Schadenzauber – Atir Kerroum

  • Ottonus C. Agricola, kurz Otto, ist freiberufliche Zauberer. Er ist erst seit kurzem im Geschäft und steht vor dem, was vielen Neu-UnternehmerInnen droht: der Pleite. Natürlich hat er Schulden und dazu ein kleines, dunkles Geheimnis. Er ist ein schlechter Zauberer. Ziemlich sehr schlecht.


    Als eines Tages wider Erwarten Kundschaft vor seinem Büro in Worms auftaucht, scheint sich die Lage aufzuhellen. Die Freude darüber hält aber nur so lange an, bis die Kunden mit ihrem Auftrag herausrücken. Was sie verlangen, ist kriminell. Natürlich lehnt Otto ab, wer will schon angeklagt und lebendig in einen Sumpf geworfen werden (wenn er Glück hat!). Allerdings sind die Kunden in der Lage, ihr Angebot so zu formulieren, daß Otto nicht bei seiner Ablehnung bleiben kann und schon ist er dabei, etwas zu wirken, was nichts weniger ist als Schadenzauber. Noch dazu in hochpolitischen Angelegenheiten. Der König von Burgund sucht nämlich eine Braut für seinen Erben und König Harald Goldzahn von Thule wünscht seine Tochter als Königin von Burgund zu sehen. Wider besseren Wissens (nicht zuletzt um seine beschränkten Fähigkeiten) studiert Otto Liebeszauber.
    Klar geht es schief. Damit beginnt eine wilde Reise auf der Suche nach einem Fachmann, der die Sache wieder in Ordnung bringen kann, ehe der König von Burgund und Harald Goldzahn dahinter kommen. Und bevor die muskelbepackten Abgesandten von Thule Otto den Hals umdrehen, wozu sie immer wieder mal Lust verspüren, denn natürlich sind sie auf der verrückten Reise dabei. Wie auch die Prinzessin.


    Schadenzauber ist eine Fantasy-Komödie, gescheit, sehr komisch und rasant. Mit knapp 110 Seiten ist es mehr eine Erzählung als ein Roman, aber es passiert wirklich genug bei diesem beschränkten Umfang. Nützliches über Schiffahrt und Segeln mehr so im frühen Mittelalter gibt’s auch noch zu lesen. Abgesehen von der irrwitzigen Handlung findet man nicht wenige äußerst lustige Anspielungen auf Standards des Genres (einschließlich Piraten), parodistische Einlagen - ‚M-Merlin!‘ stammelte Otto. ‚Mörrlinn‘, korrigierte Merlin. Ich bin Brite.‘ – und manchen Seitenhieb auf Zauberei und die, die daran glauben.


    Das Schöne dabei ist, daß der Autor das Genre wie auch seine Figuren ernst nimmt. Bei allem Spaß kann man mit Otto in seiner Bedrängnis mitfühlen. Ein paar Seiten mehr hätten auch einer eingehendere Charakterisierung der Figuren ermöglicht, manches bleibt ein wenig skizzenhaft. Die Sprache ist flott und modern, enthält viel Sprachwitz und Schlagfertigkeit. Formuliert ist es nicht ganz sauber, da hätte man noch nachbessern können, die Geschichte verdient das unbedingt.


    Schadenzauber ist ein Beleg dafür, daß man für Fantasy-Screwballs nicht immer und unbedingt bei den englischsprachigen Titeln suchen muß. Es ist leichte, rundum vergnügliche Lesekost, aber so überzeugt und selbstbewußt erzählt, daß man Otto, unfähiger Zauberer vom Dienst, so schnell nicht vergißt.
    Ach, so. Natürlich ist es eine Liebesgeschichte!

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus