Verlag: rororo
1999
129 Seiten
Kurzbeschreibung:
In Reisebildern aus Tel Aviv, Berlin, Leipzig und Wien, in Erinnerungsmomenten einer fast entrückten Kindheit, in erzählten und geträumten Geschichten, in Wahrnehmungen, die ins traumatisch Visionäre oder in die glückhafte Epiphanie umkippen, hält Imre Kertész einen existentiellen Epochenwechsel fest - erfahrungsbereit, erschüttert, ungläubig.
Über den Autor:
Imre Kertész, am 9. November 1929 in Budapest geboren, wurde 1944 nach Auschwitz deportiert und 1945 in Buchenwald befreit. Nach Kriegsende arbeitete er zunächst als Journalist, seit 1953 dann als freier Schriftsteller und Übersetzer in Budapest. Mit seinem «Roman eines Schicksallosen», 1975 in Ungarn veröffentlicht, gelangte er nach der europäischen Wende zu weltweitem Ruhm. 2002 erhielt er den Nobelpreis für Literatur.
Mein Eindruck:
Ich - ein anderer ist ein Text von dem Literaturnobelpreisträger Imre Kertesz ohne direkte Handlung. Dennoch ist die Gattungsbezeichnung Roman auch nicht falsch, schließlich ist der literarische Gehalt eindrucksvoll. Ähnlich wie ein Tagebuch handelt es sich um autobiographische Gedanken und Reflexionen Kertesz Anfang der neunziger Jahre in Wien, Budapest und Berlin sowie auf Lesereise durch diverse Städte, z.B. auch auf der Frankfurter Buchmesse. Er fliegt sogar nach Israel.
Interessanterweise unterscheidet er in einer Passage dabei zwischen sich selbst als Person und K. der Schriftsteller. Als K. spricht er auch in essayistischer Form über Auschwitz, wobei er dabei mit sich selbst in eine Diskussion kommt. Diese Form erinnert an sein späteres Buch "Dossier-K Eine Ermittlung".
Selbstverständlich ist es auch Literatur, was ihn beschäftigt. Neben seinen eigenen Büchern (z.B. Kaddisch für ein ungeborenes Kind) sind es Werke von Samuel Beckett (Molloy), Borges, Valery, Thomas Mann, Pessoa u.a.
Kertesz schreibt auch darüber, was Antisemitismus ist und wie sich der Antisemitismus vor und nach Auschitz verändert hat.
Zentral geht es um Identität, z.B. sein Judentum.
Ausgangspunkt ist die These von Rimbaud: Ich ist ein anderer.
Kertesz sagt: Meine einzige Identität ist die des Schreibens.
Auch über privates schreibt er, z.B. der Schicksalsschlag durch die Erkrankung seiner Frau.
Ich habe das Buch mit großen Interesse gelesen.