Klappentext
Wenige Familien aus der englischen Aristokratie vereinten die dünkelhaften, hinterweltlichen, aber auch die zu weilen radikal unkonventionellen Züge dieser Gesellschaftsschicht in so burlesker Konzentration auf sich wie die Mitfords in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts. Die Töchter aus diesem guten Hause heirateten Brauerei erben und Faschisten, waren glü hende Bewunderinnen von Adolf Hitler, gingen auf die Fuchsjagd und endlose Cocktailparties – oder aber sie zogen für die Republik in den Spanischen Bürgerkrieg. Letzteres tat Jessica Mitford, die mit ihren Memoiren eines der vielleicht schönsten, komischsten und boshaftesten Porträts nicht nur ihres exzentrisch reaktionären Elternhauses schrieb.
Die Autorin
Jessica Mitford (1917–1996) gehörte zu den sechs Töchtern einer exzentrischen englischen Landadelsfamilie, von denen die meisten in den dreißiger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts berühmt oder berüchtigt wurden – Jessica als kommunistische Sympathisantin, die mit ihrem Cousin Esmond Romilly (einem Neffen Churchills) ausriß ins Spanien des Bürgerkriegs.
Es fällt mir schwer, dieses Buch in wenigen Worten vorzustellen. So viel passiert auf diesen wenigen Seiten.
Jessica, genannt Decca, wächst mit ihrem Bruder und 5 Schwestern in der englischen Provinz auf. Bildung ist nach Meinung ihrer Eltern Verschwenung für Mädchen, deswegen werden die Schwestern nur von wechselnden Gouvernanten unterrichtet. Gerade die jüngeren 3 Schwestern, Decca, Unity und Deborah, werden recht isoliert aufgezogen. Sie sehen kaum Gleichaltrige und müssen sich deswegen selber beschäftigen. So besteht ihre Unterhaltung darin, sich im Nachahmen der Gesichtsausdrücke ihrer Hühner beim Eierlegen nachzuahmen, eine eigene Sprache zu entwickeln oder seltsame Spiele sich auszudenken. Langeweile ist das prägende Gefühl ihrer Jugend.
Trotz dieser geistigen Unterforderung sind die Mädchen doch rege interessiert am aktuellen Geschehen in Europa. Decca selber fühlt sich schon bald den Kommunisten zugeneigt, während ihre Lieblingsschwester Unitys für Hitler schwärmt. Sie kann ihren Eltern, die ebenfalls Nazi-Sympathisanten sind, eine Reise nach München abtrotzen. Dort sitzt sie so lange in Hitlers bevorzugtem Restaurant und starrt ihn an, bis er sie letztendlich an seinen Tisch bittet. Angetan davon, ein englisches Fräulein vor sich zu haben, wird sie schon bald ein Bestandteil seines Freundeskreises. Als Jahre später Deutschland England den Krieg erklärt, wird sich Unity in den Kopf schießen. Der Selbstmordversuch misslingt jedoch und sie lebt noch einige Jahre geistig stark beeinträchtigt.
Auch Diana, eine der älteren Schwestern, ist eine Nazianhängerin. In erster Ehe mit dem Guinness-Brauereierben verheiratet, fängt sie nach der skandalösen Scheidung eine Affäre mit dem Führer der englischen Nazipartei an. Zusammen mit Unity verbringt sie viel Zeit in Deutschland in höchsten Nazikreisen.
Decca selber flieht mit ihrem Cousin Esmond, einem Neffen Chruchills, nach Spanien, um dort den Bürgerkrieg zu unterstützen. Die beiden sind hoffnungslos überfordert damit, ein einfaches Leben zu führen. Aufgezogen nach damaligen englischen Schema, sind sie kaum in der Lage, ohne Personal für sich zu sorgen. Das erzählt die Autorin mit feiner Selbstironie. Sie hangeln sich so durch, bis sie irgendwann wieder in England landen. Die beiden heiraten nach einigem hin und her. Sie sind so weltfremd, das sie noch nicht einmal wissen, das man für Strom und Heizung bezahlen muss und dergleichen nicht einfach gottgegeben ist. Kurz vor Kriegsbeginn ziehen die beiden nach Amerika. Auch das hat durchaus seinen Witz. Mitford beschreibt sehr fein die Unterschiede zwischen Amerika und England. Esmond und sie haben auch dort noch nicht so recht einen Plan, wie sie ihren Lebensunterhalt bestreiten sollen. Sie geraten an Betrüger, versuchen sich als Vertreter für Seidenstrümpfe. Esmond ist immer für eine Idee gut, jederzeit hat er neue Pläne. Schließlich betreiben sie eine Bar in Miami. Dann beginnt der Krieg und Esmond fühlt sich berufen, seinen Teil dazu beizutragen. Er schließt sich der kanadischen Air Force an.
Das Buch endet mir Esmonds Abreise Richtung Kanada. Jessica Mitford zieht ein kurzes Resümee, sie erwähnt Unitys Selbstmordversuch, den sie im fernen Amerika aus der Zeitung erfahren muss. Esmond selber wird im Krieg umkommen, er wurde nur 23 Jahre alt.
Jessica Mitford ist eine anschauliche Biiografie gelungen. Zugleich ist es ein Zeitdokument. Nicht nur der englischen Adelsklasse, die sich im 20. Jahrhundert schon selber überlebt hatte. Zudem beschreibt sie, zwar sehr subjektiv von ihrem Standpunkt aus, wie sich Europa auf den 2. Weltkrieg zubewegte. Mir hat das Buch sehr gut gefallen, es ist sehr informativ, ein wenig bissig und unterhaltsam. Ich bin fasziniert von dieser ungewöhnlich Familie.