Sarah Stricker: Fünf Kopeken

  • Sarah Stricker: Fünf Kopeken
    Verlag: Lübbe Audio
    16 Stunden und 22 Minuten
    Format: audible Hörbuch-Download
    Version: Ungekürzte Ausgabe


    --> Eulen-Rezi zum Buch


    Inhalt
    Annas Mutter ist schwer krebskrank und wird nicht mehr lange leben. Ein Anlass für Anna, als Besucherin der Kranken die Familiengeschichte zu durchleben. Für die Tochter wird dies die letzte Gelegenheit sein, noch etwas aus ihrer Familiengeschichte zu erfahren. Die Patientin, immer nur "meine Mutter" genannt, ist schwierig und abweisend gegenüber der Erzählerin. Die Großeltern führten eine für die damalige Zeit durchschnittliche Ehe nach preussischen Werten, der Großvater ein Patriarch alter Schule, unbeherrscht und schlitzohrig, mit einer Frau, die in dieser konventionellen Beziehung völlig aufgeht und keine eigene Meinung hat. Im Vergleich zu ihm als Teilnehmer des Zweiten Weltkriegs, der die russische Kriegsgefangenschaft überlebt hat, können alle anderen aus der Sicht des Großvaters nur Schwächlinge sein. Der Aufstieg des Schneiderschen Textilgeschäfts folgt dem Wirtschaftsaufsschwung der Nachkriegsjahre. Die einzige Tochter wird behütet, kontrolliert, im Klammergriff der Familie gehalten; sie flüchtet vor den Menschen in die Welt der Wissenschaft. Schließlich wird sie Medizinerin, um als Kopfmensch den eigenen Körper zu besiegen und zu beherrschen. Ein Exkurs führt die Schneiders als Wende-Profiteure nach Berlin, wo Oskars Frau aus Vorkriegszeiten noch eine Immobilie besitzt. Man könnte es beinahe als Verhöhnung des Vaters sehen, dass seine Tochter sich in einen mittellosen ukrainischen Juden verliebt und in dieser Beziehung - endlich einmal - hemmungslos über die Stränge schlägt. An Ende schließt sich der Kreis mit der Erkenntnis, dass bei Schneiders der Apfel nicht weit vom Stamm gefallen ist und "meine Mutter" ihrem Vater in ihren nervigen Eigenschaften verblüffend ähnelt.


    Fazit
    Sarah Strickers fulminanter Familienroman erzählt die deutsche Nachkriegsgeschichte bis in die Wendezeit in neuer, erfrischend respektloser Tonlage. Die Nüchternheit der Tochter und Enkeltochter als Berichterstatterin lässt einem dabei oft das Schmunzeln über Oskar und seine Sippe im Hals stecken bleiben. Ein Ton, mit dem man den Prozess des Zähneputzens beschreiben würde, kann in emotionaleren Situationen recht makaber klingen.


    Gehört habe ich die Geschichte in der ungekürzten Lesung von Annina Braunmiller, die für eine jugendlich wirkende Erzählerin eine gute Wahl ist. Abschnitte in unterschiedlichen Dialekten und Fremdsprachen gelingen der Sprecherin nicht immer und zahlreiche verschluckte Endsilben außerhalb von Dialogen ließen den Text zu umgangssprachlich wirken.


    7 von 10 Punkten

  • Sarah Strickers Wortgewandtheit tropft aus jedem Satz dieses Buches heraus, hier und da hätte ich am Liebsten gesagt: "Ja ist gut Mädchen, ich weiß, daß du dich kreativ ausdrücken kannst." Ein paar Verbaleskapaden weniger hätten dem Buch nicht geschadet. Nicht geschadet hat ihm aber auch die Beobachtungsgabe der Autorin nicht, sie erfindet so kreative und glaubwürdige Charaktere, daß man zögerlich zu überlegen beginnt, ob es sich hier wirklich um einen Roman, oder doch eher um etwas sehr Autobiografisches handelt.


    Letztendlich wurde ich von Sarah Stricker gut unterhalten, habe milde gelächelt, mich mit der Protagonisten gefreut, war mit der Erzählerin schockiert und doch konnte das Buch mich nicht wirklich begeistern, dazu bleibt mir diese Geschichte zu fern und ist mir diese Liebesblödigkeit zu ausgeprägt.
    Dazu kommen hier und da einige Stellen, über die ich stolperte, zum einen ist mir nicht ganz klar, zu welcher Zeit die Erzählungen spielen. Die Hauptperson stirb kurz vor ihrem 50igsten Geburtstag und kurz nach der Wende, Anfang der Neunziger spielt die Geschichte, in der die Hauptperson mit der Erzählerin schwanger wird, irgendwie erscheint mir die Erzählerin aber deutlich älter, als die 20 Jahre, die sie so höchstens sein könnte.
    Auch nächtigt "die Mutter" zu Beginn der 90er in einem heruntergekommenen Hotel im Osten Deutschlands und bekommt dort ganz selbstverständlich eine Schlüsselkarte ausgehändigt, das erscheint mir nicht realistisch. Es gibt noch ein paar weitere Stellen, die ich etwas holperig fand eine Bomberjacke und eine Bulldogge, die für mich irgendwie auch nicht recht in die erzählte Zeit paßten. Mag sein, daß mein Gefühl mich täuscht, aber es fühlte sich für mich in dieser Zeit einfach nicht passend an und ließ mich immer wieder vergessen, zu welcher Zeit wir uns in der Geschichte bewegen.


    Die Erzählstimme hat mir meist gut gefallen, sie betont gekonnt und passend zum Text. Hier und da versucht sie den Dialekt etwas zu motiviert umzusetzen, was mir weniger gut gefallen hat.
    Aber grundsätzlich hat mir das gut gefallen.


    Ich muß allerdings gestehen, daß ich mir von dem Buch irgendwie mehr versprochen habe und so nun etwas enttäuscht zurück bleibe, auch weil mir das Ende nicht gefällt und mir der Sinn der Erzählung bei diesem Ende etwas abhanden kommt...

  • --> Laut Nachricht von audible wird inzwischen eine veränderte Aufnahme angeboten.
    "Der Verlag hat nach einer Bitte der Autorin einige Kapitel verändert, erneut produziert und auch Audible diese aktualisierte Fassung zur Verfügung gestellt." Käufer und Abonennten können sich die neue Fassung herunterladen.

  • Die Nachricht habe ich auch heute bekommen, allerdings höre ich mir ein Hörbuch nicht ein zweites Mal an, so daß ich das irgendwie seltsam finde.
    Schöner fände ich einen Hinweis, was verändert wurde...