Zsuzsa Bánk: Die hellen Tage

  • Zsuzsa Bánk: Die hellen Tage
    Audiobuch Verlag 2011
    ISBN 978-3899644272
    6 CDs in Klappbox, Pappschuber
    407min
    Sprecherin: Doris Wolters


    Verlagstext:
    Seri, Aja und Karl verbringen ihre Kindheit gemeinsam in einem kleinen Ort in Süddeutschland: Verbunden durch eine innige Freundschaft erleben sie magische Kindertage, wenngleich sie doch – jeder für sich – mit dem Fehlen geliebter Menschen zurechtkommen müssen. Seris Vater ist früh verstorben, Ajas Vater Artist, der nur selten zu Besuch kommt, und Karls Bruder spurlos verschwunden. Die unverbrüchliche Freundschaft, die alle drei bis ins junge Erwachsenenalter vereint, wird erst auf die Probe gestellt, als sie sich gemeinsam nach Rom begeben …
    »Die hellen Tage« ist für mich das schönste Buch des Frühjahrs 2011 CHRISTINE WESTERMANN, WDR2 BÜCHER


    Zur Sprecherin:
    Doris Wolters arbeitet als Sprecherin für Rundfunk und Fernsehen. Für den AUDIOBUCH Verlag hat sie u. a. Das Haus in den Wolken von Judith Lennox und Kate Mortons Der verborgene Garten eingelesen.


    Zum Inhalt:
    Für die Freundinnen Seri und Aja gibt es zunächst nur die Welt des bescheidenen Häuschens, in dem Aja und ihre Mutter Evi leben und das noch nicht einmal eine Hausnummer hat. Seri, eigentlich Theresa, trägt diesen Kindernamen seit dem Jahr, als die Freundinnen ihre Namen rückwärts riefen. Als Leser und Zuhörer nimmt man zuerst wie aus einem dunklen Zuschauerraum heraus nur die beiden Mädchen wahr. Das weckt die Neugier auf Seris Eltern, wie auch auf die Vorgeschichte, die Mutter und Tochter in das fiktive Dorf Kirchblüt nach Süddeutschland brachte. Die Ich-Erzählerin endeckt bald, warum sich die Welt ihrer kindlichen Abenteuer durch die besondere Lebenssituation Ajas und Evis von der anderer Kinder unterscheidet. Erzählt wird deutlich spürbar mit Einfühlungsvermögen in die Mütter. Die Sicherheit, mit der die Erzählerin die Abläufe analysiert, verblüfft. Väter sind im Leben der beiden Freundinnen zu Beginn der Geschichte noch abwesend. Zigi, Ajas Vater, arbeitet als Artist beim Zirkus. Er hat aufgrund seiner Wanderlust einen ganzen Ozean zwischen sich und seine Familie gelegt. Jedes Jahr wird Zigis Besuch sehnsüchtig erwartet, auch wenn Evi nie genau weiß, wann er ankommen wird.


    Die ersten hellen Tage der Geschichte erleben die Mädchen, als Zigi überraschend mit einem Kinderfahrrad für seine Tochter auftaucht. Karl, der neu ins Dorf gekommen ist, wird von den Mädchen in ihre Freundschaft integriert, die Kinder nehmen ihre Beziehung nun als gleichschenkliges Dreieck wahr. Um die Kinderfreundschaft legen sich wie ein Wachstumsring die wachsende Freundschaft der Mütter und die Geschichte der abwesenden Personen: Zigi, Karls vermisster Bruder Ben, Seris früh verstorbener Vater. Die Leere, die ein Verstorbener, Vermisster oder Langersehnter in ihrem Leben hinterlässt, vereint die drei Frauen und Karls von der Mutter getrennt lebenden Vater. Wie sich die erwachsenen Figuren im Laufe der Geschichte um die drei Kinder neu gruppieren, erzählt Zsuzsa Bank wie ein Zirkusmärchen. Eltern und Kinder sind nicht nur durch Freundschaften miteinander verbunden, sondern durch helle Tage, die jeder von ihnen auf seine Art erlebt. Zigi kennt kaum dunkle Tage, selbst wenn es draußen bitterkalt und dunkel ist. Zigi und Evi erlebten ihre gemeinsamen hellen Tage als sie mit Baby Aja im Tuch den Zirkus verließen. Karls Mutter erlebte die hellen Tage als Karl Baby und sein Bruder noch nicht geboren war. Karl weist der Fotograf Jakob den Weg zu hellen Tagen in einem geliebten Beruf. Mit dem Erwachsenwerden lassen die Jugendfreunde die hellen Tage ihrer Kindheit hinter sich, um den Weg in eine noch ungewisse Zukunft zu beginnen. Nach einer Zeitspanne von fast 30 Jahren wird sich eine der Figuren für ihren Grabstein die Aufschrift wünschen: Die hellen Tage behalte ich, die dunklen gebe ich dem Leben zurück.


    Zsuzsa Bánk erzählt die Geschichte dreier Jugendfreunde wie ein Zirkusmärchen. Das gleichschenklige Dreieck der Beziehungen bleibt nicht stabil, es streckt sich mit dem Heranwachsen und wird wieder gestaucht. Wir tauchen in eine Kindheit endloser Tage in der Hängematte ein, die Kinder klettern in Bäume um dort oben den Tag zu verbringen, sie lauschen Zigis Geschichten, der beim Erzählen im Rahmen des Küchenfensters hockt. Manche Geschichte, die Zigi oder Evi erzählten, erweist sich im Rückblick aus der Erwachsenenperspektive als wenig märchenhaft und lässt sich erst aus der deutschen Nachkriegsgeschichte verstehen. Einsichten in die Vorgeschichte der drei Familien erreichen den Zuhörer wie ein Nachklang, mit zeitlicher Verzögerung begreift man die Zusammenhänge.


    Fazit:
    Da ich Kindheitserinnerungen und Entwicklungsromane mag, war es nicht schwer, mich mit Zsuzsa Bánks drittem Buch zu fesseln. In dieser Geschichte kommt es auf feine Stimmungen und Details an, um das Mosaik der Erinnerungen vervollständigen zu können. Die Feinheiten werden dem Leser und Zuhörer nicht aufgedrängt; ein Hörbuch kann erleichtern, sich völlig auf die Einzelheiten zu konzentrieren. Das Interesse für Märchen und Märchenelemente wird das Verständnis des Romans sicher erleichtern.


    Den besonderen Klang des Romans und das Kommen und Gehen der Helligkeit im Leben der Protagonisten vermittelt die Sprecherin Doris Wolters in zurückhaltendem, feinem Ton (in der Bedeutung von elegant); ihre Stimme markiert die Umbrüche und Verluste der Geschichte unaufdringlich.


    [edit:] Doris Wolters wurde am 2.2.2012 für "Die hellen Tage" als Beste Interpretin mit dem Deutschen Hörbuchpreis 2012 ausgezeichnet.

  • Die hellen Tage - Zsuzsa Bánk


    Mein Eindruck:
    Nachdem ich den Roman aus Ungeduld abgebrochen hatte, versuchte ich einen neuen Ansatz mit dem Hörbuch und gelangte wirklich besser Zugang zum Buch. Die Erzählweise bietet sich für ein Hörbuch ja auch gut an. Zsuzsa Bánk verzichtet darauf, gleich alles zu verraten. Erst allmählich erfährt der Zuhörer die Umstände, die hinter dem Schicksal der einzelnen Protagonisten steckt und die dafür verantwortlich sind, dass die Kinder sich so eng aneinander klammern. Das ist äußerst geschickt gemacht von der Autorin. Doris Wolters liest durchgängig im selben Tonfall, einem Schwelgen in Melancholie!

  • Ich weiß gar nicht, wie oft ich in den letzten Monaten dieses Hörbuch begonnen habe, regelmäßig dabei eingeschlafen bin und dann doch zu einer anderen Lektüre gegriffen habe. Dieses Wochenende nun habe ich es endlich geschafft, alle 6 CDs durchzuhören.
    "Die hellen Tage" ist eine märchenhafte Erzählung, vor allem der Teil über die Kindheit der drei Freunde, in einer schönen Sprache und wiederkehrenden Details, die erst nach und nach Sinn bekommen.
    Grundsätzlich mag ich ruhige (Hör)Bücher, in denen es vor allem auf die Stimmung ankommt und in der die Handlung zweitrangig ist, aber hier war es mir etwas zuviel des Guten. Sprich, streckenweise ist der Text schon sehr langweilig und einlullend. Komprimiert auf maximal 4 CDs wäre es eine runde Sache gewesen, so empfand ich vieles als sich wiederholend und langatmig.
    Zwei Details stechen heraus aus diesem Hörbuch: zum einen die ungeheure Melancholie, die über dem gesamten Text liegt und auch in der Erzählweise begründet ist und zum anderen die großartige Leistung der Sprecherin Doris Wolters, die sehr einfühlsam und angenehm liest.