Ich hatte mich von vornherein für dieses Buch interessiert, da ich vermutete, zwischen der Tätigkeit des Autors und meiner könnte es gewisse Parallelen geben. Und ich hatte Recht. Ich habe gerade eine Ausbildung zur Altenpflegerin begonnen, und in diesem Rahmen auch ein Praktikum bei einem ambulanten Pflegedienst gemacht. Meine Erkenntnisse decken sich zum großen Teil mit denen des Autors: Wohnungen erzählen etwas über Menschen, gerade die Wohnungen alter Leute, die noch ganz andere Einstellungen zu Gegenständen und zum Leben überhaupt hatten.
Ich finde es allerdings schade, dass dieses Buch als Taschenbuch erschienen ist. Das weckt beim Leser falsche Erwartungen, und wird dem Wert des Buches nicht ganz gerecht. Es ist sicherlich nicht leicht einzuordnen - größtenteils ist es Sachbuch, dann wieder anteilsweise Lebensgeschichte des Autors. Und eine Prise Philosophie kommt auch noch hinzu. Doch gerade diese Mischung hat für mich die Faszination ausgemacht.
Hans-Jürgen Heinicke wurde, laut Impressum, von einem Journalisten beim Verfassen des Buches unterstützt. Von daher kann ich natürlich nicht mit letzter Sicherheit sagen, ob alle Formulierungen oder die Struktur des Buches auf den Autor zurückgehen. Ich stelle allerdings fest, dass eine wohltuend lesbare Sprache gewählt wurde, die sehr nah am Alltag ist, aber dennoch immer wieder Geistesblitze und auch komische Momente fassen kann. Das hat mir wirklich sehr gut gefallen.
Das Buch ist sicherlich ein wenig eigen. Man darf keine Anekdotensammlung erwarten, und es sind auch keine reinen "Fallgeschichten". Das Buch beginnt mit einem sachlichen Kapitel, wie der Autor zu seiner Tätigkeit als "Sachverständiger für Nachlässe", so die offizielle Bezeichnung, kam. Es folgen einige Kapitel von besonderen "Fällen", die jedoch in lockerem Plauderton geschrieben sind, und innerhalb der Geschichte auch immer wieder mal in allgemeine Betrachtungen abschweifen. Abgeschlossen wird das Buch dann von einem Kapitel mit Betrachtungen über Tod und Endlichkeit, auch wieder durchbrochen von Erlebnisse aus verschiedenen, von ihm erlebten Wohnungsauflösungen.
Dieses Buch hat auf mich vor allem durch seine interessante Mischung "gewirkt". Es enthält ganz verschiedene Betrachtungsweisen. Einerseits die rein geschäftlichen Aspekte des Wohnungsauflösens, die wesentlich vielschichtiger sind als erwartet. Dann wieder Betrachtungen über den Menschenschlag, der einem solchen Beruf nachgeht. Ausführliche "Begehungen" der Wohnungen, wobei der Autor den Leser an die Hand nimmt, und man sich alles sehr bildlich vorstellen kann. Und nicht zuletzt natürlich Gedanken darüber, wie die Menschen gelebt haben mögen, die in diesen Wohnungen teils lebten, teils hausten, teils Luftschlösser bauten.
Sensationelle Hintergründe darf man hier nun nicht erwarten. Es ist ein Buch der vielen, leisen Töne, die den aufgeschlossenen Leser aber zum Nachdenken anregen. Was wird von mir eines Tages bleiben? Was macht mein Leben aus? Sollte man nicht sein Glück genau jetzt, im Leben, ergreifen, und nicht für eine ungewisse Zukunft horten? Es ist weniger ein Buch über Verlust und Tod, als ein Buch über das Leben. Das hat mich tief berührt! Ich werde das Buch sehr gerne weiterempfehlen.