Hakan Günday: Extrem

  • Hakan Günday: Extrem
    Btb 2014. 416 Seiten
    ISBN-13: 978-3442753970. 19,99€
    Originaltitel: AZ
    Übersetzerin: Sabine Adatepe


    Verlagstext
    Dies ist die Geschichte der elfjährigen Derdâ, Schülerin auf einem ostanatolischen Internat, in dem eines Nachts ein Mädchen ums Leben kommt. Dies ist die Geschichte des elfjährigen Friedhofsjungen Derda, der in einer Behausung an der Istanbuler Friedhofsmauer lebt und den Tod seiner Mutter geheimhalten muss. Dies ist die Geschichte von Derdâ, die mit dem Anführer eines islamistischen Ordens verheiratet und nach London geschickt wird. Die zum Opfer männlicher Fantasien wird. Und die nur überlebt, weil sie sich die ihr fremde Sprache aneignet, während ihr alles andere genommen wird. Und von Derda, der sich mit Sechzehn mit dem Verkauf von Raubkopien an Straßenbuchhändler über Wasser hält. Und der ein glühender Verehrer eines türkischen Kultautors wird. Es ist die Geschichte zweier Menschen, deren Wege sich über die Literatur immer wieder kreuzen – und am Ende auch eine ganz besondere, weil außergewöhnliche Liebesgeschichte.


    Der Autor
    Hakan Günday, geboren 1976, studierte Französisch in der Türkei und in Brüssel, anschließend Politikwissenschaften in Ankara. Diplomatensohn, Bestsellerautor, Drehbuchautor, Provokateur, Enfant terrible der jungen türkischen Literatur. Seine Romane sind gleichermaßen Bestseller wie Kultbücher. Seine vielen Fans feiern ihn für seine politischen Kolumnen, seine öffentlichen Debatten und dafür, dass alles, was er tut, aus dem Rahmen fällt.


    Inhalt
    Saniye ist vom Vater ihrer Tochter Derdâ noch vor der Geburt verlassen worden. Als es in Derdâs Internat zu einem tödlichen Unfall kommt, der ihrer Tochter angelastet wird, entledigt sich Saniye der Verantwortung für ihre Tochter, indem sie die Elfjährige mit Bezir verheiratet. In Saniyes Dorf schickt man Mädchen sowieso nicht zur Schule. Als verheiratete Frau würde Derdâ wenigstens von den Müttern und Tanten des Schwiegerclans beaufsichtigt werden. Aus einem Dorf stammend, über das ein Aga als Clanchef herrscht und in dem zwischen Dorfschützer und Terrorist kein Unterschied besteht, gelangt Derdâ mit ihrem Mann nach London. Derdâ wird von ihrem Mann geschlagen, vergewaltigt, ins Haus gesperrt und spricht auch nach Jahren noch kein Wort Englisch. Fünf Jahre später kann die noch nicht volljährige "Ehefrau" aus ihrem Gefängnis flüchten, nachdem ihr Besitzer von einem Auftragskiller getötet worden ist. Derdâ beabsichtigt, den Spieß umzudrehen und sich mit einem grandiosen Rundumschlag an allen zu rächen, die sie bisher verletzt haben. Sie erkennt schnell, dass sich mit bizarren sexuellen Gewohnheiten ihrer Mitmenschen viel Geld verdienen lässt. Derdâs Rundumschlag könnte jedoch so interpretiert werden, dass sie nur ihr gewohntes Verhaltensmuster als Opfer von Gewalt beibehält, weil sie nichts anderes kennt.


    Während Derdâ mit knapp 18 in England zum ersten Mal in ihrem Leben eine Person trifft, die es gut mit ihr meint, schlägt sich in Istanbul ein Junge als Wasserträger auf einem Friedhof durch. Sein Name: Derda, nur der letzte Buchstabe unterscheidet seinen Namen von dem des zwangsverheirateten Mädchens in London. Derda lebt auf dem Friedhof möglichst unauffällig, um nicht als elternloses Kind entdeckt und ins Heim geschickt zu werden. Als Derda zu groß ist, um bei den Trauernden noch Mitleid auszulösen, arbeitet er bei einem Verkäufer von Raubdrucken. Derdas Erkennen, dass er den Grabstein eines Autors seit Jahren kennt, dessen Bücher er nun transportiert, regt ihn zwar zum Lesenlernen an, bringt ihn in der Folge aber auch für Jahrzehnte ins Gefängnis.


    Fazit
    Mit "Extrem" überschreitet Hakan Günay Grenzen des Erträglichen. Zärtlich in der Darstellung seiner Figuren, ungeheuer sarkastisch gegenüber dem "System", das die geschilderte Vernachlässigung und Misshandlung von Kindern zulässt, schreckt er weder vor einem respektlos wirkenden Umgang mit Leichenteilen zurück noch vor der Schilderung bizarrer sexueller Techniken. Das Ausmaß an Gewalt und Erniedrigung, das seine Figuren erleiden müssen, ist weder zur Einfühlung der Leser in die Figuren noch für einen Erkenntnisgewinn nötig. Mir fällt niemand ein, dem ich das Buch empfehlen würde.


    4 von 10 Punkten

  • Titel: Extrem
    OT: Az
    Autor: Hakan Günday
    Übersetzt aus dem Türkischen von: Sabine Adatepe
    Verlag: btb
    Erschienen: März 2014
    Seitenzahl: 416
    ISBN-10: 344275397X
    ISBN-13: 978-3442753970
    Preis: 19.99 EUR


    Das sagt der Klappentext:
    Dies ist die Geschichte des elfjährigen Friedhofsjungen Derda, der in einer Behausung an der Istanbuler Friedhofsmauer lebt und den Tod seiner Mutter geheimhalten muss.
    Dies ist die Geschichte von Derdƒ, die mit dem Anführer eines islamistischen Ordens verheiratet und nach London geschickt wird. Die zum Opfer männlicher Fantasien wird. Und die nur überlebt, weil sie sich die ihr fremde Sprache aneignet, während ihr alles andere genommen wird.
    Und von Derda, der sich mit Sechzehn mit dem Verkauf von Raubkopien an Straßenbuchhändler über Wasser hält. Und der ein glühender Verehrer eines türkischen Kultautors wird.
    Es ist die Geschichte zweier Menschen, deren Wege sich über die Literatur immer wieder kreuzen und am Ende auch eine ganz besondere, weil außergewöhnliche Liebesgeschichte.


    Der Autor:
    Hakan Günday wurde 1976 geboren, studierte Französisch in der Türkei und in Brüssel, anschließend Politikwissenschaften in Ankara. Er gilt als das „Entfant Terrible“ der türkischen Literatur.


    Meine Meinung:
    Ein ganz gewiss nicht alltägliches Buch, vielmehr ein Buch aus der dem Mainstream abgewandten Seite. Ein dazu aber durch und durch faszinierendes Buch. Der Autor schafft es immer wieder konträre Stimmungen dem Leser sehr nahe zu bringen. Mal zynisch kalt, mal emotional anrührend – dabei aber nie langweilig oder beliebig. Die handelnden Personen wirken authentisch, auch wenn sie mal konturenscharf und dann wieder weichgezeichnet beschrieben werden. Es sind diese vermeintlichen, vielleicht aber auch gar nicht vorhandenen Widersprüche, die dieses Buch zu einem „etwas anderen“ Leseerlebnis werden lassen.
    Destruktiv – dabei aber im Ergebnis positiv bleibend. Wer eine solche Stimmung, eine solche Atmosphäre mit Worten schaffen kann, der muss schriftstellerisch schon eine Menge auf dem Kasten haben.
    Ein Buch das aber auch polarisieren kann, scheint es doch an mancher Stelle einer ungeordneten Anarchie das Wort zu reden. Wunderbar auch der Zynismus, der böse Zynismus des Autors, der bei einigen Lesern vielleicht sogar eine galoppierende Schnappatmung auslösen könnte. So wie es aussieht, wird man diesen Autor in keine Schublade packen können und man kann nur hoffen, dass er sich nicht von irgendwelchen Stilen vereinnahmen lässt.
    Ein sehr lesenswertes Buch, ein Buch das sich wohltuend von den 08/15-Bücherstapeln in den großen Buchhandelsketten abhebt, ein Buch ohne das die Literatur, nicht nur die türkische Literatur, ganz sicher ärmer wäre. 8 Eulenpunkte.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.