"Henning flieht vor dem Vergessen" von Hilda Röder

  • Von den Themen "Alzheimer" und "Sterbehilfe" hat sicher jeder schon gehört. In diesem Buch der in Holland gebürtigen Autorin Hilda Röder werden nun beide Themen miteinander verbunden, und zwar auf ansprechende und nicht moralisierende (!) Weise.


    Es ist zwar ein Roman, aber die Autorin bezieht sich doch auf persönliche Kenntnisse. Sie hat selber ein Hospiz gegründet und geleitet. Außerdem hat sie in ihrer eigenen Familie diverse Fälle von "begleitetem Freitod" erlebt - so der offizielle Fachbegriff in Holland, wo dies ja legal möglich ist.


    Das Besondere an diesem Buch ist nun, dass es keinerlei Partei ergreift, sondern immer den Leser selber denken lässt. Erzählt wird die - fiktive - Geschichte eines fidelen 68jährigen, Henning Landes, der in Amsterdam lebt. Er blickt zurück auf ein aktives und selbstbestimmtes Leben voller Höhen und Tiefen - und gerade das schmettert ihn nieder, als er die Diagnose "Alzheimer" erhält. Er macht sich Gedanken über sein Lebensende, und durchläuft eine Gefühls-Achterbahn sondergleichen.


    Es ist auch nicht so, dass man in Holland beliebig oder oberflächlich wäre. Nein, das Buch zeichnet genau alle behördlichen und ärztlichen Schritte nach, die in einem solchen Fall zu gehen sind. Es dauert mehrere Monate, bis die Entscheidung schließlich da ist. In dieser Zeit gibt es viel Raum für Diskussionen innerhalb der betroffenen Familie, viel Raum für Tränen, Aussprachen, und Rückblicke. Diesen Raum nutzt die Autorin sehr geschickt, um ein Leben vor unseren Augen erstehen zu lassen, gleichzeitig aber auch ein kleines zeitgeschichtliches Porträt der Niederlande zu entwerfen.


    Es ist ein Buch, das zum Verweilen und Nachdenken einlädt. Die Handlung ist nicht geradlinig, sondern immer wieder durchbrochen von den anrührenden Lebenserinnerungen von Henning Landes. Das hat mich aber sehr überzeugt, weil ich selber von Berufs wegen weiß, dass an Alzheimer Erkrankte oft in der Vergangenheit weilen. Auch die langsam sich verschlimmernde Symptomatik einer Alzheimer-Erkrankung hat die Autorin sehr gut getroffen! Da es ein Roman ist, hätte man mit mehr Verklärung und weniger Sachlichkeit rechnen können. Aber nein, alles professionell und richtig.


    Im Grunde muss man dieses Buch "einwirken" lassen, und kehrt auch noch nach Beendigung der Lektüre gedanklich oft zurück. Sehr gelungen, sehr anrührend. Und vor allem - als Buch schön gestaltet, sogar mit Lesebändchen! Auch als Roman überzeugend. Ich wüsste wirklich keinen Grund, dieses Buch nicht weiterzuempfehlen. Vor allem in professionellen Kreisen.


    Edit: Bitte in den Threadtitel nur Buchtitel und Verfasser, ggf. Serienvermerk setzen. Den Kommentar habe ich entfernt. LG JaneDoe