Josef Haslinger - Das Vaterspiel

  • Kurzbeschreibung:


    Rupert Kramer, genannt Ratz, ist der Sohn eines österreichischen Ministers. Er ist 35 Jahre alt und das, was man einen Versager nennt. Nächtelang sitzt Ratz vor dem Computer, um ein abstruses Vatervernichtungsspiel zu entwickeln. Er haßt seinen korrupten sozialdemokratischen Vater, der seine Familie wegen einer jungen Frau verlassen hat. Im November 1999 erhält Ratz einen geheimnisvollen Anruf von Mimi, seiner Jugendliebe. Ratz fliegt nach New York, ohne zu wissen, was ihn erwartet.


    Meine Meinung:


    Dieser Roman spielt auf mehreren Ebenen, die sich erst gegen Ende vereinigen: zum einen ist da die Geschichte von Rupert „Ratz“ Kramer, dem Sohn des österreichischen Verkehrsministers, der in Rückblenden aus der Familiengeschichte und seinem eigenen Leben erzählt bis hin zu seinem Flug nach Amerika nach dem mysteriösen Anruf Mimis, einer Jugendbekanntschaft, die er jahrelang nicht gesehen hat.
    Dann sind da noch die Protokolle der Aussagen eines litauischen Juden, der die Vernichtung seines Volkes während des Zweiten Weltkrieges als einziger aus seiner Familie überlebt hat und zwei Jahrzehnte danach Anklage erhebt gegen einen der damaligen Täter.


    Josef Haslinger, der hierzulande und auch in Deutschland 1995 für seinen Roman „Opernball“ gefeiert wurde, zeigt auch mit dem einige Jahre später erschienenen „Das Vaterspiel“, dass er ein hervorragender Romancier und geübter Stilist ist. Auch wenn es diesem Roman sicherlich an Identifikationsfiguren mangelt, hat mich der Text von der ersten Seite an gefesselt, was sich im Verlauf der immerhin 570 Seiten auch nicht mehr geändert hat.


    Fasziniert folgte ich den Familiengeschichten, zum einen in der Gegenwart die Familie Kramer samt sozialdemokratischem Minister als Familienoberhaupt und Rupert als schwarzem Schaf, zum anderen die jüdische Familie im Ghetto in Litauen in der Zeit des Zweiten Weltkrieges.


    Mit einem geschliffenen, sprachmächtigen Schreibstil treibt Haslinger die beiden Stränge aufeinander zu, um sie schlussendlich klug konstruiert zu vereinen.
    Eine Klassifizierung des Romans fällt schwer: natürlich geht es um das Schicksal der Juden während des Zweiten Weltkrieges, aber doch nicht hauptsächlich; natürlich ist es eine sehr intelligent aufgebaute Familiengeschichte im roten Umfeld, aber auch nicht primär; darüber hinaus ist es eine Art Entwicklungsroman von Rupert, leise Gesellschaftskritik, Zeugnis dafür, dass man der Geschichte nicht entkommen kann und vieles mehr.


    Kurzum: ein Roman, der es in sich hat und den ich sehr gerne (zum zweiten Mal) gelesen habe.

  • Danke für die schöne Rezi, mir hat das Buch damals auch sehr gefallen, für eine Rezi hat irgendwie die Zeit nicht gepasst.

    Nemo tenetur :gruebel


    Ware Vreundschavt ißt, wen mahn di Schreipfelerdes andereen übrsihd

    :lesend  :lesend Kirk A. Denton The Columbia Companion to modern Chinese Literature