Zweimal Juni - Martin Kohan

  • Suhrkamp
    Originaltitel: Dos veces junio
    Aus dem Spanischen von Peter Kultzen


    Kurzbeschreibung:
    1978, 1982: Zweimal Juni, zweimal Fußballweltmeisterschaft, und beide Male verliert Argentinien knapp gegen Italien. Auf die erste Niederlage, in Buenos Aires, folgt dennoch der Titelgewinn und der propagandistische Triumph der Militärjunta. Die zweite Niederlage, in Spanien, führt nicht nur zum Ausscheiden der Nationalmannschaft - sie wird begleitet vom katastrophal gescheiterten Falklandkrieg, der das Ende der Schreckensherrschaft einleitet. Und doch gibt es selbst in solchen Zeiten immer auch Leute, die es ganz gut getroffen haben. Etwa der junge Rekrut, der zunächst bei einem Militärarzt als Fahrer arbeitet und später als Medizinstudent den Krieg in der Zeitung verfolgt. Als er aber auf einer Gefallenenliste einen Namen bemerkt, der ihm bekannt vorkommt, entspinnen sich seine Erinnerungen, die an ein grauenhaftes Ereignis rühren.


    Über den Autor:
    Martin Kohan wurde 1967 in Buenos Aires geboren und lebt dort bis heute. Er hat fünf Romane, zwei Bände mit Erzählungen und zwei große Essays (einen über Eva Peron und einen über Walter Benjamin) veröffentlicht. Mehrmals im Monat fliegt er von Buenos Aires in den Süden, wo er an der Universität von Patagonien - ebenso wie in der Hauptstadt - literarische Theorie lehrt.


    Mein Eindruck:
    Dieser 2009 auf deutsch erschienene Roman des argentinischen Autors bietet auf wenigen Seiten mit einfachen Stilmitteln eine große Komplexität. Das Thema ist die Grausamkeit der Militärjunta in Argentinien mit zwei wechselnden Zeitpunkten, 1978 und 1982. Jeweils werden Methoden der Folter und Unterdrückung durch die Diktatur begleitet von den WM-Ereignissen, also Argentiniens triumphaler WM-Sieg 1978 und der Niederlage 1982, die auch dem politischen Niedergang glich.


    Martin Kohan wählte kurze Kapitel, um möglichst effektiv zu erzählen. Als Erzähler dient ein junger Student, der zum Militärdienst eingezogen wurde und als Chauffeur des Arztes Dr.Mesiona dient, der wiederum Folterungen an politischen Häftlingen überwacht. In einigen Abschnitten werden die Leiden einer der Gefangenen gezeigt.
    Martin Kohans Roman ist ziemlich hart, das zeigt schon die Ausgangsfrage“Ab wieviel Jahren kann man ein Kind folltern?“, mit der der Roman beginnt. Dem Rekruten fällt nur der Schreibfehler in dem Satz auf, nicht mehr die Obszönität eines solchen Gedankens.


    Durch die Passivität des jungen Soldaten, der zwar keine Taten selbst vornimmt, sie aber aus Gehorsam duldet und als Alltag akzeptiert, zeigt der Autor, dass es gerade auch die Mitläufer sind, die Verantwortung tragen.


    Auch den blinden Nationalpatriotismus, der sich z.B. durch übergroßen Fanatismus im Fußball äußert, zeigt Kohan in großer Deutlichkeit.
    Er ist ein Autor, der eine Aufarbeitung der argentinischen Vergangenheit am konsequentesten literarisch umsetzt.
    Es ist zu hoffen, dass noch weitere Romane von ihm auf deutsch übersetzt werden.