Graziendienst – Iso Camartin

  • Suhrkamp, 1999
    Gebunden, 234 Seiten


    Kurzbeschreibung:
    Graziendienst« ist ein Buch über die Kunst des Genießens. Iso Camartin blickt voller Neugier in die Welt der Literatur, der bildenden Kunst und der Musik, aber auch auf Landschaften und Gärten, auf klassische wie moderne Mythen und Fragen der Philosophie. Ziel seines Buches ist es, das in Bildern und Büchern, auf der Bühne, vor und hinter ganz unterschiedlichen Kulissen verborgene Schöne zu entdecken. Wenn es um das Begreifen der Welt geht, so Camartin, dürfen Leidenschaft, Lust und Verlangen nach Schönheit nicht fehlen. Wahrheitsfindung ist wichtig, und ethische Normen sind unerläßlich. Doch sich vom Schönen bewegen und leiten zu lassen rechtfertigt das Dasein in nicht geringerem Maße. Im Dienst der Grazien steht, wer Schönheit zum Mittelpunkt seines Lebens macht. Ob es um die Figur der Ariadne, um Hannah Arendt, Elias Canetti, Italo Calvino oder um Chateaubriand und Dante geht - stets meint Iso Camartin mit »Graziendienst« die Verpflichtung, auch dem Schweren unablässig das abzugewinnen, was uns gelassener, heiterer und sorgloser zu stimmen vermag.


    Über den Autor:
    o Camartin, geboren 1944 in Chur, aufgewachsen in Disentis, Graubünden, studierte Philosophie und Romantik in München, Bologna und Regensburg. Von 1985 bis 1997 war er Professor für Rätoromanische Literatur und Kultur an der Universität Zürich und an der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich. Von 2000 bis 2003 war er Leiter der Kulturabteilung beim Schweizer Fernsehen DRS, seit 2004 ist er verantwortlich für die "Opernwerkstatt" am Opernhaus Zürich.


    Mein Eindruck:
    Iso Camartins Essayband Graziendienst schaffte es zu faszinieren, denn der Autor stellt hohe Anforderungen an sich selbst und den Leser.
    Man muss in der Lage sein, sich für das Leben der beschriebenen Persönlichkeiten zu interessieren und man muss sich auf Camartins spezifischen Sprachzauber einlassen.
    Es handelt sich überwiegend um Essays, die über Jahre als Auftragsarbeiten entstanden sind. Camartin hat sie für diesen Band überarbeitet. Einige Texte waren vorher unveröffentlicht, fügen sich jedoch in das Gesamtkonzept ein. Die Essays folgen einem Konzept und nähern sich einander an, man kann einen Zusammenhang erkennen.


    Bei der Einleitung wird klar, was Camartin unter Graziendienst versteht und was er erreichen möchte. Er möchte mit ihnen der Schönheit Tribut zollen, Anmut und Leichtigkeit erreichen. Es darf nicht schwer oder plump daherkommen. Wer Langeweile verbreitet, steht nicht im Dienst der Grazien.


    Es beginnt mit Der Wanderer, ein Essay über Dante und sein Leben und seine Zeit. Was für ein großartiger Beginn. Camartin wird noch öfter auf Dante zurückkommen.


    Danach geht es um den französischen Erfinder der Romantik, Chateaubriand, seinem Wirken und seinen Hauptwerken. Ich muss gestehen, ich kannte ihn bisher nicht.
    Skeptizismus ist das Thema des nächsten Beitrags, anhand des Beispiels eines Zeitgenossen von Nietzsche. Über Leon Bloys geht es dann zu Die Philosophin, Hannah Arendt und ihre Einstellung zu der Literatur von Nabokov und Kafka. Einer der Besten Essays des Bandes.
    Eine kurze Hymne auf Canetti folgt, möglicherweise kurz nach dessen Tod erfolgt. Das ist Graziendienst in Reinkultur.
    Max Frisch und sein Homo Faber ist Inhalt des letzten Essays von Teil 1 des Buches. Wieder sehr überzeugend, man kann etwas von Frisch Persönlichkeit spüren.


    Im zweiten und dritten Teil des Buches schreibt Iso Camartin weniger personenbezogen, er widmet sich unterschiedlichen Themen. Zum Beispiel der Erzähltechnik anhand von Beispielen aus Das Schloss oder Die unsichtbaren Städte oder der kraftvollen Bildsprache der Gesänge der Göttlichen Komödie.


    Natürlich gibt es auch Abschnitte, die mich weniger ansprechen, die sich mit deutscher oder griechischer Mythologie beschäftigen, vielleicht bin ich für diese im Moment noch nicht aufnahmebereit.


    Mit Essays über Durs Grünbein oder Den Gärten der Finzi-Contini gibt es noch große Highlights!
    In den letzten paar Essays geht es um Musik.


    Das Buch ist von 1999, dem Jahr als ich Iso Camartin bei einer Lesung in Heidelberg sah und er mir ein Buch signierte, allerdings ein anderes. Ein weiteres Buch von ihm habe ich schon bestellt. Grund genug, auf eine weitere Begegnung zu hoffen!


    ASIN/ISBN: 3518410369