Hunger - Muhammad al-Bissati

  • Roman aus Ägypten


    Gebundene Ausgabe: 140 Seiten
    Verlag: Lenos, 2010


    Übersetzt von Hartmut Fähndrich


    Kurzbeschreibung:
    Wenn der Magen leer ist und lange leer bleibt, breitet sich die Leere im ganzen Menschen aus. Sie bemächtigt sich seines Gehirns und seiner Emotionen. Die Suche nach Nahrung wird zum Lebensinhalt, der Mangel zum Dauergedanken. Und der Hunger treibt zu anderen Fragen - existentiellen, politischen, theologischen -, denn er macht auch Klassenunterschiede sichtbar, die sich durch vereinzelte Aktionen der Nächstenliebe nicht übertünchen lassen. Diesen Zustand führt Muhammad al-Bissati in seinem neuen Roman vor. Am Beispiel einer Familie aus einer ägyptischen Kleinstadt zeigt "Hunger" die täglichen Anstrengungen der Nahrungsbeschaffung und die Visionen, die über das tägliche Brot hinausgehen. Der Roman gibt so auch einen Einblick in gesellschaftliche Gruppen, deren Stimmen in Zukunft unüberhörbar werden, steht doch der Hunger weit oben auf der Liste der ungelösten Probleme dieser Welt.


    Über den Autor:
    Muhammad al-Bissati, geboren 1937 in Gamalija bei Port Said (Ägypten). Nach dem Studium der Wirtschaftswissenschaften war er viele Jahre als staatlicher Rechnungsprüfer tätig. Lebt als Schriftsteller in Kairo. Sein literarisches Werk umfasst Romane und Erzählungen. Für sein Gesamtwerk wurde der Autor 2000 mit dem in Dubai verliehenen Sultan-Uwaiss-Preis, dem "arabischen Nobelpreis", ausgezeichnet.


    Über den Übersetzer:
    Hartmut Fähndrich, 1944 in Tübingen geboren, ist ein renommierter Kenner und Herausgeber arabischer Literatur, Träger des Hieronymus-Rings des deutschen Übersetzetzerverbandes und wurde mehrmals mit dem Übersetzerpreis der Stadt Bern ausgezeichnet. Harmut Fähndrich lebt in Bern.


    Mein Eindruck:
    Ein kurzer Roman, aber durch seinen Stil sehr wirkungsvoll. Mit großer Genauigkeit zeigt der Autor eine ägyptische Kleinfamilie, die in Armut lebt. Saghlül arbeitet nur selten, er leidet offensichtlich unter der Perspektivlosigkeit, Seine Frau Sakina hingegen versucht immer wieder, etwas zu finden, um den allumfassenden Hunger, der sie und ihre Kinder quält, zu mildern. Doch stets gelingt das nur für kurze Zeit, bis kleine Ressourcen dann wieder verbraucht sind. Im letzten Viertel des Romans wird Sahir, der älteste Sohn der Familie in den Mittelpunkt gerückt. Er, der nicht die Schule besucht, obwohl er offensichtlich ein intelligenter Junge ist, muss erleben, wie einer der wenige Reichen des Landes ihn verhöhnt und kränkt. Der Roman ist 2007, also noch vor der Revolution 2011 geschrieben, die Menschen leben also noch ohne Hoffnung.
    Darin kann man im Nachhinein ablesen, in welchem Zustand sich ganz normale Menschen in Ägypten befanden, wie sie fühlten und warum sie zwangsläufig sich irgendwann wehrten.


    Der Roman ist sozialkritisch, aber vollkommen ohne Pathos. Al-Bassati sieht sich als politisch engagierter Autor, deswegen ist es ihm in diesem Roman hoch anzurechnen, dass er das politische Thema nicht in den Vordergrund stellt, und stattdessen sich ganz auf die Figuren konzentriert.
    Am Ende folgt noch ein interessantes Nachwort des Übersetzers.


    Bis jetzt mein Monatshighlight.

  • Muhammad al-Bissati ist leider dieses Jahr gestorben. Schon im Juli. Fast niemand hat darüber berichtet. Aber heute habe ich es in den Literaturnachrichten gelesen.



    Muhammad al-Bissatiist 1937 geboren, lebte die meiste Zeit in Kairo.
    Bücher in deutscher Übersetzung: Hunger, Häuser hinter den Bäumen, Pappschachtelstadt.


    Zitat

    Seine Art war die zurückhaltende, fast leise Darstellung menschlicher Konflikte, Leiden, Freuden und Nöte - am ägyptischen Beispiel.

  • Zitat

    Original von Herr Palomar
    Muhammad al-Bissati ist leider dieses Jahr gestorben. Schon im Juli. Fast niemand hat darüber berichtet. Aber heute habe ich es in den Literaturnachrichten gelesen.


    Du auch? Ich habe den Artikel zum Anlass genommen, nach den beiden übersetzten Büchern zu suchen. Danke, dass Du "Hunger" vorgestellt hast.