war mit ihr zu den bekanntesten Spezialisten gefahren. Niemand konnte ihr helfen. Nicht in dem Sinn, den Krebs herauszuschneiden und sie so wieder gesund zu machen. In dieser Zeit war sie kaum zu Atem gekommen. Auf die Chemotherapie sprach der Tumor anfangs an und schrumpfte, aber seit einiger Zeit vergrößerte er sich wieder; eine Bestrahlung und OP kam aufgrund der Lage nicht in Frage. Konnte ihr wirklich niemand helfen?


    Anders, als ihr Mann, der die schreckliche Diagnose weiter zu ignorieren versuchte, fing sie an, zu überlegen, wie ihr Leben in den nächsten Wochen und Monaten aussehen würde, wenn die Krankheit fortschreitet. Wie lange würde sie überhaupt noch leben? Würden die Schmerzen so stark, dass sie sie nicht mehr aushalten und auch nicht mehr wirksam bekämpfen könnte? Bekäme sie überhaupt noch etwas mit, wenn der Tumor wichtige Bereiche ihres Gehirns erst nur beeinträchtigt und sie dann ganz lahmlegt? Könnte sie noch denken, sprechen, selbst entscheiden? Wie lange noch?


    Sie fragte sich, welchen Sinn das alles hat, hinterfragte ihren Glauben. Was hatte sie ver-brochen, dass Gott ausgerechnet sie - oder noch schlimmer - ihre Kinder so strafte? Sie haderte mit ihrem Schicksal und fing an, mit Gott zu handeln. Versprach im stillen Gebet, was sie alles Gutes tun würde, im Gegenzug zu ihrem Leben, oder wenigstens einem bißchen mehr Zeit. Aber auch diese Phase ging vorüber. Irgendwann im Herbst wurde sie ruhiger. Die Medikamente zwangen sie immer häufiger dazu, ihre normalen Hausfrauen-tätigkeiten ruhen zu lassen. Sie malte dann ab und zu und merkwürdigerweise ver-änderten sich mit ihr auch ihre Bilder. Anfangs waren es schreiende Farben und Formen gewesen, man konnte Wut und Verzweiflung aus ihnen lesen. Die neueren Bilder wurden friedlicher, die Farben sanfter und die Motive waren geprägt von einigen schönen Er-innerungen, fast so, als läße sie ihr Leben Revue passieren.
    Fast unmerklich hatten sich die Ziele verschoben. Jetzt stand nicht mehr im Fokus, die Krankheit zu besiegen. Es war Zeit für Plan B.


    Im letzten Monat, Ende November, hatte sie ihren Mann überredet, mit ihr und den Kindern ein paar Tage an die See zu fahren. Sie waren dort ganz allein, kaum jemand kam zu dieser Zeit in den kleinen Küstenort und endlich hatten sie Zeit, über ein paar wirk-lich wichtige Dinge zu reden. Anfangs hatte sich ihr Mann sehr gesperrt, aber sie blieb hartnäckig und so konnten sie trotz ihrer zunehmenden Erschöpfung sehr intensive Ge-spräche führen. Das Besiegen der Krankheit war war nicht mehr oberstes Ziel, jetzt rückten andere Dinge in den Vordergrund. Es war ihr wichtig, dass sie alle gut vorbereitet in die nächsten Wochen gehen würden. Nur dann, das spürte sie ganz genau, könnte sie ihre Angst bekämpfen und ihren Frieden finden; sie könnte loslassen. Die Gespräche mit ihren Kindern waren auf eine ganz eigene Weise traurig und ernst. Sie hatte solche Angst davor gehabt, aber die Kinder hatten ihre Ängste und Sorgen mit ihrer kindlichen Sensibilität erspürt. Kinder haben für so etwas andere Antennen. Obwohl in diesen Tagen viele Tränen geflossen waren, tat die Woche allen gut.


    Noch zwei Wochen bis Weihnachten. In den letzten Tagen hatte sie, immer, wenn ihre Kräfte es erlaubten, das Haus weihnachtlich geschmückt. Ihre Freundin hatte geholfen, Geschenke zu besorgen und sie hatte für jedes Familienmitglied einen liebevollen Brief geschrieben. Es würde ihr letztes Weihnachten werden. Sie wusste nicht genau, was auf sie zukommen würde und wie viel Zeit ihr noch blieb, oder ob es ein Leben nach dem Tod gibt, aber sie spürte, dass die Angst langsam einem noch ungewohnten Gefühl von Ruhe und Frieden Platz machte.

  • 14. Dezember 2010 von Amanita



    „Gereimtes eines Nicht-Gutmenschen“



    Wenn alles rennt und die Geschäfte stürmt,
    und dann im Schrank Geschenke türmt,
    ja - dann ist jene Zeit gekommen,
    es weihnachtet - hab ich vernommen.


    Der eigentliche Sinn, der kam abhanden,
    die „Zivilisierten“ - eine neue Definition sie fanden.
    Obwohl; ein jeder sehnt sich eigentlich,
    nach Menschen, welche fürsorglich.


    Ach; wo steht eigentlich geschrieben,
    dass Menschheit je wär stehengeblieben?
    Also lasst uns endlich handeln,
    und dieses Fest noch einmal wandeln.


    Anstrengung kostet es nun wahrlich nicht,
    wenn wir dem Umfeld gäben mehr Gewicht,
    Wenn plötzlich man sich heimelig fühlt,
    während im Keller zwischen Weihnachtsschmuck so wühlt.


    Dann denke an die vielen Nachbarn mal,
    vielleicht hat mancher keine Wahl,
    würd gerne in Gesellschaft sein,
    doch drum zu bitten, glaubt er, wär nicht fein.


    Dann gebe DU dir einen Ruck,
    und lad ihn ein auf einen Schluck!


    Wer jetzt sagt: „Ach; du Gutmensch, du“,
    „So lass uns doch damit in Ruh“,
    dem halte ich schlicht mal entgegen,
    dass hoffentlich er stets verwegen,
    auch im Alter traut sich dann zu suchen,
    nach Menschlein, die ihm bringen Kuchen,
    oder gar ihre Zeit dann mit ihm teilen,
    er stets bei ihnen kann verweilen.
    Wenn ihn die Einsamkeit dann hat erreicht,
    hab` ich vielleicht ihn doch erweicht.


    Dann, du lieber Leser - leider,
    bist du zu spät ein wenig g´scheider.
    In diesem Sinne, Frohe Weihnacht dir,
    und dass mehr Miteinander lockt dich heut` und hier!!!


    Copyright © 2010 by Amanita

  • 15. Dezember 2010 von Eskalina


    Rent your Weihnachtsmann



    Rumms Wumms Rumms Wumms, das Geräusch weckte mich am 3. Advent um genau 7:34 - an dem Tag, der nach langer Zeit mal wieder nur mir gehören sollte. Das ganze Haus bebte und meine Sammlung seltener Mundgeblasener westkirgisischer Sektkelche (in Kirgisien trinkt man eher Wodka, weshalb diese Gläser eine Rarität darstellen) vibrierte dazu in der Vitrine. Wütend sprang ich aus dem Bett und lief zum Fenster, obwohl ich schon wusste, was ich dort sehen würde – und genau da stand er, der Junge, den ich in den letzten Wochen hassen gelernt hatte. Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich bin keine Kinderhasserin, im Gegenteil, ich liebe süße kleine Kinder, aber dieser Knabe hier, war ein Sonderfall. Das sagte auch meine neue Nachbarin von Gegenüber und die musste es ja wissen, denn sie hat 5 Kinder großgezogen. Zugegeben, gesehen habe ich die Produkte ihrer Erziehung noch nicht seit sie hier wohnt, aber „sie sind alle was Anständiges geworden“ wie sie sagt. Nun stand er da draußen auf der Straße und ditschte seinen Ball gegen meine Hauswand. Als ich das Fenster aufriss, blieb er einfach stehen und schaute mich mit seinen hochbegabten Doppelverglasten Augen an. Der Mund stand ihm offen und ich holte schon Luft, um ihm das erstbeste Schimpfwort an den Kopf zu werfen, das mir in den Sinn kam, als sein Vater aus der Haustür trat. „Na, unterhalten Sie sich gut mit meinem Sohnemann?“ rief er mir zu und winkte freundlich. Ich rang mir ein gequältes Lächeln ab und schloss das Fenster wieder. Es war einfach unglaublich, dass dieser attraktive Mann solch einen missratenen Spross fabriziert haben sollte. Wütend stapfte ich die Treppe hinunter, um mir in der Küche einen Tee zu kochen. Draußen fielen die ersten Flocken und bald wäre mein Garten mit einer schönen weißen Schicht Schnee bedeckt. Dann würde ich endlich den niedergetrampelten historischen Rosenstrauch nicht mehr sehen und auch die Spuren, die die herabgefallenen Terrakotta -Töpfe auf meinen Designer -Terrassenfliesen hinterlassen hatten, wären bedeckt. Nur die Ruine des abgebrannten Vogelhäuschens würde noch hilflos vom abgeknickten Ast des kleinen Rotdorns baumeln und mich täglich an den Verursacher dieses Schadens erinnern – wenn er selbst es nicht tat, so wie heute Morgen…
    Mit der Teetasse in der Hand öffnete ich die Haustür und zog meine Zeitung aus dem Briefschlitz. Als ich mich umschaute, stand er schon wieder oder immer noch da und hatte den Mund offen. Ohne ihn eines weiteren Blickes zu würdigen ging ich wieder ins Haus, setzte mich in meinem Lieblingssessel und schlug die Zeitung auf. Zuerst lese ich immer die Todesanzeigen, man will ja auf dem aktuellen Stand sein, doch an diesem Tag fanden sich nicht viele Annoncen und fast hätte ich die Seite umgeblättert, als mein Blick auf eine Kleinanzeige fiel. „Rent your Weihnachtsmann“ stand dort in bescheidenen Lettern. “…wollen Sie ihre Familie oder die Nachbarn überraschen? Unsere Weihnachtsmänner verstehen sich als Dienstleister und geben eine Zufriedenheitsgarantie!“


    - Die nette Dame von der Agentur „Rent your Weihnachtsmann“ war ein wenig verstört, als ich ihr meinen Wunsch erklärte und meinte nur, solch einen Weihnachtsmann hätte sie nicht im Angebot. Als ich schon drauf und dran war, mich enttäuscht zu verabschieden, meinte sie, eventuell könne sie mir doch weiter helfen, aber das müsse dann absolut unser Geheimnis bleiben. Ich schwor es bei allem, was mir gerade einfiel und versprach, ihrer Firma im Internet für Freundlichkeit und Service 5 Sternchen zu geben. Sie habe da eine Aushilfskraft, er sei eigentlich ein arbeitsloser Lehrer aus der ehemaligen Sowjetunion und da hätten sie ja ganz andere Erziehungsmethoden gehabt, als in unserem Land und der könne eventuell…gegen einen kleinen Aufpreis…


    Es war Heiligabend und wir strömten aus der Kirche. Fast hatte ich schon nicht mehr an meine Bestellung gedacht, doch als ich mich umschaute, sah ich meinen Quälgeist hinter seinen Eltern her schleichen. Er hatte einen Gameboy in der Hand und spielte im Gehen, ohne etwas von seiner Umgebung wahrzunehmen. Langsam kam die Familie in meine Nähe. Die Eltern voran und hinter ihnen die Nervensäge, die immer weiter zurück blieb, ohne dass seine Erzeuger etwas bemerkten.
    Plötzlich schoss aus dem Schatten eines Baumes eine Hand hervor. Sie steckte in einem roten Ärmel und griff sich das Bürschchen, das kurz desinteressiert den Blick hob, dann aber gleich wieder auf den winzigen Bildschirm starrte. „Hohoho“ rief der Weihnachtsmann, der nun ganz aus dem Schatten getreten war. „Waaas du da chaast?“ „Ein Spiel“ sprach der Knabe und setzte seinen Weg fort. „Du auch brrrrav gäwäsän lätztä Jahr?“ Fragte der Weihnachtsmann und stellte sich mitten auf den Weg, um wenigstens etwas Aufmerksamkeit zu erhalten. Fast tat er mir leid. Ich spähte vorsichtig aus meinem Versteck, das ich eingenommen hatte, um die Szene zu beobachten und grinste. „Waist du, in meinäm Land, wänn Kindärr nicht brrrav, sie kommän in schwarzä Kistä und…“ jetzt klang etwas Bedrohliches in seiner Stimme und ein wenig mulmig wurde mir schon - er sollte dem Jungen ja nur einen kleinen Schrecken einjagen und ihm Respekt vor seinen Nachbarn beibringen. Der Weihnachtsmann griff nach dem Gameboy und riss ihn aus den kleinen Händen. Nun hatte er tatsächlich die volle Aufmerksamkeit des Kindes. „Na ja…“ begann der Junge plötzlich und ich war ganz erstaunt, dass er auf einmal doch auf den Weihnachtsmann einging „ Also nicht ganz brav - wir haben da eine Nachbarin und egal, was ich mache, ich mache alles falsch.“ Ich glaubte meinen Ohren nicht zu trauen. „Ich finde sie echt nett und sie sieht richtig gut aus, sagt mein Vater und der kennt sich ja damit aus, aber immer, wenn ich in ihrer Nähe sein will, dann passiert mir was. So wie neulich, als mir der Böller, den ich auf die Straße werfen wollte, direkt in ihren Garten flog und das Vogelhäuschen abfackelte, oder als ich von ihrem Rosenbusch eine Rose abschneiden wollte und sie ihr hinter die Scheibenwischer klemmen wollte, da bin ich voll ausgerutscht und in den Busch gefallen. Manchmal da werfe ich einfach den Ball gegen ihre Hauswand, damit sie mich mal ansieht, aber freundlich ist sie dann nicht wirklich. Also brav war ich nicht, das muss ich zugeben.“ Er hatte die ganze Zeit zu Boden geschaut, als ob er sich schämte und ich wurde plötzlich von einer Welle Mitleid überflutet. „Und dabei will ich sie doch heiraten, wenn ich groß bin!“ sagte er mit zitternder Stimme zu dem stummen Weihnachtsmann. Ich schmolz dahin. Das Leben besteht aus einer Reihe von Missverständnissen. Dieses zarte engelsgleiche Wesen erfüllte mich mit Wärme und Zuneigung und ich trat aus dem Versteck, riss das Kind an mich und gab dem Gameboy spielenden Weihnachtsmann eine Ohrfeige. „Wie können Sie nur das arme Kind so erschrecken!“ „Komm, wir gehen deine Eltern suchen.“
    „Und Sie, Sie sollten mal besser üben, wie sich ein echter Weihnachtsmann verhält, Sie Blödmann!“ Mit dem Kind an der Hand rauschte ich an ihm vorbei.
    Wie kann man nur solche Weihnachtsmänner auf unschuldige Kinder loslassen!

  • 16. Dezember 2010 von Leseratte87


    Die wahre Botschaft von Weihnachten



    „Schon als Kind liebte ich Weihnachten. Es war einfach die schönste Zeit des Jahres. Ich wuchs in einer glücklichen Familie auf, die schöner nicht sein konnte. Sie bestand aus mir, meinen Eltern und meiner kleinen Schwester. Auch wenn sie mich manchmal wahnsinnig machten, und es Streitereien gab – ich liebte sie. Sie waren immer für mich da, wenn ich sie brauchte. Wenn ich eine schlechte Note schrieb, musste ich keine Angst haben, nach Hause zu kommen. Meine Eltern wussten, dass ich mir Mühe gab, um gut in der Schule zu sein. Sie vertrauten mir, und sagten, eine schlechte Note ist keine Schande. Dann schreibe ich das nächste mal eben eine bessere. Und auch bei anderen Problemen konnte ich immer zu meinen Eltern kommen. Sie lachten nicht über meine Ängste, sondern nahmen sie ernst. Ein wunderbares Gefühl! Ich fühlte mich bei ihnen wohl, sicher, geborgen. Wie eine Familie eben sein sollte.
    Die Weihnachtszeit war was ganz besonderes. Meine Mutter und ich bucken zusammen Plätzchen, dabei lachten wir, und alberten rum. Zusammen mit meiner Schwester schmückte ich den Weihnachtsbaum. Dabei stritten wir uns auf freundschaftliche Weise, wer was aufhängen durfte. Dabei gab es kleine Zickereien, aber wir sahen es als Spiel. Zusammen mit ihr überlegte ich, was wir unseren Eltern schenken könnten. Stolz haben wir unser Taschengeld gespart, um unseren Eltern von unserem Geld etwas Schönes zu kaufen. Es war eine wunderschöne Zeit, an die ich gerne zurück denke. Die ganze Wohnung roch köstlich nach Zimt und Gewürzen. ..
    Irgendwie war ich immer fest davon überzeugt, dass es in jeder Familie so harmonisch zuging. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass es anders sein könnte.


    Als ich 12 Jahre alt war, sollte unsere Tante auf meine Schwester und mich aufpassen. Sie sagte, sie hätte ein besonderes Geschenk für uns. Wir waren ganz aufgeregt: ein außergewöhnliches Geschenk, oder etwas ganz anderes? Ein Haustier vielleicht? Sie wollte uns nichts Genaueres sagen, also setzten wir uns alle in ihr Auto, und sie fuhr los. Ich schaute aus dem Fenster, und war vor Aufregung ganz hibbelig. Meiner Schwester ging es genauso, und zusammen tuschelten wir, was es nur sein konnte.
    Wir waren dabei so beschäftigt, dass wir gar nicht merkten, dass unsere Tante geparkt hatte, und sich zu uns umdrehte. Sir lächelte uns an, und sagte, wir könnten aussteigen. Das ließen wir uns nicht zweimal sagen, und sprangen aufgeregt aus dem Auto… und waren erstaunt. Denn vor uns sahen wir ein schäbiges Gebäude, von dem die Farbe langsam abblätterte. Und davor standen lauter Menschen, die ärmlich aussahen. Ihre Kleidung hatten schon bessere Tage gesehen, und viele waren abgemagert. Wir wollten schon unsere Tante fragen, wo wir waren, doch sie schwieg geheimnisvoll, und nahm uns nur an die Hand. Zusammen gingen wir in das Gebäude, stellten uns in eine Ecke, wo wir alles genau beobachten konnten, und nun begann unsere Tante zu reden. Sie erklärte uns, dass nicht alle Menschen so ein gutes Leben wie wir führten. Viele waren arm oder durch Schicksalsschläge heimatlos geworden. Sie lebten auf der Straße, hatten nichts zu essen, froren, und wussten nicht, was der nächste Tag brachte. Das hier sei eine Essensausgabe, wo diese Menschen eine warme Malzeit bekommen konnten. Sie sah uns an, und fragte uns, ob wir nicht mit manchen dieser Menschen sprechen wollten. Wir waren verwirrt, und auch verängstigt, und so nicken wir nur.


    In den nächsten Stunden veränderte sich unsere heile Welt, in der wir lebten. Wir erfuhren von diesen armen Menschen, was sie zu ihrem Schicksal geführt hatte, wie sie lebten, und was sie erlebt hatten. Manche sprachen von Misshandlungen in der Familie, andere von einem Elternteil das viel trank...
    Wie hörten aufmerksam zu, und langsam begannen wir zu begreifen. Das war das Geschenk von unserer Tante. Sie wollte uns zeigen, wie gut wir es hatten. Und wir begriffen, wie gnädig unser Schicksal war. Das war wirklich ein besonderes und kostbares Geschenk, dass man mit keinem Geld der Welt kaufen konnte! Wir schämten uns ein wenig. Während wir zu Weihnachten Geschenke bekamen, und genug zu essen hatten, hungerten diese Menschen, die froh waren, eine warme Speise am Tag zu bekommen.
    An diesem Tag wurde eine neue Tradition geboren. Von nun an begannen, meine Schwester, ich und unsere Tante, in der Weihnachtszeit, Essen zu spenden, und ein paar Stunden in der Essensausgabe zu arbeiten. Wir unterhielten uns mit den Menschen, und versuchten, ihnen wenigstens diese heilige Zeit ein wenig zu versüßen. Denn das war die wahre Botschaft von Weihnachten: Den Menschen zu helfen, die es nicht so gut hatten, wie wir.“


    Lena schaute auf, uns sah sich in ihrer Klasse um. Die Mitschüler schauten sie gespannt an, und schienen von ihrem Referat gefesselt. Sie sah zu ihrer Lehrerin, die sich eine Träne aus den Augen wischte. Lena begann zu lächeln, als kurz darauf, die ganze Klasse vor Begeisterung anfing zu klatschen.


    Ende

  • 17. Dezember 2010 von hef


    Weihnachten fällt aus


    Protokoll vom 2010-17-12


    Anwesende:


    Christkind als Vorsitzende
    Weihnachtsmann: Deutschland
    Sinte Klaas: Holländisch-Flämischer Sprachbereich
    Saint Claus: Frankreich
    Väterchen Frost: Russland und Artverwandte Staaten
    Father Christmas: Nordamerika


    "Die Sitzung zur Schlichtung ist hiermit eröffnet", hauchte die Vorsitzende und brachte ihre Flügel in Ordnung.
    "Tagesordnungspunkt: Der Streik der Weihnachtsmänner. Anhörung und Schlichtungsversuch."


    Christkind ordnete ihr Gefieder erneut und versuchte zu lächeln.
    "Meine Herren, bringen Sie bitte Ihre Bedenken vor. Bedenken Sie aber bitte, dass wir der Reihe nach vorgehen ... nachdem mich Coca-Cola schon seit 1930 als Ihre Vorgängerin aussortiert hat, wird der Dienstälteste unter Ihnen beginnen. Bitte, Weihnachtsmann. Wo klemmt es? Warum wollen Sie dieses Weihnachten streiken? Sie haben doch Aufträge ohne Ende. Die Konjunktur brummt. Das müsste Sie doch nach der langen Rezession wieder glücklich machen."


    Weihnachtsmann strich sich den Bart.
    "Genau da liegt doch das Problem", jammerte der alte Mann.
    "Seit fünf Jahren bekomme ich vom Sozialamt Asylanten als Knecht Ruprecht zugewiesen. Die verstehen kein Wort. Stinken nach Knoblauch und sehen wirklich zum Fürchten aus. Außerdem pennen die immer, weil sie Nebenjobs ohne Zahl haben und ich mache die Arbeit. Alles nur, weil diese blöde Gewerkschaft einen Beifahrer vorschreibt. Weiterhin stinkt mir, dass ich nach 160 Jahren Dienstzeit noch einmal sieben weitere arbeiten soll um Rente zu bekommen. Mir tun die Knochen weh. Ich streike."


    Christkind notierte die Aussagen und nickte. "Der nächste bitte. Was hat Sinte Klaas vorzubringen?"


    "Bei mir ist es ähnlich. Nur Hilfspersonal. Aber damit können wir in Holland umgehen. Mich treibt in den Wahnsinn, dass meine Rentiere inzwischen auch geleast sind. Bei Rent-an-animal. Lauter Viecher, die kein Schlachthof mehr haben will. Für jede Fuhre brauche ich dreimal so lange. Bis ich die letzte Bescherung geliefert habe, ist bereits Neujahr. Das mache ich nicht mehr mit. Dafür bin ich zu alt. Ich streike auch."


    Weihnachtsmann drehte sich zu seinem holländischen Kollegen:
    "Du bist doch schon längst in Rente. Also hast du doch Zeit. Lass es gemütlich angehen, sonst bleibst du noch mit einem Herzinfarkt im Kamin stecken."Er lachte.


    Saint Claus: "Mon Dieu, isch `abe das gleische Problem. Nix wie Marroks und Algerie als personel. Jetzt noch Sudan und ander l´etat Africain. Mon probleme ist, dass ich nicht bekomme Navi. Jedes Weihnacht´ eine andere Strecke. Ich suche mich zu Tode. Und jetzt auch noch Rente erst mit 62? Pas avec moi. Da muss ich doch streiken. N´est pas?"


    Christkind notierte alles und wischte sich die ersten Schweißtropfen von der Stirn .


    "Und du, Väterchen Frost. Welche Probleme hast du? Funktioniert euer Sozialismus nicht mehr. Fehlt es dir auch an vernünftigen Zugtieren, an Personal, einem Navi? Quietschen deine Kufen etwa?"
    "Nichts von dem", knurrte Väterchen Frost und erwürgte seine rote Zipfelmütze. "Ich habe ein ganz anderes Problem. Die Mafia."
    Christkind: "Die Mafia? Was hat die damit zu tun? Die ist doch nicht christlich?"
    Väterchen Frost: "Eben. Die unterbieten mich in allem. Den Frachtraten, den Geschenken, die sie bei den Chinesen fertigen lassen. Unsere Produktion ist einfach zu teuer geworden. So mache ich nicht weiter. Ich verweigere den Einsatz, wenn ich nicht entsprechende Subventionen bekomme."


    Christkind wirkte jetzt sichtbar entnervt. Weihnachten drohte auszufallen.
    "Und du, Father Christmas, was hast du für Katastrophen zu vermelden?"
    Der X-mas Mann zauste seinen Bart. "Keine, Frau Vorsitzende. Mein Leittier Rudi hat sich erholt, die Preise stimmen. Ein GPS habe ich schon seit zehn Jahren und mein Mexikaner ist billig und willig. Rente bekomme ich ohnehin nicht und die miesen Straßen interessieren mich nicht mehr, seit ich einen deutschen Schlitten habe."


    Christkind lächelte erleichtert. "Und, warum bist du dann unter den Streikenden? Könntest du nicht mit eurer weltberühmten Logistik die Gebiete der anderen übernehmen? Das ist doch euer Spezialgebiet. Oder sehe ich das falsch?"


    Father Christmas streichelte seinen Bauch und schüttelte den Kopf. "Könnte ich, Frau Vorsitzende. Das wäre für mich kein Problem. Aber ..."
    "Was aber?", fragte das Christkind.
    "Wir sind es gewöhnt, dass dann von den anderen auch alle Kosten plus einer doppelten Entschädigung gezahlt wird. Sonst stehe ich auch nicht zur Verfügung."


    Christkind wische sich den Schweiß aus dem Gesicht und drehte die Augen zum Himmel: "Petrus hilf. Ich weiß nicht mehr weiter ..."


    Stimme aus dem OFF: "Hier ist der himmlische Anrufbeantworter von Petrus. Ich befinde mich vom ersten bis einunddreißigsten Dezember 2010 im Urlaub. Bitte hinterlassen Sie mir eine Nachricht. Ich melde mich, sobald ich zurück bin."

  • 18. Dezember 2010 von Voltaire


    Das Weihnachtsmannkreativ-Programm 0


    Eigentlich ist es egal wie es mich traf, es ist auch egal wo es mich traf – nicht egal aber ist, das es mich traf und das auch noch völlig unvorbereitet. Dieser Treffer sollte Folgen, weitreichende Folgen.


    Mir wurde schwarz vor Augen, dunkelschwarz.


    Keine Ahnung wie lange es dauerte, dass ich wieder zu mir kam. Als ich die Augen öffnete schien etwas mit meinem Orientierungssinn passiert zu sein. Ich hatte keine Ahnung wo ich war und wer ich war, da schien auch Zweifel zu bestehen.


    Ich schaute mich um. Der Raum in dem ich mich befand war eingerichtet wie ein Salon aus den zwanziger Jahren. Wobei ich sagen muss, dass ich derartige Salons nur aus dem Fernsehen kannte. Der ganze Raum wirkte wie eine Hommage an den Fransenwahn der Zwanziger. Überall Fransen.


    Dann bemerkte ich ihn. Er saß hinter einem voluminösen Schreibtisch und schaute mich durch seine Brille prüfend an. Unter diesem kritischen Blick wurde mir unbehaglich. Hatte ich irgendetwas angestellt von dem ich nichts mehr wusste? War ich in irgendwelchen Schwierigkeiten?


    „Guten Tag.“


    Freundlich klang das aber nun wirklich nicht. Und auch der Gesichtsausdruck der diese beiden Worte begleitete hatte mehr etwas von dem Flair eines bissigen Rottweilers.


    „Sie wissen sicher nicht wo Sie sind, oder?“


    Ich verneinte.


    „Sie sind hier im Weihnachtsmannkreativ-Amt. Ich bin Ruppy, der Leiter dieses Amtes. Sie wurden in diesem Jahr ausgesucht, dass Erscheinungsbild des Weihnachtsmannes zu prägen und festzulegen. Lassen Sie sich gesagt sein, dass das hier ein sehr ernstes Unterfangen ist. Ihre Entscheidung ist unabänderlich – Rechtsmittel können von dritter Seite nicht eingelegt werden. Versuchen wenigstens einmal etwas ernsthaft zu sein.“


    Immer diese präventiven Vorwürfe.


    Ruppy machte eine Pause. Ich versuchte meine Gedanken zu ordnen, sie in irgendeine vernünftige Form zu bringen. Offenbar träumte ich.


    „Sie sehen vor sich einen PC. Auch wir hier im Weihnachtsmannkreativ-Amt verschließen uns den technischen Errungenschaften nicht. Allerdings finden Sie auf diesem PC nur ein Programm, das Weihnachtsmannherstellungsprogramm. Sie werden Schritt für Schritt durch dieses Programm geführt und können eigentlich nichts falsch machen. Obwohl, bei Ihnen bin ich mir da nicht so sicher.“


    Er schaute mich an.


    „Fragen?!!!“


    „Könnte ich wohl etwas zu trinken bekommen?“ Vor meinem geistigen Auge erschien eine Flasche trocknen Rotweins.


    „Sofort.“


    Ehe ich mich versah standen Flasche und Glas vor mir. Ein Gedankenleser.
    Ich schenkte mir ein. Welch ein Tropfen!!!


    „Vielleicht sollten Sie erst ihren Job machen.“


    Ich hasse Ermahnungen die in einem altväterlichen Tonfall vorgetragen werden. Nun erst Recht. Schnell war die Flasche zur Hälfte geleert. Ein wenig, vielleicht auch etwas ein wenig mehr merkte ich den Alkohol.


    Ich schaltete den PC ein und sofort erschien das angekündigte Programm.


    Es war wirklich kinderleicht.


    Für jedes Detail gab es eine riesige Auswahl an Gestaltungsvorschlägen. Nach etwa zwei Stunden war ich fertig.


    Ein Hinweis erschien:
    „Drücken Sie Enter wenn Sie Ihre Arbeit beendet haben. Bitte denken Sie daran, dass eine Nachbesserung nicht mehr möglich ist. Wollen Sie nicht etwas korrigieren? Wenn Nein dann drücken Sie jetzt Enter.“


    Ich drückte Enter.


    Und das war mein Weihnachtsmann, zusammengestellt aus den Vorschlägen dieses Programms.


    Eine hübsche Blondine, gekleidet in ein kurzes rotes Minikleidchen mit silbernen Pelzaufsätzen, dazu Overknees mit waffenscheinpflichtigen Absätzen. Der Ausschnitt des Kleidchens hatte zudem auch so seinen gewissen Reiz.


    Ich betrachtete mein Werk. Vielleicht hätte ich doch keine zweite Flasche Wein nachordern sollen. Aber egal – nun war es spät solche schwerwiegenden Überlegungen anzustellen.


    Und dann wurde mir wieder schwarz vor Augen – und wieder dunkelschwarz.


    Als ich die Augen aufschlug lag ich in meinem Bett. Es war also alles ein Traum gewesen, wie sollte es auch anders sein.


    17 Uhr am Heiligabend. Meine Frau und mein Sohn brachten noch die letzten Änderungen in schmücktechnischer Hinsicht am Weihnachtsbaum auf den Weg als es an der Tür schellte.


    „Mach mal bitte auf“, bat ich meinen Sohn.


    Der Zehnjährige lief zur Tür und ich hörte ersteinmal nichts mehr.


    Dann nach einer kleinen Weile:


    „Papa, kannst du mal kommen……..“


    Ich ging zur Tür und schaute auf meinen Sohn, der mit offenen Mund und staunenden Augen zur Tür schaute. Und als ich sah was er sah, da staunte ich auch und auch mein Mund schien sich nicht mehr schließen zu wollen.


    Vor der Tür stand eine hübsche Blondine, in einem kurzen roten Minikleidchen, dazu angetan mit Overknees deren Absätze waffenscheinpflichtig waren. Vor sich hatte dieses Mädchen – oder muss man Weihnachtsmännin sagen – den Gabensack.


    „Frohe Weihnachten! Ich bin der Weihnachtsmann.“


    Diese Stimme setzte dann allem aber die Krone auf. Das Mädchen – oder die Weihnachtsmännin – sprach mit dem tiefsten Männerbass den ich je gehört hatte.


    Selbstgebasteltes zu Weihnachten ist halt durch nichts zu ersetzen.

  • 19. Dezember 2010 von magali


    Der GAU


    10.45 Uhr:


    Allegra erstarrte unter der Küchentür und preßte ihren Unterarm auf die Augen. „Vier Kerzen!“ fauchte sie. „Macht sie aus.“
    „Meine Teelichter!“ heulte Leander auf. „Das kein Adve... .“ Er klappte schnell den Mund zu.
    „Blas zwei aus, Leander, sei lieb.“ Madeleine wandelte seit dem neo-feministischen Sommerkurs 'Der Gebeugte Nacken der Göttin: Die starke Seite der weiblichen Demut' auf den Pfaden der alliebenden Großen Mutter.
    „Ich trinke meinen Grüntee nicht lauwarm!“ Leanders frisch gegelte Locken bebten bedrohlich. Madeleine unterdrückte ein vorwurfsvolles Zungenschnalzen.
    Konstantin räusperte sich. „Hier werden Besitzstände verteidigt. Darüber müssen wir diskutieren. Dialektisch, bitte.“
    „Ich will nicht diskutieren.“ Allegra tastete mit halbgeschlossenen Augen nach ihrem Stuhl. „Ich will Kaffee.“ Es kam als ‚Chillnichdiskaff’ heraus, aber Madeleine lehnte sich sofort zurück und drückte auf den Knopf der Espressomaschine. „Hab den Tab schon für dich reingelegt.“ Sie lächelte gütig.
    Allegra grunzte. „Das erste, was ich heute morgen gesehen habe, war der Kalender.“ Sie weinte fast. „Wir haben den vierten Advent.“
    Bedrücktes Schweigen schlich durch die Küche, das erst vom Geklapper von Münzen in einem Holzkästchen unterbrochen wurde. „Macht einen Euro.“ Leander schubste das Kästchen über den Tisch. „Du hast es ausgesprochen.“ Er grinste rachsüchtig.
    „Ich hasse Weihnachten!“ zischte Allegra.
    „Und zwei Euro dazu“, sagte Leander kühl. „Das ‚W’-Wort.“
    „Nicht, wenn es zusammen mit einem negierenden Ausdruck gebraucht wird“, widersprach Madeleine. „Dadurch wird der Kontext negativ ...“
    Die anderen stöhnten. „Keine linguistische Vorlesung beim Frühstück.“
    „Die Diskussion“, mahnte Konstantin.
    Madeleine schielte nach dem Schoko-Karamel-Macadamia-Muffin. Ihr lila Bench-Sweatshirt saß seit zwei Wochen schon verdammt eng. Die Kaffeemaschine beendete zischend ihr Werk. Dankbar über die Ablenkung angelte Madeleine nach der Illy Cappuccino-Tasse. „Hier“, sagte sie mütterlich. „Es sind böse Zeiten für uns alle.“
    Allegra hob die Tasse mit zitternden Fingern an die Lippen, trank und schluckte. „Ich ziehe den Antrag zurück.“
    Konstantin ließ seine blauen Augen um den Tisch wandern. „Ich hoffe, keiner hat vergessen, worum es geht?“
    Einträchtiges Kopfschütteln. „Natürlich nicht, Konstantin! Es ist eine Schande!“
    „Es verhindert die Entstehung eines revolutionären Bewußtseins.“
    „Falsche Sentimentalität als Mittel der weltweiten Ausbeutung!“
    „Weißzucker macht uns weich!“ Das war Madeleine.
    Konstantin musterte sie reihum eindringlich. Sie wollten eine neue Weltordnung! Sie verweigerten die Regeln der alten, sie stemmten sich mit aller Macht dagegen. Über ihre Schwelle drang kein Hauch der widerlichen Flut, die derzeit Hirne und Herzen vergiftete. Leander hatte vorgestern eine fast volle Flasche Franzbranntwein weggeleert, weil er nach Fichtennadeln roch. Ihr Fundamentalismus ließ die Taliban aussehen wie Waisenknaben.
    Leander wartete auf Konstantins Entscheidung. Konstantin hatte es geschafft, gegen jede Bestimmung der Bologna-Reformen ohne Sanktionen dreimal in vier Semestern das Studienfach zu wechseln. Für Leander, drittes Semester Jura, war Konstantin ein Held.
    Durch den Spalt des halbgeöffneten Küchenfensters drangen erste Klänge ferner Musik. Madeleine und Leander schossen gleichzeitig auf, Allegra war nur um Sekunden langsamer. Leander drückte mit einem Knall das Fenster zu, Madeleine zog den Griff herunter, Allegra ordnete die Vorhangfalten.
    „Verdammter, hm, Y-Markt im Park“, sagte Leander mit tiefem Gefühl, aber holprig. Aus finanziellen Gründen wollte er in diesen Tagen weder den Buchstaben ‚W’ noch ‚X’ riskieren. Gemeinsam drehten sie sich zu Konstantin um. Ihr Vordenker, dessen blondbärtiges Gesicht eine gewisse Ähnlichkeit mit dem des letzten Zaren aufwies, erlaubte sich, die Lippen zu einem Lächeln schwacher Anerkennung zu verziehen.
    „Warum haßt du ‚Y’ so?“ entfuhr es Allegra. Madeleine schlug die Hand vor den Mund. Niemand hatte bislang gewagt, diese Frage zu stellen. Konstantin setzte sich aufrechter hin. „Ich mußte als Kind jedes Jahr ‚Stille Nacht’ spielen. Auf der C-Flöte. In der Aula, vor der ganzen Schule.“
    Entsetztes Schweigen breitete sich aus. Nun war alles klar. Die Antwort auf ein solches Trauma, das da eine Kinderzeit aufs Schwärzeste verdüstert hatte, konnte nur mit der Forderung nach schleuniger Enteignung sämtlichen Privatbesitzes beantwortet werden. Vornehmlich schriller Kinderflöten.
    Mit Tränen in den Augen schob Madeleine das letzte Muffin über den Tisch. Konstantin verzehrte es ergriffen.


    15 Uhr


    Leander lugte vorsichtig in den Flur. Auf Zehenspitzen, was ihm in seinen spitz zulaufenden Mezcalero Boots nicht leicht fiel, ging er zur Garderobe, wo er ein Päckchen in seiner Manteltasche verschwinden ließ. Er drehte sich hastig um, als eine andere Tür aufging.
    „Du gehst raus?“ fragte Allegra, eine wenig intelligente Frage an jemanden, der eben seinen Mantel zuknöpft. Sie errötete. Seit sie entdeckt hatte, daß die dunkelblauen Calvin-Klein-Boxershorts im Wäschetrockner Leander gehörten, hatte sie Lust, ihn abzuschleppen. Leander brummte etwas Unverständliches und zog den Schal zurecht. Sie legte etwas auf das antike Garderobenschränkchen.
    „Briefe geschrieben?“ Leander kniff mißtrauisch die kurzsichtigen braunen Augen zusammen.
    „Ämterkram“, sagte Allegra leichthin und schlüpfte in ihre lackblaue Hugo-Boss-Daunenjacke. „Unterlagen für die Analysis-II - Prüfung.“
    Leander reckte sich, um über ihre geschickt vorgeschobene Schulter zu sehen. Die Briefmarken zeigten harmlose Blumenmotive. „Ist da ein bunter Aufkleber?“
    „Bunt?“ Allegra klopfte das Häufchen zurecht. „Irgendwo habe ich rot ‚Nicht knicken’ draufgeschrieben.“ Ihre Stimme schwankte kaum.
    Noch eine Tür ging auf, Madeleine trabte heraus. Sie war in vollem Adidas - Outfit, das farblich keine Zweifel an ihrer Überzeugung aufkommen ließ. Nur die Nikes waren neongrün, lila war ausverkauft gewesen. „Ihr geht raus?“ fragte sie anklagend.
    „Briefkasten“, sagte Allegra.
    „Bahnhof“, sagte Leander fast gleichzeitig. Die beiden Mädchen wandten sich ihm erstaunt zu. „Ein Buch ins Schließfach bringen“, erklärte Leander überstürzt. Madeleine warf einen Blick auf die deutlichen Ausbuchtung seiner rechten Manteltasche. Er zwang sich zu einem lässigen Schulterzucken. „Ich habe es euch noch nicht gesagt, ich fahre schon am 22. Direkt von der letzten Vorlesung zum Zug. Ich lagere die Sachen im Schließfach, dann habe ich nicht soviel zu tragen.“
    Madeleine zog die Augenbrauen zusammen. Der Weg von der Universität zum Bahnhof führte unweigerlich an ihrer Wohnung vorbei. Sie öffnete den Mund.
    „Du warst beim Germanisten-Y-Kaffee“, sagte Leander mit einem gemeinen Ton der Stimme.
    „Ich mußte!“ verteidigte sich Madeleine tief getroffen. „Das war Gewalt. Ich bin Hilfskraft.“
    Leander wollte etwas erwidern, als sich die vierte Tür öffnete. Ein hellblaues und zwei braune Augenpaare wurden weit vor Staunen. Konstantin trat in den Flur. Auf seinem blonden Haupt thronte eine Pelzmütze, die, wie der pakistanische Händler radebrechend, aber überzeugend versichert hatte, direkt aus Moskau stammte. Der strenge Sechziger-Jahre-Schnitt seines Wintermantels hätte Breschnew Tränen in die Augen getrieben. Seine Brust erreichte nicht das Format der des unvergessenen großen Führers der Sowjetunion, aber ihr Schmuck machte das wett. Der Stern der Volksrepublik Rumänien prangte über dem Orden des Roten Sterns. Ein Stückchen Bronze mit Sonne und Ähre zeichnete ihn als hervorragenden Genossenschaftler aus, ein anderes ehrte ihn für gute Arbeit im Kompaßwettbewerb der FDJ. Eine prächtige Medaille, sein Lieblingsstück, ernannte ihn zum Kollektiv sozialistischer Arbeit. Darüber sträubten sich Marx die Haare, während Engels sich wie gewohnt damit begnügte, die Lage streng zu beobachten.
    „Ich gehe“, verkündete Konstantin, „in den Park.“
    Sie holten so tief Atem, daß die Luft im Flur knapp zu werden drohte.
    „Eine neue Strategie“, fuhr Konstantin fort. „Der Park gehört dem Volk. Kein Elchgeweih aus Plastik wird uns fernhalten“, endete er im Tonfall eines Danton auf den Stufen zur Guillotine.
    „Und kein Glühwein.“ Leander schloß ohne Zögern auf. Er leckte sich über die trockenen Lippen. Allegra war mit einem Schritt an seiner Seite. „Keine Bratwurst.“ Sie schluckte, ihr Speichelfluß war plötzlich angeregt.
    Madeleine zog den rundlichen Bauch ein. „Und keine gebrannten Mandeln!“ Sie ertappte sich bei einem seligen Lächeln, rasch runzelte sie die Stirn.
    Fast im Gleichschritt liefen sie die Treppen hinunter. ‚Gloooooria’, erscholl es hinter einer Wohnungstür, die unter dem Gewicht eines bis zum Anschlag dekorierten Tannenkranzes von gut sechzig Zentimetern Durchmessern ächzte. ‚Gloooria. In excelsis de-o!’ Sie verzogen keine Miene.
    Durch das Jugendstilfenster auf dem letzten Absatz schien das blasse Licht des Dezember - Nachmittags. Ein Strahl fiel auf einen kleinen Button an Konstantins Mantel. Sein ursprüngliches Rot war verblaßt, die Abbildung darauf fast unsichtbar geworden. Für einen kurzen Augenblick trat sie deutlich hervor. Sie zeigte in schlichten schwarzen Linien Lenin mit Ballonmütze und winterlichem Fellkragen. Lenin lächelte wissend.

  • 20. Dezember 2010 von polli


    Der Adventskalender


    Wenn ich einen Weihnachtswunsch zum Verschenken frei hätte, dann wünschte ich euch eine weise, alte Tante, die milde auf euer Leben blickt und für alles, was ihr berichtet, einen passenden Spruch bereithält. „Geben ist seliger denn Nehmen“, das sagte Tante Mia zu mir, als sie mir ihren selbst gebastelten Adventskalender überreichte. „Du findest keine Schokolade hinter den Türen, sondern Überraschungen, die ich mir für dich ausgedacht habe. Es hat mir sehr viel Freude bereitet, diesen Kalender zusammenzustellen, und nun wünsche ich dir viel Freude in den nächsten Wochen bis Weihnachten.“
    Ich zähle euch jetzt nicht alle zwanzig bisherigen Überraschungen auf, nur ein paar, damit ihr euch ein Bild von Tante Mias Ideen machen könnt. An einem Tag zum Beispiel fand ich dies: „Ohne Musik wäre unser Leben ein Irrtum (Friedrich Nietzsche). Singe morgen mit mindestens fünf unbekannten Menschen ein besinnliches Lied.“
    Tja, Tante, diese Aufgabe habe ich so gut bewältigt, dass mich die Kassiererin heute noch anlächelt, sobald sie mich im Laden in der Bahnhofstraße entdeckt. Ich hatte nämlich in der Schlange vor der Kasse begonnen, ein Weihnachtslied zu summen. Als sich der Herr vor mir umdrehte und mich über den Brillenrand hinweg musterte, erklärte ich ihm den Auftrag aus Tante Mias Adventskalender. Das wiederum hörten die beiden hinter mir und sagten, sie würden mir helfen und mitsingen. Der Herr vor mir fragte die Kassiererin und ehe ich mich versah, sangen sie zusammen „Leise rieselt der Schnee.“ Ein paar Kunden weiter hinten im Laden kamen näher und lächelten, dann stimmten sie mit ein. Eine richtige Gänsehaut bekomme ich, wenn ich von diesem Erlebnis erzähle. Danke, Tante Mia, das war eine wunderbare Idee.


    Die Aufgabe, die ich gestern im Kalender fand, war etwas räselhaft: „Fange den Weihnachtsduft ein und bringe ihn in dein Heim.“
    Ich weiß, dass meine Tante eine Abneigung gegenüber Duftlämpchen, Räucherstäbchen und ähnlichen Produkten hat und sie verächtlich als Schnickschnack bezeichnet. Selbstgemachtes schätzt sie dagegen sehr. Wie macht man echten Weihnachtsduft? Mir fielen Bratäpfel ein, Gewürze wie Zimt und Nelken, und dann stellte ich mir einen Topf mit Glühwein vor. Da wusste ich, was ich zu tun hatte: Pflaumen kleinschneiden, mit Apfel- und Orangensaft begießen und weich kochen, mit Zimt und Nelkenpulver würzen und leicht mit braunem Zucker bestreuen. Den Kindern habe ich nicht verraten, dass das köstlich duftende Pflaumenkompott einen Schuss Rotwein erhielt und mein schlechtes Gewissen beruhigte ich mit dem Gedanken, dass sich Alkohol beim Kochen schnell verflüchtigt.
    Während ich dies niederschreibe, fällt mir ein, dass im Kühlschrank noch ein Rest Pflaumenkompott stehen müsste …



    Entschuldigt die kurze Pause, ich war gerade in der Küche und habe eine leere Schüssel in die Spülmaschine geräumt. Das Rezept werde ich bei Gelegenheit nachkochen und Tante Mia und mir eine Freude bereiten. Geben ist seliger denn nehmen. Wie wahr!
    Vielleicht interessiert euch noch, welche Aufgabe heute Morgen auf mich wartete. Es war die bisher schwierigste. Tante Mia weiß, dass ich Krimis schreibe. Aber sie mag sie nicht besonders. Sie liest lieber Geschichten und Anekdoten fürs Herz. Und deshalb lautete ihre heutige Kalenderaufgabe: „Schreibe eine Weihnachtsgeschichte, in der drei liebe Menschen erwähnt werden, die du kennst. Nicht namentlich, sondern so, dass sie sich in deiner Erzählung wiederfinden und sich darüber freuen.“
    Ach, Tante, wie soll ich das schaffen? Dich darf ich nicht dazurechnen, denn ich habe schon deinen Namen genannt. Überhaupt ist es schwierig für mich, eine Weihnachtsgeschichte zu schreiben. Wenn ich den Kopf voller Sorgen habe, bin ich zu abgelenkt. Wenn ich zu Hause am Esstisch sitze, fallen mir allerlei unerledigte Haushaltspflichten ein. Wenn der Abgabetermin weit in der Zukunft liegt, trödle ich herum. Ich sollte zwei, besser noch drei Stunden in einem Café verbringen, fernab von meinen Verpflichtungen, dann kann ich nichts weiter tun als schreiben und dabei einen Kakao trinken.
    Ein paar Stichworte für meine Weihnachtsgeschichte habe ich schon: Ein altes Hirschgeweih soll darin vorkommen und Lametta, und wenn ich mich ein wenig konzentriere, dann sehe ich die verwitterte Gartenhütte vor mir mit den rotkarierten Gardinen im Fenster neben der Tür, darüber das Geweih. Und dass die Hütte früher mal ein Stall war, daran erinnern die Futterkrippe und die Ziege, die durch das Fenster schaut. Keine echte, nur ein Bild mit Ziegenkopf.
    Sie ist noch nicht fertig, meine Geschichte. Gut Ding will Weile haben, sagt Tante Mia, wenn es mir nicht schnell genug vorangeht. Rechnet also damit, dass ich euch erst im nächsten Frühjahr zum Zuhören einladen werde. Zu einer besinnlichen Lesung gehört Musik. Wir werden uns also zuerst fünf Leute suchen, mit denen wir ein unweihnachtliches Lied singen werden: „Leise rieselt die Vier auf das Zeugnispapier.“ Dann werden wir etwas Schönes gemeinsam kochen, Pflaumenkompott vielleicht. Und schließlich lese ich euch meine Weihnachtsgeschichte vor.


    PS Ich habe drei von euch tatsächlich in meiner Geschichte erwähnt.


    PS Danke, Tante Mia, dass es dich gibt!