Isch geh Schulhof - Philipp Möller

  • Titel: Isch geh Schulhof: Unerhörtes aus dem Alltag eines Grundschullehrers
    Autor: Philipp Möller
    Verlag: Bastei Lübbe
    Erschienen: September 2012
    Seitenanzahl: 368
    ISBN-10: 3404606965
    ISBN-13: 978-3404606962



    Über den Autor: (Amazon)
    Philipp Möller, Jahrgang 1980, ist Diplom-Pädagoge und lebt als freier Autor in seiner Heimatstadt Berlin. Nach dem Studium der Erwachsenenbildung wagte er den Quereinstieg als Lehrer und unterrichtete zwei Jahre lang an Berliner Grundschulen. Als Pressereferent der Giordano Bruno Stiftung engagiert er sich für Humanismus und Aufklärung. Seit Februar 2011 stellt er seine pädagogischen Fähigkeiten auch als Vater unter Beweis.



    Kurzbeschreibung: (Amazon)
    «Heute ist Klassenausflug. Bowlen - damit die Kinder sich endlich mal so richtig austoben können. Als ich den Klassenraum betrete, stürmen die ersten schon auf mich zu. "Herr Mülla, iebergeil!", ruft Ümit. "Isch mache Strike, ja? Schwöre, schmache eine Strike!" Mit wilden Bowling-Trockenübungen steht er vor mir. Wenn er nachher tatsächlich so bowlt, nehme ich mir besser einen Helm mit. Aushilfslehrer? Ein lockerer Job, denkt Philipp Möller - bis zur ersten Stunde in seiner neuen Klasse: Musikstunden erinnern an DSDS, hyperaktive Kids flippen ohne ihre Tabletten aus und zum Frühstück gibt es Fastfood vom Vortag. Möllers Geschichten aus dem deutschen Bildungschaos sind brisant und berührend, und dabei immer wieder urkomisch.


    Meine Meinung:
    Ich habe dieses Buch eigentlich rein zur Unterhaltung mehr oder weniger zufällig aus der Bücherei mitgenommen und mir sanfte Unterhaltung im Stil von "Chill mal, Frau Freitag" erhofft und vorgestellt. Zum Teil war dies auch so, denn Philipp Möller (der als Quereinsteiger in einer Berliner Grundschule zwei Jahre unterrichtet hat) schildert sehr viele Situationen mit seinen Schülern, wie ich sie schon in dem Buch von Frau Freitag kannte - Fünftklässler, die kein bisschen flüssig lesen können; Schüler mit Migrationshintergrund oder eben aus sozial schwachen deutschen Familien, bei denen Vernachlässigung und schlechte familiäre Verhältnisse eine große Rolle spielen; Schüler mit großer Klappe, die jeden Lehrer in den Wahnsinn treiben und und und. Und da er an einer nicht gerade unproblematischen Schule arbeitet, hab ich mir öfter an den Kopf gefasst, mich zum Teil gewundert, wer bitte unter solchen Umständen überhaupt unterrichten möchte, zum anderen Teil aber die Menschen bewundert, die dies auf sich nehmen und somit in meinen Augen doch ein bisschen zu einer besseren Welt beitragen.


    Während des Lesens hat mich die Art von Philipp Möller und sein Schreibstil allerdings hin und wieder etwas wütend gemacht. Ich habe etwas wie Besserwisserei und Arroganz verspürt. Es ging mir, als wollte er sagen "Ich bin ja so ein guter Lehrer und auch ein Mensch, ich bin so verständnisvoll und lieb, da könnt ihr euch noch ne Scheibe von abschneiden." Das hat mich tatsächlich im Laufe des Buches immer mehr genervt. Wie er die Zustände der Schule beanstandete, immer zu wissen meinte, was man anders und besser machen könnte. Wie er sich über die Situation des Bildungssystems auslässt, als ob er der Größte und Schlauste wäre und die Lösung für alles hätte. Und wie er am Ende doch die Schule verlässt, weil er von dem ganzen System genug hat und sich schön aus der Affäre zieht, die er doch vorher sooo wichtig fand.*


    Ich war auch etwas enttäuscht, als ich das Buch beendet hatte und dachte mir "Da fand ich Frau Freitag amüsanter, denn so besserwisserisch und lehrerhaft war ihr Buch nicht". Doch dann hab ich das Nachwort gelesen, welches ziemlich lang ausfiel und fing an, Philipp Möller und seine Absichten zu begreifen. Ich habe das Buch nicht mehr hier und da ich nichts falsch wiedergeben möchte, sag ich einfach grob. war mir im Gedächtnis blieb. Es folgte nämlich ein langer Abschnitt darüber, wie es ihm gelungen ist, auch mit schwierigen Schülern relativ gelassen umzugehen bzw. deren schwieriges Verhalten aus einer anderen Perspektive zu sehen. Hier schreibt er einiges über den Einfluss der Gene und der Umwelt, über den (vermeintlich) freien Willen und (wenn ich mich nicht irre) auch zumindest entfernt über die Verantwortung des Handelns einer Person.** Dass mich diese Gedanken seitdem nicht mehr loslassen, ist der eine Punkt. Der andere Punkt ist, dass ich irgendwie der Meinung bin, Philipp Möller hätte lieber ein Sachbuch geschrieben, aber wahrscheinlich war ein Unterhaltungsbuch einfach doch leichter an den Mann (Verlag) zu bringen. Das ist von mir gar nicht böse gemeint, denn als Sachbuch hätte ich selbst wahrscheinlich auch nicht dazu gegriffen. Und nachdem ich das Nachwort las und etwas besser auch die Absichten bzw. die Gedanken des Autors verstand, seh ich diese Passagen, die mir so lehrerhaft, besserwisserisch und arrogant vorkamen, nicht mehr so eng, ganz im Gegenteil, ich kann Philipp Möller in vielen Sätzen verstehen.


    Es fällt mir schwer, das Buch insgesamt zu bewerten. Aber es war unterhaltsam, interessant und zum Teil auch in vielerlei Hinsicht aufrüttelnd, so dass ich mit 8-9 Punkten gut leben kann.



    Ich möchte noch kurz anmerken, dass Philipp Möller offenbar sehr darin engagiert ist, Religionen insgesamt als böse hinzustellen (warum muss ich da an Tom denken :lache), auch auf seiner Homepage bezeichnet er sich als "gottlos glücklich" und man könnte meinen, er lässt nicht eine Gelegenheit aus, um darüber zu diskutieren. Von diesem Gedankengut möchte ich mich distanzieren. :lache



    *Ich muss fairerweise sagen, dass er nicht ganz freiwillig ging, aber zum damaligen Zeitpunkt des Buches empfand ich die Tatsache, dass er um keine Verlängerung gekämpft hat als Absage an seine eigenen "Ratschläge".


    **Im Nachwort kommt auch noch einiges über seine Meinung zum Bildungssystem in Deutschland, in dem er u.a. die Zustände an deutschen Schulen beanstandet.

    With love in your eyes and a flame in your heart you're gonna find yourself some resolution.


    *Bestellungen bei Amazon bitte über Forumlinks (s. Eulen-Startseite) tätigen, um so das Forum zu unterstützen.*

  • Ich hab es auch so empfunden: Herr Möller war der einzige Lehrer, der mit den Kindern umgehen konnte. Aber mich hat das nicht weiter gestört. Es war unterhaltsam und ich hab oftmals laut gelacht und manchmal dachte ich mir auch nur: wo soll das noch hinführen?


    Ein schönes Lesevergnügen mit ernstem Hintergrund.

    Ein Raum ohne Bücher ist ein Körper ohne Seele.
    - Cicero


    :lesend Harlan Coben - Ich vermisse dich