Fragen an Andrea Gunschera

  • Dein Stil ist kaum wiederzuerkennen, Andrea. Du hast geschrieben, du hättest dich bemüht für die Zielgruppe junge Erwachsene zu schreiben, ohne zu wissen, was genau das bedeutet. Worauf hast du beim Schreiben geachtet?

    smilie_sp_274.gif
    "Es hat alles seine Stunde und ein jedes seine Zeit, denn wir gehören dem Jetzt und nicht der Ewigkeit."

  • Zitat

    Original von Suzann
    Dein Stil ist kaum wiederzuerkennen, Andrea. Du hast geschrieben, du hättest dich bemüht für die Zielgruppe junge Erwachsene zu schreiben, ohne zu wissen, was genau das bedeutet. Worauf hast du beim Schreiben geachtet?


    'Purpurdämmern' ist ja mein erstes Jugendbuch; ich habe vorher dediziert für ein erwachsenes Zielpublikum geschrieben. Ich hatte riesige Lust auf dieses Thema und wollte es unbedingt machen. Man hätte so etwas natürlich auch als 'Erwachsenen-Roman' schreiben können, aber es scheint so zu sein, dass der Jugendbuch-Bereich etwas offener und experimentierfreudiger für Bücher ist, die nicht hundertprozentig in eine Genre-Schublade passen. 'Purpurdämmern' ist da ein wenig ein Grenzgänger: Ganz klar Fantasy, aber nicht klassische HighFantasy mit Elfen, Orks und Mittelalter. UrbanFantasy-Elemente, aber eben nicht in der LoveStory-Konstellation, die in diesem Genre oft üblich ist. Kurz, das Jugendbuch-Segment erschien mir erfolgversprechender, um eine solche Geschichte unterzubringen. (Und so kam es dann ja auch.)
    Nun hatte ich also jugendliche Protagonisten, aus deren Sicht ich erzählte. Man riet mir, noch bevor das Buch an den Verlag vermittelt wurde, die Sprache eher einfach zu wählen, mit Blick auf die jüngere Zielgruppe. Damit hatte ich meine Mühe, der Kompromiss waren dann junge Figuren, aber keine Kinder mehr, die zwar mit typischen Problemen dieses Alters zu kämpfen haben - einer gewissen Selbstüberschätzung, Ungestüm, vielleicht gar Ungeschicklichkeit im Zwischenmenschlichen, aber die auch schon erwachsene Gedankengänge haben dürfen.
    Wenn ich ein Buch schreibe, versuche ich mich immer in die jeweils erzählende Figur hineinzuversetzen und wähle z.B. Vergleiche auch so, dass sie in das Weltbild dieser Figur passen. Wenn also Marielle z.B. einen Geruch wahrnimmt, den sie nicht genau kennt, kann sie ihn nur mit etwas vergleichen, das sie aus ihrer Palastwelt oder ihren Reisen schon kennengelernt hat - und das ist vielleicht etwas anderes als das, was Ken oder Santino als Vergleich heranziehen würden. Die besondere Herausforderung für mich war nun also, dass zwei meiner erzählenden Figuren Jugendliche sind. In meinem Hinterkopf tickte diese Anforderung 'einfache Sprache' wie eine Tretmine. Ich vermied auf Teufel komm raus Fremdwörter oder überhaupt kompliziertere Satzkostruktionen, während ich versuchte, auf der anderen Seite nicht in ein Jugendsprache-Klischee abzurutschen und zu schnoddrig zu werden. Ich finde, Jugendsprache in Büchern ist immer eine Kunstsprache. Es ist nicht so wie in der Realität, denn dann würde es gestellt wirken. Es ist eine geschliffene, verfeinerte Abbildung der Realität, die Mitte zwischen Schulhofjargon und geschriebener Literatur.
    Zum Glück entschärfte sich mit der Verlagswahl die Sprachanforderung. Bei Ueberreuter traute man einem jugendlichen Leser durchaus zu, dass der eine Metapher entziffern oder einen Satz verstehen könnte, der länger als anderthalb Zeilen ist.
    So oder so habe ich aber eine Zeitlang gebraucht, bis ich mit Marielle und Ken als Erzähler warm wurde und 'in den Tritt' kam, mich also nicht mehr so sehr auf Sprachdetails konzentrieren musste, sondern meine Energie wieder auf Klang und Satzmelodie richten konnte, was mir sonst sehr wichtig ist.


    Das erklärt auch Mulles Beobachtung, dass der Anfang sich sprachlich ein wenig holprig anfühlt, das dann aber verschwindet.
    Den Beginn, den ich noch mit der Sprachlimitation im Kopf als Leseprobe geschrieben hatte, habe ich später noch einmal überarbeitet, aber für mich ist das irgendwie nie das Gleiche, als wenn ich gleich im Fluss schreibe. Wenn ich in guter Stimmung bin, fließen mir die Worte mehr oder weniger aus den Tasten und fügen sich gleich zu einem schönen Klang. So etwas kriege ich später mit dem analytischen Überarbeitungsblick nur ganz schwer noch hin.



    Zum allgemeinen Thema 'Anpassung des eigenen Stils ans Genre' kann ich nur noch sagen: Wartet mal, bis Ende März mein historischer Roman kommt :grin ... der wird sprachlich noch mal gaaanz was anderes.

  • danke für die ausführliche antwort, andrea. das mit den passenden vergleichen ist mir beim lesen ein paar mal aufgefallen. hast du dir auch beschränkungen bezüglich des ausmaß an gewalt auferlegt? hast du dich in der ein oder anderen szene beherrschn müssen?

    smilie_sp_274.gif
    "Es hat alles seine Stunde und ein jedes seine Zeit, denn wir gehören dem Jetzt und nicht der Ewigkeit."

  • Ja, apropos Gewalt - guter Punkt. Da habe ich tatsächlich sehr minutiös drauf geachtet. Es gibt zwar Kämpfe und jede Menge Action, aber ich habe mich sehr bemüht, den Blut- und Schauderfaktor auf ein geringes Maß einzudämmen. Dazu braucht es gar nicht so viel, es reicht, eben nicht Detail zu beschreiben, was eine Klinge tut, wenn sie ihr Ziel trifft. Sondern sich auf die knappe Aussage zu beschränken, dass sie trifft. Das Geschehen verlagert sich mehr in die Köpfe der Figuren, ihre Gefühle, und weg von visuellen Details.
    Die Anzahl an Toten ist auch verschwindend gering, im Vergleich zu anderen Romanen. Wenn ich so darüber nachdenke, gibt es, bis auf das Finale, überhaupt keine Szene, bei der ein Mensch stirbt.


    Es gibt tatsächlich im ersten Drittel eine Auseinandersetzung, bei der ich eine tödliche im Nachhinein auf eine nicht lebensbedrohliche Verletzung verändert habe.


    Zu meiner eigenen Überraschung habe ich beim Schreiben festgestellt, dass es tatsächlich auch mit sehr viel weniger Blut geht, aber die Geschwindigkeit und die Action trotzdem noch funktionieren. Ich musste mich also gar nicht angestrengt zurückhalten, ich habe nur von vornherein eine Grenze eingehalten. Aber das hat mich nicht fühlbar eingeschränkt.


    Das gleiche gilt übrigens auch für das Thema Sex ;-).
    Es gibt natürlich Romantik, aber bei der Körperlichkeit bin ich sehr zurückhaltend. Wenn man das zum Beispiel mit den City of Angels Büchern vergleicht, die deutlich expliziter sind.

  • Zitat

    Original von agu
    Wenn man das zum Beispiel mit den City of Angels Büchern vergleicht, die deutlich expliziter sind.


    Ja, das kann man wohl sagen :grin


    Ich fand aber zum Beispiel


    Da hätte expliziter Sex nur die Stimmung gestört.

    Ich hab' mich verirrt.
    Ich bin dann mal weg, um nach mir zu suchen.
    Sollte ich zurückkommen, bevor ich wieder da bin, sagt mir bitte, ich soll hier warten!

  • Mir haben Sexszenen nicht gefehlt, im Gegenteil, die hätten da gar nicht rein gepaßt. Zwischen Ken und Marielle hatte es zwar gefunkt, aber eine Annäherung kam doch ziemlich langsam zustande, manchmal nur unter dem Druck der Ereignisse und der Unbedachtsamkeit der Prinzessin. Bei einer etwaigen Fortsetzung muss sich Andrea dann aber was einfallen lassen. Auf die Dauer kann sie das Thema in meinen Augen nicht umschiffen. Kens witzige Anspielungen auf eine Hochzeitsnacht eröffnen die Möglichkeit das ganze Sexthema mit Humor anzugehen und auszuarbeiten, was ich sehr passend fände.


    @Frage zum Titel: Wie kam der zustande? Ich bin die ganze Zeit schon am Grübeln. Hat es etwas mit den Purpurkätzchen zu tun?

    smilie_sp_274.gif
    "Es hat alles seine Stunde und ein jedes seine Zeit, denn wir gehören dem Jetzt und nicht der Ewigkeit."

  • Zitat

    Original von Suzann
    @Frage zum Titel: Wie kam der zustande? Ich bin die ganze Zeit schon am Grübeln. Hat es etwas mit den Purpurkätzchen zu tun?


    Der Arbeitstitel des Manuskriptes lautetet ursprünglich: Der Weltenwanderer.
    Zu Recht merkte der Verlag an, dass das zwar ein treffender Titel ist, er aber dennoch etwas dröge klingt. Also schrieb ich auf der Suche nach geeigneten neuen Titeln, die gleichzeitig zur Story passen, aber auch ins Auge springen, ein paar A4 Seiten voll. Dabei kamen auch ein paar Wortspielereien zustande, bei denen ich Elemente aus dem Buch zu 'Kunstwörtern' zusammengesetzt habe, die mehr die Stimmung widerspiegeln, als eine konkrete Figur oder Situation.
    Der Verlag fand dann Purpurdämmern am schönsten.
    Es ist eine Wortspielerei aus 'Scharlachrot' und 'Dämmer-Detroit'. Für einen schöneren Klang wurde Scharlachrot zu Purpur, was auch wieder eine schöne Brücke zu den Purpurkätzchen schlägt, so wie Purpur überhaupt eine wichtige Farbe im Buch ist. Die Blüten an den grauen Ranken sind ja zum Beispiel auch purpurn. Und von Dämmer-Detroit floss nur die erste Worthälfte ein. Zudem hat auch Dämmern noch eine metaphorische Bedeutung: Welten stehen am Abgrund, ein Ende 'dämmert' herauf. Das grüne Leuchten der Spalte am Himmel taucht die Sphären in eine art ewige, kränkliche Dämmerung.
    Und so entstand dann eben 'Purpurdämmern' :-)



    Was den Sex in potentiellen Fortsetzungen betrifft: Ja, dem muss ich mich stellen ;-)
    Mir schwebt aber etwas zwischen zart-romantisch und zugleich ein bisschen albern und witzig vor (Suzann, da sind wir einer Meinung) und ich glaube, das wird Spaß machen, das zu schreiben.

  • Purpurdämmern klingt sehr schön. Ich kann mir vorstellen, dass es schwierig würde, einen weiteren Titel zu finden, der dazu passt. Ich habe gerade Assoziationen zu Giers Juwelenreihe oder der Biss-Reihe...


    :gruebel

    smilie_sp_274.gif
    "Es hat alles seine Stunde und ein jedes seine Zeit, denn wir gehören dem Jetzt und nicht der Ewigkeit."

  • Zitat

    Original von Suzann
    Ich kann mir vorstellen, dass es schwierig würde, einen weiteren Titel zu finden, der dazu passt.


    Ja, man hat bei Fortsetzungen ja das Problem, dass der Titel irgendwie die Zugehörigkeit zum ersten zeigen muss, aber trotzdem zum neuen Buch passen soll. Ich könnte mir allerdings vorstellen, dass es etwas wird, in dem der Rabenfächer vorkommt, und vielleicht die Farbe Cobalt ...