Jacques Derrida: eine Biographie - Benoit Peeter

  • Suhrkamp, 2013
    Gebunden, 935 Seiten


    Aus dem Französischen von Horst Brühmann


    Kurzbeschreibung:
    Viel wurde über Derridas Werk geschrieben, wenig über die Person. Benoît Peeters hat sich der Aufgabe gestellt: Auf Basis von Interviews mit über 100 Weggefährten und einer umfassenden Auswertung des Nachlasses ist die Lebensgeschichte eines der wichtigsten Philosophen des letzten Jahrhunderts entstanden. Natürlich schildert Benoît Peeters die zahlreichen Kontroversen, die der 1930 in Algerien geborene und 2004 in Paris gestorbene Philosoph führte. Selbstverständlich kommen seine philosophischen Ideen und Konzepte zur Sprache. Vor allem aber, und das macht diese Biographie so spannend, so atemberaubend, ließ sich Peeters von Fragen wie diesen leiten: »Was aß er? Wen liebte er? Welche waren seine Ängste, seine Sehnsüchte, seine Ticks und seine Verletzungen? Wer waren seine wirklichen Freunde?« Peeters sucht sie auf, die Freunde und die Feinde, reist, liest, wühlt in Archiven. Er rekonstruiert Werk, Leben und Wirkung eines ruhelosen Denkers, der »praktisch permanent gegen etwas oder jemanden Krieg führte«. Wer die Kämpfe und die Ideen Jacques Derridas wirklich verstehen will, kommt an diesem umfangreichen, materialgesättigten Buch nicht vorbei. - Mit zahlreichen bisher unveröffentlichten Fotografien aus dem Nachlass


    Über den Autor:
    Benoît Peeters, geboren 1956 in Paris, ist Autor von Romanen, Essays, Sachbüchern und Comics. Er hat Biographien über Hergé und Paul Valéry veröffentlicht. Derrida ist die erste umfassende Biographie über den französischen Kultphilosophen.


    Mein Eindruck:
    Diese Biographie über einen der bedeutendsten zeitgenössischen Philosophen ist ein mächtiges Werk, aber erfreulicherweise zeichnet es sich durch eine vorzügliche Lesbarkeit aus. Man kann auch dann noch folgen, wenn man wenig Philosophie-Kenntnisse mitbringt.
    Natürlich ist trotzdem hilfreich ein wenig über Dekonstruktion und Derridas Werk (Grammatologie, Glas) und Umfeld (Paul de Man, Maurice Blanchot) zu wissen.


    Derrida, der Anfang der sechziger aus Algerien nach Frankreich kam, wechselte 1977 als Professor nach Yale.


    Der Biographie mangelt es nicht an Anekdoten, z.B. Derridas Büro in Yale war eine kleine, schlecht beheizte Dachkammer, in der nichtsdestotrotz jahrelang seine wichtigen Thesen erarbeitete.


    In der Biographie wird nicht versucht, die Philosophie Derridas zu erklären, sie konzentriert sich darauf, sein Leben darzustellen. Wobei das Werk natürlich beiträgt, so gibt es z.B. eine berühmte Debatte zwischen Derrida und Michel Foucault, die teilweise erbittert geführt wird.
    Immer wieder gab es extreme Reaktionen auf Derridas Vorträge und Bücher, im positiven wie im negativen.
    Wer hätte gedacht, dass die Welt der Philosophen dem einer Soap Opera gleicht.


    Ein spannendes Kapitel war Die Nacht von Prag, in der Derrida verhaftet wurde.
    Grund war seine Unterstützung der Charta 77 gegen die Menschenrechtsverletzungen des kommunistischen Regimes in der Tschechoslowakei.
    Durch heftige Proteste der französischen Regierung kam Derrida aber wieder frei.
    Auch Abschnitte über die Heidegger-Affäre und die Paul De Man-Affäre vermögen es zu fesseln.
    1982 spielte Derrida in einem Film mit, 2002 gab es sogar einen Dokumentarfilm mit und über ihn.


    Benoit Peeter ist Derrida zugetan, natürlich, sonst wäre so eine Biographie auch würdelos, aber ganz unkritisch ist er auch nicht. Er erwähnt durchaus Derridas kleine Eitelkeiten oder ungeschicktes Verhalten und Verdrängen unliebsamer Themen.
    Die linear aufgebaute Biographie hat einen suggestiven Ton, die den Leser ans Buch fesselt.


    Das einzige, was mir an der Biographie unkomfortabel war, dass Derridas Werke im Text oft nur im Original betitelt wurden und die deutschen Titel umständlich im Anhang nachgeschlagen werden mussten.
    Die Fotos sind nur durchnummeriert. Auch da muss man hinten nachschlagen, um wen oder was es sich auf dem Foto handelt.


    Für echte Philosophie-Cracks gibt es vielleicht zu wenig Philosophie in dem Buch. Man bekommt aber ein Gespür dafür, warum Derrida so außergewöhnlich war.


    DerridaMania!!!