Murakami - Tanz mit dem Schafsmann

  • Welch ein tolles Buch!


    Mein fünfter Murakami und zum viereinhalbten Mal bin ich total begeistert (lediglich Mister Aufziehvogel hat mich nur eingeschränkt begeistert).


    Amazon-Kurzbeschreibung.


    Im Hotel Delphin gibt es eine dunkle, gruselige Zwischenwelt, in der manchmal der Lift stecken bleibt. Dann kann man dem Schafsmann begegnen. Er ist Schatten und Schutzengel des Erzählers. Und seine Botschaft lautet: "Tanzen. Immer weiter tanzen, solange die Musik spielt." Traum? Realität? Bei Murakami sind sie nicht so genau zu trennen. Mit traumwandlerischer Sicherheit versteht es der japanische Bestsellerautor, erotische Sehnsüchte in seinen Romanen zum Leben zu erwecken. "Tanz mit dem Schafsmann" ist eine wunderbar fesselnde Liebesgeschichte, verführerisch leicht erzählt und mit einem überraschenden Ende.




    Der Amazon-Text sagt natürlich überhaupt nichts über das Buch aus, die Amazon-Rezi ist eher schlecht, aber mir hat das Buch sehr gut gefallen. Es verbindet das Geheimnisvolle aus "Hardboiled Wonderland" mit der Liebesgeschichte aus "Gefährliche Geliebte" ... oder so.


    LESEN!

  • In zwei Etappen hab ich es gelesen, und die Unterbrechung lag keineswegs am Buch, sondern an mir. Ich hatte einfach zu viel um den Kopf.


    Eine sehr merkwürdige Geschichte. Der Ich-Erzähler ist ein ewig unentschlossener Auftragsautor, dessen Tokyoter Leben in einsamen geordneten Bahnen verläuft, bis er nach Sapporo reist, um seiner Vergangenheit in Gestalt eines alten, heruntergekommenen Hotels nachzuspüren. Dort hat er einige Tage mit Kiki, einer früheren Geliebten, verbracht.
    Doch das alte Etablissement ist fort, statt dessen steht dort ein ebenso supermodernes und luxuriöses wie steriles Hotel, in dem Yumiyoshi arbeitet, ein etwas kapriziöses junges Mädchen, und Yuki, die verwahrloste Tochter zweier reicher, künstlerisch tätiger Eltern. Zugleich scheint das alte Hotel immer noch vorhanden, als ob es manchmal geheime Zugänge dorthin gibt.
    Dort begegnet der Erzähler dem "Schafsmann", den er von früher schon kennt, und der ihn lehrt, er solle einfach tanzen.
    Yuki und den Erzähler verbindet eine erzieherisch wirksame Freundschaft: Das störrische Mädchen wird selbstbewußter, und auch sie weiß um den Schafsmann, ebenso wie Yumiyoshi, mit der der Erzähler nur telefoniert, die andere Welt im Hotel auch schon erlebt hat.
    Der Erzähler hat sich in den Kopf gesetzt, seine frühere Geliebte Kiki zu suchen; dabei trifft er seinen früheren Schulkameraden Gotanda, einen Filmstar, wieder und freundet sich eng mit ihm an, begegnet durch ihn einem Callgirl, das zu Tode kommt, torpediert polizeiliche Ermittlungen, weil er Gotanda nicht in Verdacht bringen will -- überhaupt tanzt er auf dünnem Eis ...


    Wie dann am Ende alles zusammenpaßt, müßt ihr schon selbst nachlesen!


    Ein wirklich lohnendes Buch!

  • Das Hotel "Delphin" und den Erzähler kennt man u.U. schon aus "Wilde Schafsjagd". "Tanz mit dem Schafsmann" ist aber nicht wirklich eine Fortsetzung.


    Das hier schrub ich seinerzeit zu "Wilde Schafsjagd":


    So richtig wild ist das Buch nicht, und einem echten Schaf begegnet der Protagonist genauso wenig, ein - wie immer bei Murakami - namenloser Held aus Tokyo. Er ist neunundzwanzig und betreibt eine Werbeagentur, zusammen mit einem Kumpel, der tagsüber sehr solide wirkt - im Gegensatz zu unserem Helden -, sich aber gnadenlos die Hucke zusäuft. Auch der Protagonist gönnt sich gerne mal ein Bierchen oder zwei, hat eine Freundin, die eher bläßlich scheint, aber als Buchkorrektorin, Ohrenmodell und Callgirl arbeitet, davon abgesehen über sehr interessante Fähigkeiten verfügt. Wir schreiben 1978.


    Eines Tages taucht ein etwas seltsamer, glatter, sehr seriöser Mann in der Agentur auf. Er fordert, daß eine Publikation eingestampft wird, die die beiden für eine Versicherungsgesellschaft hergestellt haben, unter Verwendung eines Fotos, das der Held von seinem verschollenen Freund "Ratte" zugeschickt bekommen hat: Eine Schafweide irgendwo in den Bergen. Eines der Schafe auf dem Bild ist nicht wie die anderen. Es ist das Überschaf, das mysteriöse, kraftspendende Traumschaf, ein Tier, das sich besondere Menschen als Wirt sucht, um seinen anarchistischen Willen in der Welt durchzusetzen. Unser Held wird beauftragt, dieses Schaf zu finden, und eine Odyssee beginnt, die knapp einen Monat dauert. Schafft er es nicht, wird seine Existenz vernichtet, nicht mehr, nicht weniger.


    Im Klappentext ist von einem "Detektiv-Roman mit Science-Fiction-Elementen" die Rede. Aber das stimmt nicht. In einer etwas spröden, aber sehr lesbaren Diktion erzählt "Wilde Schafsjagd" von einem Protagonisten, der clever ist, aber passiv, der die richtigen Schlüsse zieht, aber die Richtung nicht kennt, in die sich die Dinge entwickeln. Natürlich ist er auf der Suche, allerdings nicht wirklich auf einer Jagd, und am Ende wird nicht das Schaf aus Fleisch und Blut gefunden, sondern dasjenige in uns allen: Die grandiose Dummheit, mit der sich einige von uns die Welt zurechtzubiegen versuchen. Das Schaf steht für den nutzlosen Willen, die Dinge und Menschen zu unterwerfen, für den Geschmack der Macht.
    Vielleicht. Wie immer bei Murakami steht die Eindeutigkeit und Klarheit der Figuren in einem krassen Gegensatz zum Kontext und zur Handlung; was man zwischen den Zeilen findet, liegt im Ermessen des Lesers, jedes einzelnen. Allerdings bietet "Wilde Schafsjagd" deutlich mehr Identifikations- und Auslegungspotential, als etwa "Mister Aufziehvogel", liest sich flüssig, spannend, ist überaus exakt beobachtet. Wer allerdings ein Lesevergnügen erwartet, das mit dem Ende endet, ist bei Murakami auf dem falschen Dampfer. Generell und in diesem Einzelfall.

  • "Tanz mit dem Schafsmann" hat mir gut gefallen, etwas besser als "Wilde Schafsjagd".
    Wieder gibt es entrückte Szenen, allerhand Skurriles, Philosophisches, aber auch Profanes. Der Erzähler ist ja bereits aus "Wilde Schafsjagd" bekannt, auch die Frau mit den großartigen Ohren (Kiki) spielt wieder eine Rolle, ebenso der Schafsmann und natürlich das Hotel Delphin.
    Zwischendurch hat dieser Roman zwar einige Längen, aber im großen und ganzen ist er sehr lesenswert, nicht zuletzt aufgrund des vor allem in den Dialogen enthaltenen Humors.
    8/10 Punkte