Kurzbeschreibung:
Die Familie stirbt im Holocaust. Der Freund ertrinkt auf der Flucht nach Palästina in der Donau. Und auch im »Gelobten Land« entgeht Gerhard Bronner dem Tod nur knapp. Wie aus dem gejagten Juden die Kabarett-Legende wird und wie er mit Helmut Qualtinger das gefeierte Ensemble gründet, erzählt er hier zum ersten Mal.
Als der 15 Jahre alte Gerhard Bronner 1938 illegal emigriert, ahnt er nicht, daß er seine Familienangehörigen nicht mehr wiedersehen und selbst dem Tod ein paarmal nur knapp entrinnen würde. Auf abenteuerlichen Wegen flieht er von Wien nach Palästina. Dabei versteckt er sich in einem »Kraft-durch-Freude«-Dampfer, nur wenige Meter von feiernden Nazis entfernt, durchschwimmt in Bulgarien die kilometerbreite Donau und verliert dabei seinen engsten Freund. Nach dem Krieg gründet er zusammen mit Helmut Qualtinger und Georg Kreisler die legendäre Kabarettgruppe. Danach ist er Theaterdirektor, arbeitet für Rundfunk und Fernsehen und entdeckt Ephraim Kishon für den deutschen Buchmarkt. Bronners Erinnerungen sind teils beklemmend, teils heiter – in der Form sind sie oft spöttisch, manchmal bitter und immer wieder voller Liebe und Bewunderung für seine Weggefährten.
Meine Meinung:
Eines sei vorweggeschickt: ich lese sehr selten (Auto-)Biographien, wenn´s hochkommt, eine pro Jahr und dann nur von/über Personen, die ich wohlwollend betrachte. Gerhard Bronner ist so jemand, ein Eckpfeiler der österreichischen Unterhaltungsbranche der Nachkriegszeit und Zeitzeuge einer überaus dunklen Epoche.
Was er in seinen Lebenserinnerungen erzählt, ist die Geschichte eines turbulenten, euphemistisch ausgedrückt nicht immer einfachen Lebens und voller Erlebnisse, wie sie dem Durchschnittsmenschen in mehreren Leben nicht passieren. Bronner erzählt gekonnt, vom Schreibstil her einfach gehalten, skizzen- (was angesichts seines prallen, umtriebigen Lebens auch nicht anders möglich wäre), und anekdotenhaft, stilsicher und pointiert und faszinierte mich vor allem mit einzelnen Details und dem, was zwischen den Zeilen lesbar ist.
Seine verschiedenen Episoden als Barbesitzer, Komponist, Kabarettist, Theaterdirektor und Mitwirkender für Rundfunk und Fernsehen sind zwar das, wofür er berühmt ist, wirklich spannend sind jedoch seine persönlichen Erfahrungen im Wien der Nachkriegszeit mit dem noch immer grassierenden Antisemitismus sowie die Fülle an klangvollen Weggefährten, mit denen er zu tun hatte und die vielfach zu Freunden für ihn aufstiegen. Von Bruno Kreisky, mit dem er bereits als Kind im tiefsten Favoriten bekannt war über Qualtinger (dessen allgemeingültigen Spitznamen „Quasi“ Bronner erfand), Peter Alexander, den von mir hochverehrten Georg Kreisler bis hin zu Bekanntschaften wie etwa dem heutigen Bundespräsidenten, Dr. Heinz Fischer – Bronner kannte sie alle und hat mit vielen zusammengearbeitet und dabei größtenteils künstlerisch Beständiges hervorgebracht.
Bronner war Jude, allerdings Atheist und zeitlebens jeglichem Fundamentalismus abgeneigt und nach eigener Aussage einer, der immer „zwischen den Stühlen saß“. Seine Sympathien galten den Sozialdemokraten, obschon er völlig richtig feststellt, dass es keine Denkrichtung, keine Religion, keine Philosophie und keine politische Partei gab oder jemals geben wird, die immer Recht hat und die uneingeschränkt gutgeheißen werden kann.
Es gäbe so vieles zu sagen zum Leben Bronners, auf den 260 Seiten dieser Autobiographie erhält man immerhin einen kleinen Einblick in ein komplexes, auch im privaten Bereich mitunter stürmisches Leben (er war mehrfach verheiratet). Schade nur, dass eine gewisse Resignation spürbar ist angesichts seines jahrzehntelangen, in seinen Augen nicht erfolgreichen Kampfes gegen den Antisemitismus und die Vorurteile der Bevölkerung.
Gerhard Bronner verstarb am 19. Jänner 2007 im 85. Lebensjahr in Wien.