Wiedergeboren – Susan Sontag

  • Tagebücher 1947 – 1963


    Hrsg. von David Rieff


    Hanser, 2010
    383 Seiten


    OT: Reborn
    übersetzt aus dem Englischen von Kathrin Razum


    Kurzbeschreibung:
    Bereits mit fünfzehn vertiefte sie sich in Rilke und Gide, mit siebzehn heiratete sie ihren Professor: Susan Sontag war eine ungewöhnliche Frau. Ihr Lebenshunger und ihre unstillbare Wissbegierde führten die junge Intellektuelle von Kalifornien nach Chicago, später nach Paris und New York. Die frühen Tagebuchnotizen der Kunstbegeisterten bieten unvermutete Einblicke in ihre widersprüchliche Persönlichkeit: Das Private - ihre Ehekrise, ihre Liebschaften und ihre Homosexualität - sind der Anlass für weitreichende, tiefsinnige Betrachtungen. Ihr intimes Selbstporträt ist das Zeugnis eines einzigartigen intellektuellen Werdegangs und gleichzeitig ein Zeitdokument ersten Rangs.



    Über die Autorin:
    Susan Sontag, 1933 in New York geboren, war Schriftstellerin, Kritikerin und Regisseurin. Sie erhielt u.a. den Jerusalem Book Prize 2001, den National Book Award und den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Bei Hanser erschienen zuletzt Das Leiden anderer betrachten (2003), Worauf es ankommt (2005) und Zur gleichen Zeit (Aufsätze und Reden, 2008). Susan Sontag starb 2004 in New York.


    Über den Herausgeber:
    David Rieff, 1952 geboren, ist politischer Schriftsteller und Journalist. Über die Krisengebiete der Welt schreibt er u.a. für die Zeitungen New York Times, Wall Street Journal, Washington Post, El País und Le Monde. Rief, das einzige Kind Susan Sontags aus ihrer frühen Ehe mit dem Soziologen Philip Rieff, lebt in New York City.


    Mein Eindruck:
    Dieser erste Teil der Tagebücher von Susan Sontag setzt ein, als sie 14 Jahre alt war. Mit 16 fängt sie an zu studieren, entdeckt die Lesben-Szene in Kalifornien und heirat dann mit 17 ihren Professor und bekommt einen Sohn. Kurz darauf trennt sie sich von ihrem Mann und lebt mit ihrer Gefährtin Harriet zusammen, später mit Irene.


    Die Tagebücher sind von Susan Sontags Sohn David Rieff nach ihren Tod veröffentlicht worden (auch das Vorwort von David Rieff ist lesenswert), sie stellen etwas sehr privates dar und sind nicht im vornherein zum Veröffentlichen geschrieben.
    Deshalb sind Susan Sontags Eintragungen oft sprunghaft, ihre Emotionen fast widersprüchlich. Man lernt eine junge amerikanische Intellektuelle gut kennen. Das ihre Eintragungen subjektiv geprägt sind ist ja klar, daraus kann schließen sie wäre bei all den Selbstbeobachtungen manchmal egozentrisch, aber sie ist vor allen ehrlich. Sie kann auch selbstkritisch sein. Wie die Entwicklung ihrer Persönlichkeit fortschritt, war sehr interessant zu lesen. Ihre Sexualität ist dabei natürlich ein großes Thema.


    Die Seiten sind gut gefüllt mit Listen über ihre gelesenen Bücher und was sie für Filme sieht. Es gibt sogar ein Notizbuch, in dem sie nur festhielt, was sie für Filme sah, wer mitspielte etc. In diesem Buch sind nur Auszüge aus diesem Notizbuch enthalten, damit man einen Eindruck gewinnt.


    Es gibt keinen Anhang mit Seitenweise Anmerkungen zu den Eintragungen und kein Personenregister. Konservative Leser von Biographien oder Tagebücherwerden das vermutlich vermissen. Dafür sind im Tagebuchtext von David Rieff häufig Anmerkungen über Orte oder Namen in Klammern eingetragen, die erläutern um wen oder was es geht. Das funktioniert sehr gut und ich bin mit dieser Art der Edition sehr einverstanden.


    Susan Sontags Tagebücher haben mich fasziniert und ich bin schon gespannt, ob und wann der Hanser-Verlag die Tagebücher der darauffolgenden Jahre veröffentlicht



    ASIN/ISBN: 3446255400

  • Herzlichen Dank für die Buchvorstellung, das Buch steht schon auf der Wunschliste. Nach dem Buch von David Rieff möchte ich die Tagebücher von Susan Sontag sehr gerne lesen - ich hoffe, dass bald noch die Taschenbuchausgabe erscheint, da mir die Hardcoverausgabe leider zu teuer ist.

  • Im September 2013 wird beim Hanser-Verlag der nächste Band der Tagebücher erscheinen:


    Ich schreibe, um herauszufinden, was ich denke
    Tagebücher 1964-1980


    ISBN 978-3-446-24340-8



    Zitat

    „Mein Leben ist mein Kapital, das Kapital meiner Imagination“, sagte Susan Sontag einmal. Ihre Tagebücher sind Spiegel dieses Selbstverständnisses, das bei ihr auch immer an die Politik geknüpft war. Zentral sind ihr Aufenthalt in Hanoi und ihr Engagement in den USA gegen den Vietnamkrieg, ihre Begegnung mit Mary McCarthy und Reisen nach China, Marokko und Israel. In den Jahren 1964 bis 1980, die geprägt sind von ihrer Auseinandersetzung mit der Kunst von John Cage, Marcel Duchamp, Jasper John und vor allem Joseph Brodsky, entstehen auch Sontags bedeutendste Bücher. In diesen Tagebüchern legt eine der außergewöhnlichsten Intellektuellen des 20. Jahrhunderts das intime Zeugnis ihrer Reifejahre ab.

  • Titel: Wiedergeboren. Tagebücher 1947-1963
    OT: Reborn. Journals and Notebooks 1947-1963
    Autorin: Susan Sontag
    Übersetzt aus dem Englischen von: Kathrin Razum
    Verlag: Hanser
    Erschienen: März 2010 (Neuauflage 2016)
    Seitenzahl: 379
    ISBN-10: 3446255400
    ISBN-13: 978-3446255401
    Preis: 28.00 EUR


    „Im Tagebuch äußere ich mich nicht nur freimütiger, als ich es einem Menschen gegenüber je tun könnte, sondern ich erschaffe mich selbst.“ (Susan Sontag)


    Susan Sontag wurde am 16. Januar 1933 in New York geboren. Dort starb sie auch am 28, Dezember 2004. Sie war eine Schriftstellerin. Essayistin, Publizistin und Regisseurin. Sie schrieb u.a. für die New York Times, das Wall Street Journal, die Washington Post, El Pa¡s und Le Monde


    Dieser erste Band ihrer Tagebücher ist sehr beeindruckend. Hier schreibt eine Frau, die unglaublich interessiert war, die unglaublich viele Facetten hatte und die dabei ruhelos und getrieben war. Diese Tagebücher sind teilweise unsortiert und unstrukturiert, manchmal vielleicht auch ein wenig wirr – dabei aber von einer unglaublichen Tiefe und Intelligenz. Und sie (die Tagebücher) sind von einer entlarvenden und manchmal auch sicher schmerzhaften Ehrlichkeit.


    Susan Sontag schreibt offen über ihre Ehe (bereits im Alter von 17 Jahren heiratete sie ihren Professor), ihre Homosexualität und ihre Zerrissenheit. Es scheint, als wäre sie immer auf der Suche gewesen, wobei sie vielleicht gar nicht selbst wusste, wonach sie eigentlich gesucht hat.


    Diesem ersten Band ihrer Tagebücher ist ein sehr lesenswertes Vorwort vorangestellt, geschrieben von ihrem Sohn David Rieff. Darin beschreibt er seine Motivation die Tagebücher seiner Mutter zu veröffentlichen.
    Denn eines scheint beim Lesen dieser Tagebücher aufzufallen: Sie wurden nicht in dem Bewusstsein geschrieben, das irgendjemand sie später einmal lesen würde. Dazu sind sie einfach zu persönlich und intim. Sie zeichnen aber das Bild einer faszinierenden Frau.


    Diese Tagebücher sind wirklich sehr lesenswert. Sehr angetan war ich auch von der Tatsache, dass dort nicht jemand schreibt, der sich mit jedem Wort auf einen selbsterbauten Sockel stellt. Nein, ganz im Gegenteil, hier schreibt eine Frau die auch sich selbst zweifelt, die Versagensängste hatte, die sehr oft ihr Licht unter den Scheffel stellt.


    9 Eulenpunkte für ein Buch, dass Einblicke in das Innerste eines Menschen gewährt – ohne das man sich als Leser dabei als Voyeur fühlt.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Nach rund zwei Jahren habe ich das Buch ein weiteres Mal gelesen und bin zu folgendem Ergebnis gekommen.

    Falls von Interesse:


    In meinen Augen gibt es zwei Arten von Tagebüchern. Da sind zum einen die Tagebücher die so geschrieben werden als seien sie für Dritte bestimmt. Und dann gibt es die Tagebücher, die an vielen Stellen nur der Verfasser verstehen kann – wenn sie nicht erläutert werden.


    Die Tagebücher von Susan Sontag gehören ohne Frage zur zweiten Kategorie. Manche Eintragungen wären hier nicht zu verstehen, hätte der Sohn von Susan Sontag nicht das eine oder andere Mal erläuternd eingegriffen. Mein Dank geht daher an David Rieff.


    Susan Sontag wurde 1933 in New York geboren. Eine sehr gebildete und intelligente Frau. Als sie erst 15 Jahre alt war, beschäftigte sie sich intensiv mit Rilke und Gide. Sie wollte immer alles wissen, ihre Wissbegierde war von nichts und niemand zu stillen.


    Ihre Tagebücher geben einen Einblick in ihr Denken und Leben. Sie schreibt über ihre Ehekrise, ihre Liebschaften, ihre Homosexualität und weist oftmals selbst auf die Widersprüche in ihrem Leben hin. Ihre Bemerkungen über Kunst, Literatur und Musik sind von einem ergreifenden Tiefgang. Ihr intellektueller Werdegang ist mehr als faszinierend.

    Susan Sontag war immer optimistisch, was ihren Gesundheitszustand anging. Selbst in ihrem Sterbejahr war sie noch auf dem Krankenlager davon überzeugt, das sie ihre Erkrankung überwinden würde – hatte sie doch so unendlich viel zu sagen. Aber wie so oft, die Krankheit war stärker und ließ sich auf keinen Deal ein.


    Diese Tagebücher aus den Jahren 1947 bis 1963 sind auch ein historisches Zeitdokument. Aber sie zeigen auch, wie das Denken immer mehr zurückgedrängt wird. Die Oberflächlichkeit gewinnt immer mehr an Boden und gerade auch das literarische Niveau bekommt pausenlos aufs Maul. Es ist ja auch einfacher zu googeln als selbst einmal eigenständig zu denken. Und so passiert es eben, dass man selbst, das die Gesellschaft insgesamt nichts anderes ist als eine Seifenoper ohne Niveau.


    Ein sehr lesenswertes Buch – das aber wahrscheinlich nur sehr wenige Leser finden wird – ist es doch so viel einfacher irgendwelchen Chicklit-Müll oder irgendwelchen niveaulosen Thriller-Mist zu lesen - muss man da doch nicht die eigenen Gehirnzellen zu mehr als 10 Prozent beanspruchen.


    9 Eulenpunkte.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.