Jakobsblut - Barbara Pope

  • Die Autorin
    Barbara Pope ist Historikerin und eine vielfach mit Preisen ausgezeichnete Professorin. An mehreren Universitäten der USA und Europa hat sie Geschichte und Frauenforschung unterrichtet. Sie lebt in Seattle.


    Das Buch
    1894, auf dem Höhepunkt der Dreyfus-Affäre, muss Untersuchungsrichter Bernard Martin in Lothringen einen heiklen Fall lösen. Ein toter Säugling wurde grausam verstümmelt gefunden, die Eltern sprechen von einem jüdischen Ritualmord. Kurz darauf werden ehrbare jüdische Bürger umgebracht, eine antisemitische Hetzjagd scheint im Gange. Doch Martin ahnt, dass sich hinter den Ereignissen ganz andere Geheimnisse verbergen.


    (beides von Amazon.de)


    Meine Meinung
    "Jakobsblut" ist definitiv eines der schlechteren Bücher, die ich bislang gelesen habe und auch eines, dass die eigentlich guten Erwartungen (ein Klappentext, der mehr verspricht und die Bezeichnung als Kriminalroman) überhaupt nicht halten konnte.


    Zwar ist dem Buch eine kurze Erläuterung vorgestellt, um was es sich bei der im Klappentext erwähnten Dreyfus-Affäre handelt, aber den wirklichen Zugang zu der Geschichte habe ich dennoch nie gefunden. Die Personen bleiben stets distanziert und selbst bei schlimmsten privaten Schicksalsschlägen hatte ich immer das Gefühl, dass der Richter Bernard Martin blass und so weit weg wie hinter dem Mond wirkt.


    Die Handlung ist nicht wirklich packend, es geht im Endeffekt nicht um die Ermittlung im Kriminalroman sondern um "die" und "uns" - die Franzosen und die Israeliten, oder die Israeliten und die Franzosen. Für mich hat auch das gesamte Buch so gewirkt, dass es besser gewesen wäre, noch mehr historische Hintergründe zu kennen, bevor ich einsteige - denn immer wieder habe ich mich beim Lesen gefragt: Warum denken die denn alle so kompliziert? Was ist denn genau deren "Problem" mit den jeweils "anderen"? Mir hat sich - auf gut deutsch gesagt - das gesamte Buch einfach nicht erschlossen.


    Hierunter fallen auch die zigfachen Andeutungen, dass Martin und seine Frau Claire ja so vom Weltschmerz geplagt sind, auch wenn er Richter und sie Lehrerin ist, hadern sie immer noch mit ihrer Herkunft und den Berufen ihrer Eltern. Klar, das ist zu dieser Zeit bestimmt noch ein sehr viel größeres Problem gewesen als heutzutage, aber ich konnte oft immer nur den Kopf schütteln und mir denken: Vergesst doch einfach das, was war, ihr habt nun euer eigenes Leben! Auch warum Claire mit Madelaine befreundet ist, ist einfach unverständlich - denn Claire wird vom Prinzip her ja als offene und kontaktfreudige Frau beschrieben, aber ihre beste Freundin (mit der sie nichts gemein zu haben scheint außer den Beruf) wirkt einfach nur verschroben, alt und mehr als spießig.


    Barbara Pope muss sich so weit und tief in die Geschichte Frankreichs kurz vor der Wende zum 20. Jahrhundert hineingefuchst haben und ihr Umfeld damit "versorgt" haben, dass ihr niemand gesagt hat, dass ein unbedarfter Leser ein bisschen mehr an die Hand genommen werden muss. Zudem sollte sie auch ein Buch, das als Krimi betitelt wird, ein bisschen spannender schreiben. Denn die Lösung der Morde an den laut Klappentext "ehrbaren jüdischen Bürgern" war einfach nur zum gähnen. Ich habe mich eine Woche durch das Buch gequält und muss jetzt - ein paar Minuten nachdem ich mit dem Lesen fertig bin - sagen, dass ich mindestens die Hälfte der Handlung schon wieder vergessen habe. Definitiv ein Buch, das man nicht lesen muss und das wenn dann nur deswegen empfehlenswert ist, weil man darin etwas über die geschichtlichen Hintergründe im Frankreich der Jahrhundertwende lernen kann.

  • Zitat

    Original von Pelican
    Obwohl das Buch Dir nicht so gefallen hat, macht mich Deine Rezi neugierig. Ich werde mir das Buch auf jeden Fall vormerken.


    Mich auch. Zumal die Rezensionen bei amazon sich keineswegs derartig vernichtend lesen. Okay, wer einen Krimi erwartet, will selbstverständich auch einen lesen. Insgesamt könnte es aber auch eine Frage der leider nicht ebenso selbstverständlichen Vorkenntnisse und evtl. des Alters des Lesenden sein.
    Ich bin gespannt auf deine Rezi, Pelikan :-) :wave

    “Lieblose Kritik ist ein Schwert, das scheinbar den anderen, in Wirklichkeit aber den eigenen Herrn verstümmelt.”Christian Morgenstern (1871 – 1914)

  • Zitat

    Original von maikaefer


    Mich auch. Zumal die Rezensionen bei amazon sich keineswegs derartig vernichtend lesen. Okay, wer einen Krimi erwartet, will selbstverständich auch einen lesen. Insgesamt könnte es aber auch eine Frage der leider nicht ebenso selbstverständlichen Vorkenntnisse und evtl. des Alters des Lesenden sein.
    Ich bin gespannt auf deine Rezi, Pelikan :-) :wave


    Damit könntest Du recht haben - denn ich bin wirklich in der absoluten Erwartung "Ich lese einen Krimi" an das Buch rangegangen. Und den kriegt man hier wirklich nicht, zumindest nicht das, was ich unter einem Krimi verstehe ;-)


    Ich bin gespannt, was ihr von dem Buch haltet, würde ihm aber (weil es mir eben doch einige neue Erkenntnisse im geschichtlichen Bereich beschert hat) die Daumen drücken, dass es euch besser gefällt als mir :-)

  • Bei einigen Dingen muss ich dschaenna zustimmen. Es ist eher ein historischer Roman, als ein Krimi. Da hat der Verlag m.M. nach bei der Kurzbeschreibung einen Fehler gemacht.
    Trotzdem hat mir das Buch insgesamt ganz gut gefallen und habe 8 Punkte vergeben. Realistischer wäre vielleicht 7 gewesen, aber ich wollte das Urteil von dschaenna ein bisschen nach oben korrigieren. :grin



    Meine Meinung:
    Dies ist eines der Bücher, das leider einen vollkommen irreleitenden Klappentext hat. Man glaubt einen spannenden Krimi vor sich zu haben und wird aber schon bald eines Besseren belehrt.
    Ja, es geht um einen toten Säugling und auch zwei ehrbare jüdische Bürger werden in Nancy im Jahr 1894 umgebracht. Soweit stimmt die kurze Inhaltsangabe.
    Aber der erste Fall ist eigentlich gar keiner und wird schnell geklärt. Und der Tod der beiden Juden ist fast nur Beiwerk in der Geschichte.
    Der Roman ist meiner Meinung nach zuerst eine Gesellschaftsstudie des ausgehenden 19. Jahrhundert in Frankreich, wo nach der Dreyfus Affäre der Antisemitismus eine immer größer werdende Rolle spielt.
    Mit der Bearbeitung der Mordfälle wird der junge Richter Bernard Martin beauftragt, der unvoreingenommen den wahren Täter zu finden sucht.
    Durch eine schwere persönliche Krise, die dieser gemeinsam mit seiner Frau Clairie durchstehen muss, wird Bernard aber in seiner Arbeit beeinträchtigt. Er macht sich Sorgen um seine Frau, die durch einen schweren Verlust in eine Depression abgeleitet und unter einem immer größeren Einfluss einer frömmelnden Kollegin gerät.
    Insgesamt hat mir der Roman gut gefallen, denn zum Glück lese ich auch gerne historische Romane.
    Jeder, der das nicht tut und in erster Linie einen spannenden Krimi erwartet, wird eventuell enttäuscht sein.
    Positiv fand ich die Darstellung von Bernard Martin und seiner Frau. Die beiden waren mir von Anfang an sympathisch und man konnte sich sehr gut in ihre Gedanken und Gefühle einklinken.
    Das wertet den Roman deutlich auf.


    Fazit:
    Wenn man nicht zu großen Wert auf den Kriminalfall legt, ist dies ein lesenswerter historischer Roman mit gut gezeichneten Protagonisten. Außerdem erfährt man viel Wissenswertes über das Leben in Frankreich Ende des 19. Jahrhunderts.