Luchterhand
Gebundene Ausgabe
2002
oder als Suhrkamp-Taschenbuch verfügabr
Kurzbeschreibung:
Christa Wolf kehrt zurück aus der antiken Mythologie in unsere gegenwärtige Geschichte und beschreibt die lebensbedrohliche Krankheit einer Frau. Leibhaftig ist die namenlose Heldin ihrer neuen Erzählung einer existentiellen Krise ausgesetzt: die Krankheit bringt sie an den Rand des Todes, macht ihren Körper zum Seismographen eines allgemeinen Zusammenbruchs und damit auch zum Schauplatz für Wolfs ureigenes Thema: den Konflikt zwischen Individuum und Gesellschaft. Wie ausweglos muss die Krise einer Gesellschaft sein, daß sich ihr Niedergang so in das Individuum einschreibt...
Über die Autorin:
Christa Wolf, geboren 1929 in Landsberg/Warthe (Gorzów Wielkopolski), lebte in Berlin und Woserin, Mecklenburg-Vorpommern. Ihr Werk wurde mit zahlreichen Preisen, darunter dem Georg-Büchner-Preis, dem Thomas Mann Preis und dem Uwe-Johnson-Preis, ausgezeichnet. Sie verstarb 2011 in Berlin.
Mein Eindruck:
Dieses relativ späte Buch von Christa Wolf schwankt bei 189 Seiten mit großer Schrift zwischen Erzählung und Kurzroman. Die Ich –Erzählerin wird noch zu Zeiten der DDR in ein Krankenhaus eingeliefert, da sie lebensgefährlich erkrankt ist. Der Stil entspricht zeitweise dem Zustand der Kranken, ihr Bewusstsein schwebt zwischen Traum und Realität, ihre Gedanken gehen auch mal weit zurück. Dann gibt es wieder klare Momente, in denen sie offenbar ihren Mann anspricht. Dieser Wechsel zwischen Ich und Du hat manche Kritiker anscheinend verwirrt, wenn man die Rezensionen bei Perlentaucher liest.
Inwieweit diese Krankheit als Parabel für die endende DDR-Situation steht, ist vieldiskutiert. Es gibt sogar eine umfangreiche Magisterarbeit (Krankheit als Metapher in Christa Wolfs Erzählung "Leibhaftig") darüber. Daher will ich mich dazu nicht äußern.
Was mich mehr überzeugte war die private Situation einer schwer erkrankten, was sie denkt und wie sie Ärzte und Schwestern wahrnimmt. Bekannterweise hat Christa Wolf selbst eine Blinddarmentzündung und Operation durchstehen müssen. Autobiographisches Erzählen ist vielleicht die ganz große Stärke der Christa Wolf.
Es ermöglich umso stärker ein Mitfühlen beim Lesen.
Natürlich kann man die DDR dabei nicht ausblenden, das Krankenhaus ist teilweise schlecht versorgt und unterbesetzt, weil es einen strengen Sparplan erfüllen muss.
Sprachlich bin ich an manchen Abschnitten nur halb überzeugt, einiges kommt mir zu gewollt, fast schon konstruiert vor. Das empfand ich vor allen bei den Totenreich-Metaphern (Orpheus, Eurydike) am Ende des Buches. Zum Glück überwiegen aber eine Vielzahl gelungener Sätze und wichtiger Passagen, die das Lesen doch lohnen lassen.
Besonders gefallen mir neben den monologartigen Gedankenströmen die relativ wenigen Dialoge, die eine Beziehung der Patientin mit dem Chefarzt und mehr noch mit der Anästhesistin Kora Bachmann herstellt, Bachmann, ein bedeutungsvoller Name für die Kranke, die junge Ärztin versteht das nicht. Das und andere Aspekte gehören zu der milden Form von Ironie, die Christ Wolf, eine sonst eigentlich ironiefreie Autorin, hier anwendet!
Es ist kein ganz einfach geschriebenes Buch, manche Passagen habe ich zweimal gelesen, aber dafür war ich am Ende dann doch zufrieden mit dem Buch!