Engel des Vergessens - Maja Haderlap

  • Gebundene Ausgabe: 250 Seiten
    Verlag: Wallstein (Juli 2011)
    Sprache: Deutsch
    ISBN-10: 3835309536
    ISBN-13: 978-3835309531


    Kurzbeschreibung
    Ein großes Romandebüt, das von einem Leben in der Mitte Europas erzählt; mit kraftvoller Poesie; Geschichten, die uns im Innersten betreffen.Maja Haderlap gelingt etwas, das man gemeinhin heutzutage für gar nicht mehr möglich hält: Sie erzählt die Geschichte eines Mädchens, einer Familie und zugleich die Geschichte eines Volkes. Erinnert wird eine Kindheit in den Kärntner Bergen. Überaus sinnlich beschwört die Autorin die Gerüche des Sommers herauf, die Kochkünste der Großmutter, die Streitigkeiten der Eltern und die Eigenarten der Nachbarn. Erzählt wird von dem täglichen Versuch eines heranwachsenden Mädchens, ihre Familie und die Menschen in ihrer Umgebung zu verstehen. Zwar ist der Krieg vorbei, aber in den Köpfen der slowenischen Minderheit, zu der die Familie gehört, ist er noch allgegenwärtig. In den Wald zu gehen hieß eben "nicht nur Bäume zu fällen, zu jagen oder Pilze zu sammeln". Es hieß, sich zu verstecken, zu flüchten, sich den Partisanen anzuschließen und Widerstand zu leisten. Wem die Flucht nicht gelang, dem drohten Verhaftung, Tod, Konzentrationslager. Die Erinnerungen daran gehören für die Menschen so selbstverständlich zum Leben wie Gott. Erst nach und nach lernt das Mädchen, die Bruchstücke und Überreste der Vergangenheit in einen Zusammenhang zu bringen und aus der Selbstverständlichkeit zu reißen und schließlich als (kritische) junge Frau eine Sprache dafür zu finden. Eindringlich, poetisch, mit einer bezaubernden Unmittelbarkeit. Maja Haderlap hat eine gewaltige Geschichte geschrieben...


    Über den Autor
    Maja Haderlap, geb. 1961 in Eisenkappel/Zelena Kapla (Österreich), studierte Theaterwissenschaft und Germanistik an der Universität Wien. Sie war Redakteurin und Mitherausgeberin der Literaturzeitschrift "Mladje", arbeitete am Institut für vergleichende Literaturwissenschaft in Klagenfurt sowie als Chefdramaturgin am dortigen Theater. Sie veröffentichte auf Slowenisch und Deutsch Gedichte und Hörspiele sowie Übersetzungen aus dem Slowenischen. "Engel des Vergessens" ist ihr Romandebüt.


    Meine Meinung


    Mit einem Ausschnitt aus "Engel des Vergessens" hat Maja Haderlap vor einigen Wochen den Ingeborg-Bachmann-Preis gewonnen.
    In ihrem Romandebüt setzt sich Haderlap mit ihrer eigenen Familiengeschichte zusammen und beleuchtet einen Teil der Vergangenheit, der in der öffentlichen Diskussion (soweit ich weiß) bisher nur wenig beleuchtet worden ist: der slowenischen Bevölkerung in Kärnten, Österreich. Im Mittelpunkt stehen dabei vor allem die slowenischen "Partisanen", deren Schicksal und die damit häufig verbundene Traumatisierung und Sprachlosigkeit in dem Dorf, in dem die Ich-Erzählerin aufwächst.
    Vieles von dem was Maja Haderlap anspricht, bleibt häufig lediglich angedeutet. Vieles verschwindet hinter einer schwer zugänglichen, an vielen Stellen sehr poetischen Sprache. Als Leser erfährt man etwas über die Partisanen, ihre Verfolgung, das KZ in Ravensbrück. All dies erzählt die Großmutter ihrer jungen Enkelin. Sprachlich ist mir vor allem aufgefallen, dass sehr vieles in dem Roman in der indirekten Rede steht. Für mich macht es das Lesen eines Textes häufig anstrengend und schwierig. Viele Bilder sind für mein Empfinden immer ein bisschen zu viel "gewollt" und zu gut gemeint.


    Beim Lesen merkt man immer wieder, dass die Autorin eigentlich Lyrikerin ist, vieles ist sehr poetisch geschrieben und überhaupt spielt die Sprache in ihrem Roman eine wichtige Rolle.


    Ein Beispiel dafür:


    Zitat

    "Der Engel des Vergessens dürfte vergessen haben, die Spuren der Vergangenheit aus meinem Gedächtnis zu tilgen. Er hat mich durch ein Meer geführt, in dem Überreste und Bruchstücke schwammen. Er hat meine Sätze auf dahintreibende Trümmer und Scherben prallen lassen, damit sie sich verletzen, damit sie sich schärfen. Er hat die Engelbildchen über meinem Kinderbett endgültig entfernt. Ich werde diesen Engel nicht zu Gesicht bekommen. Er wird keine Gestalt haben. Er wird in den Büchern verschwinden. Er wird eine Erzählung sein."


    Maja Haderlap ist auf jeden Fall ein interessanter Roman gelungen, der leider ein wenig schwer zugänglich ist. An vielen Stellen fand ich ihre Sprache und die Bilder auch unheimlich schön, insgesamt ist mir das Buch aber einfach "übervoll". Zu angefüllt.


    Vielleicht hätte man das Buch besser als Autobiographie oder sogar als historisches Sachbuch bewerben sollen (apropos Werbung: der seltsam krude Klappentext – ein Zitat von Peter Handke, sorgt sicherlich nicht dafür, dass das Buch häufig verkauft werden wird. Ich habe ihn zumindest nicht verstanden). Eine wirkliche Romanhandlung geht bei all der Sprache, bei all der Sprachlosigkeit, bei der Fülle an Bildern und Metaphern leider unter.


    Für ein interessantes Thema vergebe ich aber immer noch 6 Punkte.

  • Titel: Engel des Vergessens
    Autorin: Maja Haderlap
    Verlag: btb
    Erschienen als TB: Februar 2013
    Seitenzahl: 288
    ISBN-10: 3442744768
    ISBN-13: 978-3442744763
    Preis: 9.99 EUR


    Das sagt der Klappentext:
    Erinnert wird eine Kindheit in den Kärntner Bergen. Die Autorin berichtet über die Gerüche des Sommers, die Kochkünste der Großmutter, die Streitigkeiten der Eltern und die Eigenarten der Nachbarn. Erzählt wird von dem täglichen Versuch eines heranwachsenden Mädchens, ihre Familie und die Menschen in ihrer Umgebung zu verstehen. Zwar ist der Krieg vorbei, aber in den Köpfen der slowenischen Minderheit, zu der die Familie gehört, ist er noch allgegenwärtig. In den Wald zu gehen hieß eben "nicht nur Bäume zu fällen, zu jagen oder Pilze zu sammeln". Es hieß, sich zu verstecken, zu flüchten, sich den Partisanen anzuschließen und Widerstand zu leisten. Wem die Flucht nicht gelang, dem drohten Verhaftung, Tod, Konzentrationslager. Die Erinnerungen daran gehören für die Menschen so selbstverständlich zum Leben wie Gott.Erst nach und nach lernt das Mädchen, die Bruchstücke und Überreste der Vergangenheit in einen Zusammenhang zu bringen und aus der Selbstverständlichkeit zu reißen und schließlich als (kritische) junge Frau eine Sprache dafür zu finden.


    Die Autorin:
    Maja Haderlap, geb. 1961 in Eisenkappel/Zelena Kapla (Österreich), studierte Theaterwissenschaft und Germanistik an der Universität Wien. Sie war Redakteurin und Mitherausgeberin der Literaturzeitschrift "Mladje", arbeitete am Institut für vergleichende Literaturwissenschaft in Klagenfurt sowie als Chefdramaturgin am dortigen Theater. Sie veröffentlicht auf Slowenisch und Deutsch Gedichte und Hörspiele sowie Übersetzungen aus dem Slowenischen. "Engel des Vergessens" ist ihr Romandebüt. Mit einem Ausschnitt aus diesem Roman setzte sich die Kärtnerin Maja Haderlag im Bachmann-Wettbewerb 2011 durch.


    Meine Meinung:
    Ein ruhiges, ein sensibles Buch, ein Buch mit Tiefe und Eindringlichkeit. Ein leises Buch, aber ein sehr intensives Buch. Maja Haderlap ist eine wunderbare Erzählerin. Bemerkenswert ist ihre distanzierte Erzählart. Sie nimmt sich zugunsten ihrer handelnden Personen zurück, stellt sich selbst nicht in den Mittelpunkt. Sie schafft es in diesem Buch eine ganz besondere Atmosphäre zu schaffen, sie beschreibt das Leben der Slowenen in Kärnten nach dem zweiten Weltkrieg. Und alles wirkt sehr authentisch und unaufgeregt. Künstliche Aufgeregtheiten sucht man in diesem Buch vergeblich.
    Peter Handke bezeichnete dieses Buch als "...eine gewaltige Geschichte...." und trifft es damit sehr gut. Eine gewaltige Geschichte, ruhig erzählt - diese Kunst beherrschen wohl nur wenige Autorinnen oder Autoren.
    Dieses Buch kann man ohne Übertreibung auch als Zeitdokument von gewaltiger Aussagekraft bezeichnen. Ein besonderes Buch, dessen Besonderheit man eventuell erst auf den zweiten Blick erkennt.
    Fazit: Ein lesenswertes Buch, intensiv aber leise erzählt.
    7 Eulenpunkte

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.