Schreibwettbewerb Mai/Juni 2014 - Thema: "Störungen"

  • Thema Mai 2014:


    "Störungen"


    Vom 01. bis 31. Mai 2014 - 18:00 Uhr könnt Ihr uns Eure Beiträge für den Schreibwettbewerb Mai 2014 zu o.g. Thema per Email an schreibwettbewerb@buechereule.de zukommen lassen. Euer Beitrag wird von uns dann anonym am 1. Juni eingestellt. Den Ablauf und die Regeln könnt Ihr hier noch einmal nachlesen.


    Bitte achtet darauf, nicht mehr als 500 Wörter zu verwenden. Jeder Beitrag mit mehr als 500 Wörtern wird nicht zum Wettbewerb zugelassen!



    Achtung: Achtet bitte auf die Änderungen! Annahmeschluß ist ab sofort immer am Monatsletzten um 18:00 Uhr und die e-mail Adresse hat sich wie folgt geändert - schreibwettbewerb@buechereule.de

  • von Marlowe



    Spätestens wenn die gemeinsamen Abende damit enden, dass man sie zunächst vor dem Fernseher verbringt, ist das schöne in einer Monatsabschnittsbeziehung vorbei. Ich bemerke das immer sofort, warte auf die befreiende Worte und antworte floskeliered etwas vor mich hin. Und Tschüss!


    Diesmal war es aber anders. Lisa war gekommen, also sehr oft gekommen, um dann aber zu bleiben. Anscheinend für immer und das passte nun gar nicht zu meinem derzeitigen Lebensplan.


    Der gute Jäger lauert geduldig auf seine Chance, selbst dann, wenn er die Beute wieder los werden möchte. Lisa hatte einen Knackpunkt, sie liebte die Werbeunterbrechungen t mehr als die Filme. Fast jeden Werbetext kannte sie auswenig und bewies mir damit ihr großes Allgemeinwissen.


    Wehe, wenn ich sie dabei unterbrach. Ein Versuch war es also wert.


    Gerade lief die Bierwerbung und der Sprecher sagte: Heute ein König... als ich fröhlich ausrief: und morgen ein Alkoholiker!


    Lisa sah mich vorwurfsvoll an und zischte ich solle damit aufhören.


    Nächster Werbespot, nächster Versuch. Die Sprecherin im TV fragte, was wäre denn Weihnachten ohne Kinder? Und ich posaunte laut: Billiger, viel billiger!


    Sie sprang auf und fragte mich zornbebend, ob ich sie verarschen wolle. Nein, Fräulein Dyson sagte ich, niemals. Wieso ich sie Dyson nennen würde, wollte sie wissen und ich antwortete höflich, dass wäre wegen der starken Saugkraft auch ohne Beutel.


    Gut, das hätte ich mir vielleicht verkneifen sollen, aber das Klatschen der Ohrfeige die ich mir damit einhandelte war das Knallen der Haustüre danach ehrlich wert.

  • von n8eulchen



    Meist habe ich einen tiefen Schlaf. Ich liebe es mich in die warmen Federn zu kuscheln und zu schlummern und zu träumen, ohne den geringsten Anteil an der Welt zu nehmen. Aber in dieser Nacht kam es anders.


    Lange war ich aufgeblieben und der Morgen würde schon in wenigen Stunden dämmern. Die Nacht war schwarz und zäh wie Pech und nur vereinzelt drang milchig weißes Mondlicht durchs Geäst. Die sacht im Wind wogenden Blättter warfen tänzelnde Schatten, die eine schier hypnotische Wirkung auf mich entfalteten. Vor Übermüdung fielen mir bald die Augenlider zu und ich schlief schnell ein. Friedlich und nichts ahnend lag ich da und glitt von einem Traumgebilde in das nächste.


    Auf einmal hörte ich das bedrohliche Knacken eines Astes neben mir und riss jäh erschrocken die Augen auf. Schnell stuppste ich meine große Schwester an. Sie ruhte wie stets dicht an meiner Seite – Flügel an Flügel. Hatte einer unserer Fressfeinde den Baum erklommen, in dem unser gemütliches Nest lag? Schwesterchen krähte aufgeregt und unsere Mutter blinzelte ein paar Mal mit den großen, runden Eulenaugen, um die Müdigkeit abzuschütteln.


    Es knackte erneut. Dann raschelte etwas. Nun waren wir allesamt wach und Mutter drehte ihren Kopf weit in die Richtung, aus der die Geräusche kamen. Wir Eulenkinder zogen alle unsere Köpfe ein. Hofften, dass unsere Welt gleich wieder heil sein werde. Mutters Körper spannte sich an und sie spreizte die Flügel, um sich groß zu machen. Ihren scharfen Schnabel hielt sie in die Höhe, bereit, um auf den Gegener einzuhacken und ihn in die Flucht zu picken. Das Rascheln kam trotzdem näher.


    Die Blätter direkt vor unserem Nest wackelten und die Umrisse eines großen Vogels wurden im Mondlicht sichtbar. Er war dick und von klobiger Gestalt.


    „Hermann, verdammt, wo bist du gewesen? Du hast uns alle zu Tode erschreckt!“, schimpfte Mutter, als sie ihren Gatten erkannte.


    Paps hickste. „Da war´n so lust´sche Beer´n. Lag´n schon auf´m Bod´n. Dachte, wär´n schonnnoch gut.“ Er hickste erneut aus tiefster Kehle und stieß dann genießerisch auf. „Aber ir´ndwie mach´n die dussl´sch im Kopp.“


    „Das kann nicht wahr sein!“, ereiferte sich unsere Mutter. „Du bist Vater vierer Küken. Morgen werden wir eine dicke, fette Eule zu rupfen haben! Jetzt leg dich hin und wehe du schnarchst, dann werfe ich dich eigenflügelig aus dem Nest.“


    „Schnurpselchen, bissst so süß, wenn dich aufregst!“ Er hoppste unbeholfen etwas näher und streckte seinen rechten Flügel aus.


    „Wenn du es wagst...!“ Meine Mutter plusterte sich auf, aber um ihre Augen erschienen kleine Lachfältchen. „Schlaf jetzt!“


    „Sssu Befehl, Mylady!“, nuschelte Paps, salutierte schwankend und ließ sich ins Nest pumpsen. Er fiel auf meinen kleinen Bruder Eugen, der sich zerknittert unter ihm vorkämpfte.


    Ich kuschelte mich wieder an meine Geschwister und war froh, nach diesem Schrecken selig weiterschlummern zu dürfen. Schlaf war auch für Paps die beste Medizin!

  • von Sonne79



    Wie immer am Wochenende hatte Chrissi Dienst im Stadtmuseum. Noch war die Besucherzahl eher gering. Chrissi liebte die Zeit in der es ruhig war und sie die Gelegenheit nutzte um ein gutes Buch zu lesen. Doch heute, kaum saß sie, klingelte das Telefon.
    „Haben Sie heute geöffnet?“
    „Ja. Von 9:00 – 17:00 Uhr.“
    „Gut. Das war es schon. Vielen Dank.“
    „Sehr gerne. Auf wiederhörn.“


    Chrissi behielt das kleine Fenster, durch das sie einen Blick auf die Hauptstraße erhaschen konnte, im Auge. Keine Menschenseele war zu sehen.
    Erfreut kramte sie den E-Book Reader aus dem Rucksack, nahm Platz und begann zu lesen.


    Erneut läutete das Telefon. Schon als sie die Nummer sah, verdrehte sie die Augen. Der Chef war am Apparat.
    „Na. Schon was los?“
    „Nein. Noch gar nichts.“
    „Hm. Nun gut. Bringst du mir heute Abend das Geld?“
    „Klar.“
    „Okay. Bis nachher. Tschüss.“


    Mit einem schweren Seufzer legte Chrissi auf. Es war einfach nur nervig, dass ihr Chef ständig anrief oder vorbeischaute um die Lage zu checken. Oft erteilte er noch unangenehme Aufträge, wie Prospekte auffüllen oder Schmuck einfädeln. Mit dieser Tätigkeit bekam sie zwar die Zeit rum, aber sie kam nicht zum lesen.
    Wenn Leute kamen, legte sie den Reader sofort zur Seite. Wieder in ihren Roman vertieft bekam die Angestellte nicht mit, dass ein Auto vorfuhr. Sogleich wurde die Tür geöffnet.


    Innerlich verfluchte Chrissi die Besucher, weil sie gerade mitten in der Geschichte steckte. Äußerlich setzte sie ihr schönstens Lächeln auf und begrüßte die Familie.
    „Guten Tag. Das ist eine Familienkarte. Ich hätte gerne 6 Euro.“ Ein muskulös, braungebrannter Mann bezahlte mit einem 50 € Schein. Auch das noch.
    „Haben Sie es nicht kleiner?“
    Kurz schaute er alle Fächer seines Portmonees durch und zuckte entschuldigend mit den Schultern.
    „Na. Den kriegen wir auch so klein.“
    Chrissi nahm die Scheine aus der Kasse, gab das Wechselgeld zurück und erklärte den Rundgang. Erst als die Leute in die ersten Informationen der einzelnen Stationen eintauchten, las sie weiter.


    Sie fragte sich, ob das für heute alle Besucher waren. Dass noch keine Hauptsaison war, machte sich bemerkbar.


    Ganz in die Geschichte vertieft fieberte Chrissi mit, ob sie sich nun kriegen oder nicht und bekam kaum mit, dass ihr Chef das Museum betrat. Erschrocken klappte die Angestellte ihren Reader zu und verstaute ihn unter dem Tresen.


    „Und, hast du Geld in der Kasse? Ist Betrieb?“
    „Es war erst eine Familie hier. Ich habe nur einen Fünfziger.“
    „Gut. Den nehme ich mit. Fahre jetzt noch auf die Bank.“ Den entnommenen Betrag notierte der Chef auf der Strichliste.
    „Gut.“ Innerlich verdrehte Chrissi die Augen. Immer der gleiche Spruch.


    Skeptisch schaute sie ihrem Chef nach ob dieser auch wirklich weg fuhr. Da konnte man nie sicher sein. Doch das Auto war weg. Dafür tauchte ein Kollege auf und Chrissi sagte laut zu sich selbst: „Immer diese Störungen.“ So bekam sie nie ihr Buch aus. Stöhnend legte sie den Reader zur Seite und empfing lächelnd ihren Kollegen und das Buch musste warten.

  • von Johanna



    So aufgeregt und nervös war ich schon lange nicht mehr, habe ich doch seit langem mal wieder ein Date.
    Tatsächlich bin ich so verrückt, mich mit einem Unbekanntem aus einem Partnervermittlungsforum treffen zu wollen.
    Öffentliche Verkehrsmittel sind dafür zwar absolut nervig, aber Taxen zu teuer und zu Fuß käme ich dann wohl doch zu spät.
    Rumms, da bremst der Fahrer auch noch scharf und so ein Typ der neben mir steht, fällt auf mich, so dass ich stürze.
    Unmöglich sehe ich jetzt aus, Frisur dahin, Schmutz an der Hose, Absatz abgebrochen.
    Na toll, so kann ich da ja wohl schlecht aufkreuzen. Was laß ich mich auch auf so was ein.
    Gestatten Sie, dass ich Ihnen aufhelfe?
    Ein Blick in die Augen des Verursachers, mir wird schwindelig, ich kann den Blick nicht mehr abwenden.
    Nun sitzen wir beide im Café, nur wir beide, völlig ineinander versunken, das Date ist vergessen.

  • von Suzann



    Frau Schön, eine gut erhaltene Mitsechzigerin sitzt in Dr. Hagenbecks Untersuchungszimmer und klagt ihm ihr Leid. Ihre Stimme klingt aufgeputscht und auf ihren Wangen kleben rote Flecken. Der Doktor ist nur wenig jünger als die Dame mit der Dauerwelle im Farbton von verschimmelten Auberginen, die vor ihm auf der Stuhlkante balanciert. In den langen Jahren, in denen er sie kennt, hat er sie noch nie so aufgelöst erlebt. Nicht, als ihr Vater knapp am Herzinfarkttod vorbeischrammte. Nicht, als ihr jüngerer Bruder beinahe an einem Allergieschock verstarb, nicht als ihre Schwiegermutter von der Leiter fiel und auch nicht, als sich die Schwangerschaft ihrer Tochter als Geschlechtskrankheit erwies.


    So muss er heute erstmals in ihrer Bekanntschaft seine Meinung über Frau Schöns strapazierfähiges Nervenkostüm revidieren und überlegt, ob er ein Beruhigungsmittel verschreiben soll. Nein, eher etwas pflanzliches…, Frau Schön hat es nicht so mit pharmazeutischen Produkten. Abrupt kehrt seine Aufmerksamkeit zu seiner Patientin zurück.
    „… kann nicht mehr! Mein ganzes Leben ist in Mitleidenschaft gezogen. Hausarbeit, Freizeitaktivitäten, Einkaufen, alles läuft schief. Das ist keine Lebensqualität mehr. Wenn das so weitergeht, dann trifft mich noch der Schlag!“


    Hagenbeck versucht die stürmischen Wellen der weiblichen Aufregung zu glätten. „Das ist doch eine ganz normale Sache, Frau Schön, mit der viele Leute unseres Alters zu kämpfen haben. Nichts, was man nicht in den Griff bekäme. Geben Sie sich einfach die notwendige Zeit.“ Sein sonorer Bass und der begütigende Tonfall beruhigen die verzweifelte Frau mehr, als es der Inhalt seiner Worte tut.


    „Können Sie mir nicht helfen?“ Frau Schön hat ihre Altfrauenstimme zu einem flehenden Flüsterton gedimmt.
    „Ich könnte ihnen ein Beruhigungsmittel aufschreiben. Das hilft nachts durchzuschlafen und hebt bei längerer Einnahmedauer die Stimmung“, wagt er doch den Vorstoß mit der Chemiekeule. Der erwartete Widerspruch bleibt aus. Die Lage muss ernster sein, als er angenommen hat.
    „Das ändert allerdings nichts an der Ursache ihrer Probleme. Sie müssen lernen, damit zu leben. Schließlich ist das kein Todesurteil, auch wenn es Ihnen jetzt so vorkommen mag“, schiebt er scherzhaft nach.
    Nicht gut. Frau Schöns Miene verdüstert sich wieder.
    „Da bin ich mir nicht so sicher“, flüstert sie Schuhen zu, die für eine Frau ihres Alters überraschend schick und unbequem aussehen.


    „Wie geht es Ihrem Mann?“, leitet er die Verabschiedungsphase des Termins ein.
    Frau Schön springt auf. „Ich muss jetzt gehen!“
    „In Ordnung.“ Hagenbeck umrundet seinen Schreibtisch und legt seiner Patientin begütigend die Hand auf die Schulter. „Marion gibt Ihnen das Rezept. Bitte kommen Sie in zwei Wochen wieder vorbei und erzählen Sie mir, ob Sie mit den Tabletten zurechtkommen.“


    Hände werden geschüttelt. Frau Schön holt ihr Rezept und verschwindet durch die Praxistüre.
    Die Sprechstundenhilfe sieht fragend von Frau Schöns Karteikarte auf. „Was ist das für eine Diagnose, Chef? Das System kann mit der Abkürzung RHS leider nichts anfangen.“
    „Das…“, meint er mit geistesabwesender Miene und denkt an seine bevorstehende Pensionierung, „…das ist das Retired-Husband-Syndrom.“ Verständnislos sieht das Mädchen ihn an. Fremdsprachenkenntnisse ist bei Arzthelferinnen keine Einstellungsvoraussetzung, erinnert er sich.


    „Man könnte auch Pensionierter-Ehemann-Syndrom dazu sagen. Schlimme Sache.“

  • von Sinela



    Stefan sah die neben ihm liegende Frau an. Wie schön sie war. Die langen blonden Haare lagen wie ein Fächer um ihren Kopf herum verteilt, ihre Brust war klein und fest, ihre weiße Haut glänzte in den Strahlen der untergehenden Sonne rötlich.
    „Worauf wartest du?“
    „Ich musste dich einfach anschauen, du bist etwas ganz besonderes.“
    Margret setzte sich auf.
    „Küss mich.“
    Tief und leidenschaftlich nahm Stefan den Mund von Margret in Besitz, wanderte mit kleinen hingehauchten Küssen ihren Hals entlang um dann letztendlich an ihrer rechten Brustwarze zu knabbern. Sie stöhnte auf und davon ermutigt, begann Stefan Margrets Klitoris mit dem Finger zu stimulieren.
    „Bitte komm zu mir, ich halte es nicht mehr aus.“
    Das ließ sich Stefan nicht zweimal sagen, er drang in sie ein. Langsam bewegte er sich in ihr, um dann immer schneller zu werden.
    „Warte! Was ist das für ein Geräusch?“
    „Da ist nichts.“
    „Doch, das ist doch ein Motor.“
    „Das kommt bestimmt von der Straße hinter dem Hügel.“
    „Nein, das ist näher. Und es wird immer lauter. Geh runter, ich will mal nachschauen.“
    „Nicht jetzt, ich komme gleich.“
    Margret stieß Stefan von sich runter und setzte sich auf.
    „Sag mal, spinnst du?“
    „Oh mein Gott, da kommt der Bauer, die ernten das Feld ab. Wir müssen hier weg!“
    Nun sah auch Stefan die große Maschine immer näher kommen und brach in Hektik aus. Er sprang auf, stieg in seine Unterhose, während Margret sich bereits ihr Sommerkleid überstreifte.
    „Scheiße, wo ist meine Hose und mein T-Shirt?“
    „Woher soll ich das wissen?“
    Panisch schaute Stefan sich um. Niedergetrampeltes Getreide markierte die Strecke, den sie vom Weg aus genommen hatten, aber wo zum Geier hatte er seine Klamotten hingeworfen? Da, ein dunkler Fleck am Rande des Kreises, in dem sie sich hatten vergnügen wollen. Er rannte hin, zog sich schnell an und schlüpfte zum Schluss noch in seine Schuhe.
    „Ihr Lumpenpack, ihr damisches! Wenn ich euch erwische...“
    Mit einem vor Zorn geröteten Gesicht lief der Landwirt auf sie zu. Stefan packte Margrets Hand und zog sie mit sich. Mit großen Schritten rannten sie quer durch das Feld, verfolgt von dem laut schimpfenden Bauern.



    Margret blieb laut keuchend stehen.
    „Ich kann nicht mehr.“
    Stefan schaute sich um.
    „Alles klar, er hat es aufgegeben uns hinterherzurennen..“
    Nachdem beide wieder zu Atem gekommen waren, schlenderten sie Hand in Hand weiter.
    „Weißt du, Freiland-Sex ist schön und gut, .....“
    Margret kicherte.
    „...... aber das nächste Mal würde ich dann doch wieder das Bett vorziehen.“
    „Du hast recht, mein Bedarf an Abenteuern ist für`s erste auch gedeckt.“
    Sie schauten sich an und fingen lauthals zu lachen an.
    „Los, komm, lass uns nach Hause gehen und da weitermachen, wo wir unterbrochen worden sind.“

  • von Inkslinger



    "Nun gut.", sagte Petra und räusperte sich.
    Sie hob den Blick und versuchte, ihren Eltern, die ihr gegenüber am Küchentisch saßen, in die Augen zu schauen. Die Bilder vom vergangenen Abend kämpften sich durch den Nebel des Vergessen-Wollens und traten wieder an die Oberfläche. Petra durchlief ein Schauder und sie widmete sich doch wieder dem faszinierenden Streifenmuster der Tischdecke.


    "Uns allen ist die Situation sehr... unangenehm. Also, bringen wir das Gespräch schnell hinter uns."
    Ihr Vater Erwin brummte zustimmend, ihre Mutter Giesela schnalzte.
    "Ach, Kind! Was soll denn der ganze Zirkus hier? Du reagierst völlig übertrieben."
    Petra sah sie aufgebracht an.
    "Übertrieben?! Mutti, diese Situation... Was soll ich denn sonst machen? Wie soll ich die Bilder aus meinen Kopf kriegen, ohne darüber zu reden?"
    Giesela verdrehte genervt die Augen.
    "Du hast uns halt dabei überrascht. Sowas passiert öfter. Viele Kinder..."
    "Ja, schon.", unterbrach ihre Tochter sie. "Aber doch nicht in unserer Familie!"
    Erwin schnaubte.
    "Schätzchen, du bist 38 Jahre alt. Keine fünf oder sechs mehr!"


    Petra seufzte resigniert.
    "Wie oft macht ihr... sowas?"
    Die Eltern schauten sich schulterzuckend an.
    "Vielleicht so ein- oder zweimal die Woche."
    Petra fiel die Kinnlade runter.
    "Ein-, zweimal... Mutti, wieso machst du das mit?"
    "Weil es mir Spaß macht."
    "Aber Mutti, in deinem Alter..."
    "Pass bloß auf, was du sagst, Fräulein! Ich verstehe ja, dass es dich erschreckt hat, deine Eltern vor deinem PC zu erwischen, aber auch ältere Menschen haben ein Recht auf Spaß in den neuen Medien! Finde dich damit ab!"
    Petra stand schwungvoll auf.
    "Okay, ihr habt gewonnen! Ich ändere einfach mein Passwort und schenke euch meinen alten Laptop. Dann ist hoffentlich Ruhe!"
    Ohne eine Antwort abzuwarten stürmte sie aus der Küche.


    Erwin nahm Gieselas Hand in seine.
    "Sie hat dir das mit den neuen Medien echt abgekauft."
    Giesela strahlte ihn an.
    "Ja! Aber nächstes Mal, wenn wir online Pornos gucken, schließen wir lieber die Tür ab."

  • von Rumpelstilzchen



    Kurz nach Sonnenaufgang wache ich heute auf. Der Köter von nebenan macht Radau, wahrscheinlich hat der Nachbar ihn mal wieder angekettet. Schon jetzt tut mir jeder Knochen weh. Soll ich schon aufstehn? Zuerst überlege ich. Welcher Tag ist heute? Wirklich schon Mittwoch? Monat Mai? 2014. Ja. Hat mich doch geschockt, diese Frage vom Arzt, junger Schnösel, wie unser Bundeskanzler heißt. An die Birne, den dicken Kohl kann ich mich ja erinnern. Angeblich ist der nicht mehr da. Sowas.


    Es ist noch ziemlich dunkel, also wohl eher wolkig. Die Sonne lässt sich seit Tagen nicht blicken. Ich rolle mich auf die Seite. Da knackt es, das linke Knie tut weh. Die Hüfte sowieso. Was zwickt so eklig im Rücken?


    Könnte ich so flink herum sausen wie die Fliege um die Lampe. Sinnlos, solche Gedanken. Steh lieber auf. Raus aus dem Bett mit den Beinen und aufgesetzt. Ha, geht doch. Ich brauche doch kein höheres Bett. Das Aufstehen fällt schwer. Endlich. Das Schlimmste ist geschafft! Oder?


    Ich gehe durchs Zimmer. Schwinge mit den Armen. Öffne das Fenster. Kann ich heute auf die Zehenspitzen? Die Arme zur Decke? Einatmen. Au, nein. Das Knie.


    Und wo habe ich überhaupt meine Brille? Wieso liegt sie nicht auf dem Nachttisch? Kann gar nicht sein. Da liegt doch das Buch, ich kann doch nicht…


    Ach so, dahinter gerutscht. Also. Brille aufgesetzt. Gleich wird die Welt deutlicher.


    Kaffee wäre jetzt gut. Oder lieber Tee? Vom Kaffee wird der Magen sauer und plagt mich den ganzen Tag. Dafür duftet er gut. Kaffee kochen und Tee trinken?


    Verschwendung. Also, nur an der Kaffeedose schnuppern. Hmmm gut.


    So ein Mist, jetzt ist der Deckel runtergefallen. Zum Glück nicht die Dose voller Kaffee.


    Bücken geht auch schlecht. Aber immer noch besser, als in die Knie gehen.


    Ich habe vergessen, das Wasser anzustellen. Vielleicht gehe ich erst ins Bad?


    Nein, lieber nicht. Sonst vergesse ich wieder, dass das Teewasser kocht. Besser, ich bleibe dabei stehen. Ich kann ja derweil den Frühstückstisch decken. Tasse, Teller, Messer. Habe ich gestern kein Brot gekauft? Doch, aber was macht das im Kühlschrank? Seltsam. Dafür fehlt die Marmelade. War nicht gestern noch ein ganzes Glas Erdbeermarmelade da? Doch, ich weiß es genau. Wo kann sie nur hingeraten sein? Auf dem Tisch steht sie nicht.


    Das Teewasser kocht. Tee aufgießen. Halt, die Herdplatte abstellen. So. Und was wollte ich eben noch suchen? Richtig, die Marmelade.


    Fast fertig, jetzt muss nur noch der Tee ein wenig ziehen. Wo ist sie nur, die Marmelade? Nochmal im Kühlschrank schauen. Nein. Im Geschirrschrank? Auch nicht. Dann gibt es eben nur Butterbrot. Keine Lust, den ganzen Morgen die Marmelade zu suchen. So. Der Tee ist fertig.


    Endlich sitze ich am Frühstückstisch. Wenn ich es mir recht überlege, geht es mir doch richtig gut.

  • von Holle



    Dieser Abend war wunderbar. Sie war allein zu Haus, genoss die Ruhe. Alle Arbeiten waren erledigt, alles besorgt, was besorgt werden musste.


    Sie empfand ihr Zimmer als Entspannungsort. Auf dem Schreibtisch wartete der Computer. Eine Lieblingsseite war schon aufgerufen; dazu lief die Musik von Dead Can Dance. Alle Telefone waren ausgestellt. Aufatmend lehnte sie sich in ihrem bequemen Stuhl zurück und lächelte.


    Sie wollte spielen. Zeitmanagementspiele waren ihre Leidenschaft. Wie ein gutes Training begannen sie langsam, im Aufwärmtempo, und steigerten sich zu einer Geschwindigkeit, die keine Fehler mehr zuließ. Das war wie Sport. Der Atem wurde schneller, die Aufmerksamkeit fokussierte sich bis zum Tunnelblick, und nichts außer der Aufgabe war mehr wichtig. Erfolg setzte Dopamin im Gehirn frei, welches anschließend den Körper durchflutete. Grenzenlose Produktionssteigerung für Bauernhöfe, Friseursalons, Handelsketten und Königreiche!


    Wo war ihr Trinkglas? Die Flasche Sprudel? Die Musik klagte zu aufdringlich! Bessere Energie versprachen die Trommelgesänge der First Nations.


    Es war soweit! Sechs Ackerparzellen warteten auf effiziente Bewirtschaftung. Zur Wasserstelle laufen, eine Kanne füllen, zu einer Ackerparzelle laufen, gießen, den Mäher holen, zur gegossenen Parzelle zurückkehren, das mittlerweile hoch gewachsene Gras mähen, zur Scheune laufen, das Gras abliefern und schnell wieder zurück, um die restlichen fünf Parzellen auch zu bearbeiten.


    Die Northern Cree hatten ihr Lied beendet. Ein neues musste gewählt werden. Wofür waren eigentlich Zusammenstellungen da, Dummchen? Sie unterbrach ihr Spiel und ging auf die Suche. Oh! Hier gab es neue Beiträge über das GON 2014. Smokedance. Diesen Wettbewerb wollte sie sehen! Schnell den Bildschirm aufgeteilt zwischen Spiel und Powwow. Die Aufmerksamkeit gesplittet zwischen Tanzvorführung und Gartenarbeit. Aufgaben mit wechselnden Stressoren. Rituelle Bewegungen in traditioneller Kleidung mit modernen Details. Wow, die konnten wirklich was! Ihr Atem beschleunigte sich, und die Zeit verflog so schnell, wie die Tänzer über den Hallenboden wirbelten.


    Oje! Das Gras ihres Ackers vertrocknete! Hastig versorgte sie ihre mittlerweile zweiundvierzig Parzellen mit Wasser. Sie erntete zu Trommelgesängen Tomaten, Gurken, Gras, Rosen, Wasser- und Honigmelonen und erledigte die Aufgaben, die zusätzlich per Brief von Auftraggebern hinzukamen.


    Ihr wurde warm, darum zog sie die Jacke aus. Schon wieder ein Brief! Sie vergaß, zu atmen, die Finger flogen fieberhaft über das Manual. Im Nebenfenster konnten sich die Tanzrichter nicht auf den viertbesten Tänzer einigen. Das Publikum wurde ungeduldig.


    Ihr Kopf schwirrte und ihr Körper summte. Sie fühlte sich plötzlich nicht mehr gut. Das Herz schlug unregelmäßig. Der Puls raste. Sie musste unbedingt ihren Blutdruck messen. Schnell wurde die Manschette angelegt, und das Gerät begann, summend hochzufahren. Bei der Bewertung der Tänzerinnen gab es gerade einen Tumult, denn die Publikumsfavoritin hatte nur den dritten Platz erreicht.


    Auch ihr Blutdruck probte den Aufstand. 205/189/83? Unmöglich! Nochmal messen. Batterien austauschen.


    Es wäre sicher ratsam, einen Notfallkoffer zu packen. Wie lautete gleich der Suchbegriff für Herzklabaster? Sie fühlte keine Angst, nur Unsicherheit. Legte sich hin. Kein Krankenhaus!


    Der Versuch zu lesen beförderte sie unversehens in einen leichten Schlaf. Eine Stunde später schreckte sie plötzlich auf. Herzschlag und Puls schienen normal. Erschöpft schloss sie die Augen. Nachdenken würde sie am Morgen.