Joe Lansdale - Gauklersommer

  • Der Autor: Joe Lansdale ist Texaner mit Leib und Seele! Er ist sich der Tatsache wohl bewusst, das Texas sowohl sein eigenes Klischee hat - nicht zu Unrecht, muss man feststellen - und aber diesem nicht nur gerecht wird, sondern das dieses Klischee eine Ursache hat, die in der Geschichte dieses Staates begründet liegt. Auch wenn Lansdales Werk zeitlos relevant ist so ist der Ursprung seines Talents und seiner Erzählkunst immer der Staat Texas!


    Das Buch: Carson Statler ist wohl das, was man eine gescheiterte Existenz nenne kann: Veteran des Irak-Krieges und nominierter für den Pulitzer-Preis bricht er alle Brücken hinter sich ab und kehrt in seinen Heimatort Camp Rapture - nur ein Fliegenschiss auf der Landkarte von Texas - zurück.


    Hier lebt seine Verflossene, von der er sich immer noch nicht zu lösen vermag, hier ist aber vor allem Zuhause!


    Er bekommt einen Job als Kolumnist bei der örtlichen Lokalzeitung - nichts gegen seine früheren journalistischen Höhenflüge aber ein Rettungsanker, der seinen Weg nach unten, durch Selbstmitleid und Liebeskummer, aufhält und seinem Leben ein wenig Struktur gibt.


    Bei der Durchsicht der Hinterlassenschaft seiner Vorgängerin stößt er auf den nie aufgeklärten Fall einer im Jahr zuvor verschwundenen Studentin und er beschließt, diesen Fall zum Inhalt einer Serie von Artikeln zu verwenden.


    Was als interessante Beschäftigung(stherapie) beginnt wird allerdings schnell zu etwas Lebensbedrohlichem anwachsen!
    Carson sticht in ein Wespennest welches ihn und Camp Rapture nachhaltig in Mitleidenschaft zu ziehen droht.
    Um das Unheil doch noch abwenden zu können muss Carson Statler zurückkehren an den dunkelsten Ort seiner selbst - um den Preis seines Lebens und seiner Zukunft.


    Meine Rezension: Meine Verehrung für den texanischen Autor Joe Lansdale hat sich vermutlich schon herumgesprochen - sei es drum. Er bleibt für mich einer der bedeutendsten Autoren der Gegenwartsliteratur, da sein Werk, auf den ersten Blich reine Genre-Literatur, auf den genaueren zweiten Blick eine zeitlose Relevanz zu Tage fördert die ihn genreunabhängig zu einem wichtigen Vertreter der zeitgenössischen Literatur macht.


    Nicht nur das sein Gesamtwerk größer ist als die Summe der einzelnen Bücher, jedes seiner Bücher wuchs über die Grenzen des Genres, in welchem dieser ungeheuer vielseitige Autor schrieb hinaus und erlangte somit eine Allgemeingültigkeit, die etwas Universelles und Genreunabhängiges hat.


    Eines der Grundthemen Lansdales ist die Begegnung seiner Protagonisten mit der Gewalt des Bösen, in welcher Form es auch immer zu Tage treten mag. Sei es in Form von Vorurteilen oder des Rassismus (ein großes Thema des Texaners Lansdale) oder undefiniert und unerklärt in seiner reinen Form wie im vorliegenden Buch, wichtiger als eine Erklärung oder gar als Rechtfertigung misszuverstehende auf Ursachen zielende Beschreibung ist Lansdale in jedem Fall der Gegenpart, das , was man in Ermangelung eines besseren Begriffs als „Das Gute“ bezeichnen muss.


    Lansdale interessiert die moralische Komponente in Kampf gegen das Böse, den Preis. Den das /der Gute zahlen muss um zu bestehen, wobei er zwar Lösungsansätze präsentiert, diese aber niemals als allgemeingültig hinstellt oder sie als Rechtfertigung für Gewalt und Blutvergießen missbraucht.


    So auch das vorliegende Werk. Man mag "Gauklersommer " als reine Genreliteratur abtun, seine erzählerischen Qualitäten zwar würdigen aber es ansonsten eben zu den etwas besseren seiner Art zuordnen. Obschon diese Sichtweise durchaus ihre Berechtigung hat verkennt sie jedoch vollends das wahre Potential dieser Geschichte, seine über den reinem Thriller hinausgehende Thematik vom Kampf "Gut gegen Böse".

  • Dieser Roman von Joe R. Lansdale spielt in der Gegenwart im Städtchen Camp Rapture in Osttexas. Einst ein Holzfällercamp hat sich der Ort zur Kleinstadt entwickelt und war bereits Dreh- und Angelpunkt in seinem Roman "Kahlschlag" der zeitlich rund 80 Jahre vorher angesiedelt ist. Auch in diesem Buch stehen Verlierer mit gescheiterten Existenzen oder Menschen die ganz einfach in die armen Verhältnisse hineingeboren wurden im Zentrum des Geschehens. Menschen die ein Schattendasein fristen und tagtäglich ums Überleben und ihre Selbstachtung kämpfen. Cason Statler, ein Kriegsveteran mit journalistischer Ausbildung der einst sogar für den Pulitzerpreis nominiert war, kehrt zu seinen Eltern und Verwandten in seine Heimatstadt zurück. Nicht zuletzt hat ihn auch seine verflossen Liebe zur Rückkehr bewogen. Froh überhaupt einen Job zu kriegen und etwas Geld zu verdienen schreibt er die Kolumnen der örtlichen Zeitung. Auf dem Computer seiner Vorgängerin findet er einige inhaltlich banale Manuskripte aber auch ein Dokument über die bildhübsche und spurlos verschwundene Studentin Caroline. Mit einem Artikel in der Zeitung beginnt ein Lüftchen zu wehen das zu Beginn nur leichten Staub aufwirbelt aber sich bald zu einem Orkan des Bösen entwickeln wird…


    Lansdale schreibt wie immer leidenschaftlich über den amerikanischen Süden und thematisiert Engstirnigkeit, Glauben, Traditionalismus, Rassismus und Gewalt. Er fasst diese Themen aber als gottgegeben auf und obwohl sie im Zentrum stehen berauscht er sich nicht an ihnen. Mit stoischer Ruhe, Sachlichkeit und brandschwarzem Humor schildert er den Kampf des Guten gegen das Böse und so sind selbst ausufernde Gewaltausbrüche für den Leser einigermassen erträglich. Er versucht nicht zu ergründen weshalb etwas Böses geschehen kann. Es geschieht einfach, grundlos, einfach so. Ein tagtäglicher Blick in die Zeitungen gibt ihm recht und beweist das es auf der Welt Menschen gibt die zu allem fähig sind. Die Figuren sind wie immer markant mit dickem Malstift gezeichnet und sie bleiben bereits bei ihrem ersten Erscheinen im Gedächtnis haften


    Ich bin der Meinung, dass man mehrere Lansdale Romane gelesen haben sollte und jedes Buch ist ein Puzzleteil zu seiner Südstaatenwelt. Joe R. Lansdale entwickelt sich ganz langsam aber sicher zu einer Art Chronist über seine Heimat Texas und er tut das ohne verklärten Blick durch einen rosaroten Schleier indem er nur das Schöne und Erzählenswerte schildert sondern er porträtiert die Aussenseiter in Kleinstädten. Er stellt Menschen in seinen erzählerischen Mittelpunkt deren triste Lebensgeschichte normalerweise im Verborgenen bleibt. Ich wage zu behaupten, dass nur jemand der seine Heimat innig liebt solch aussergewöhnliche Geschichten, die mehr sind als ein Kriminalroman, zu erzählen vermag.


    Edit: inhaltlicher Fehler korrigiert

  • Zitat

    Original von Herr Palomar
    Kann es sein, dass Gauklersommer als Taschenbuch demnächst unter den neuen Titel "Gluthitze" bei Suhrkamp erscheint?
    Da muss man ja aufpassen, dass man den Roman nicht doppelt kauft!


    Suhrkamp macht die Taschenbücher zu den Golkonda-Paperbacks - leider sind die Cover häßlich und die Titel verändern sie auch.


    Ganoven! Alle miteinander! :chen

  • Ja, ich denke ab jetzt wird es auch in Deutschland für Joe Lansdale gut laufen! Klett-Cotta und Suhrkamp sind zwei Verlage deren Program einen wirklich guten Ruf gerade in der "literarisch anspruchsvollen" Gesellschaft genießt.


    Und das wird auch für den eigendlichen Urheber des Erfolges Lansdales in Deutschland - Hannes Riffel und sein Verlag "Golkonda"- nicht ohne Folgen bleiben.
    Denn ohne die großartige Arbeit dieses kleinen Berliner Verlages würden heute weder Klett-Cotta noch Suhrkamp Joe Lansdale-Romane in ihrem Programm haben.