Die toten Seelen - Nikolai Gogol

  • Der zweite Teil des Buch ist nur bruchstückhaft erhalten. Gogol selbst vernichtete das Original-Manuskript kurz vor seinem Tod.


    Es beginnt mit ausführlichen Landschaftsbeschreibungen. Das gab es bisher nicht so. Höre ich da sogar ein klein bisschen Stolz auf die Heimat heraus?


    Dann wird sehr weitschweifend eine neue Person eingeführt. Deshalb gehe ich davon aus, dass sie noch eine große Rolle spielen wird. Mal sehen.


    Immer wieder schiebt Gogol umfangreiche und abwechslungsreiche Menu-Beschreibungen ein. Natürlich Kohlsuppe, Blätterteigpasteten, Kaviar, Stör, geräucherte Zungen, Hammellende, Truthahn in der Größe eines Kalbs, aber auch Hirn, gefüllter Hammelmagen, Rettich in Honig. Die Russen sind keine Kostverächter, so sie sich das leisten können.


    (Na, Appetit bekommen?)

  • Das ist ja witzig. Da gibt es einen Gutsherrn, der sein Gut wie eine Behörde organisieren will. Es gibt eine Kommision für dieses, ein Komitee für jenes und ein Bureau für wieder etwas anderes. Für alles muss ein schriftlicher Antrag in entsprechender Amtssprache eingereicht werden, der dann den Dienstweg nimmt.


    Tschitschikow schaut sich das alles skeptisch an. Aber auch für seine Geschäfte, den Kauf von toten Seelen, muss er einen schriftlichen Antrag stellen. Nichts funktioniert richtig. Doch unheimlich wurde es ihm dann, als der Antrag auf Kauf der toten Seelen abgelehnt wurde, weil es keine toten Seelen geben könne, da Seelen immer unsterblich seien. Schließlich flieht er mit wehenden Rockschößen.


    Der Kommentar des Nachbarn drückt sicher genau Gogols Meinung aus: "So ein Mensch ist sogar nützlich, weil sich in ihm karikiert und auffallend alle Dummheiten unserer Klugen spiegeln."

  • Jetzt trifft Tschitschikow zum erstenmal einen fähigen Gutsherrn, der selbst einfach lebt, fleißig und sparsam ist, den Bauern ein Vorbild. Alles gelingt ihm, die Ernten übertreffen die aller Nachbarn. Ein wahres Ideal und die ganz große Ausnahme.
    Durch seinen Mund äußert Gogol Kritik am oberflächlichen und genusssüchtigen Lebensstil. Der Mensch soll in erster Linie Landwirt sein und die Dinge herstellen, die die Menschen zum Leben brauchen. Er verurteilt es, dass Bedürfnisse nach Luxusgegenständen, wie Tabak, Zucker etc. geweckt werden, die die Menschen krank machen und verderben.
    Er verleiht Geld ohne Zinsen, wenn ihm das Projekt sinnvoll erscheint. In meinen Ohren klingt das so wie Kritik am Kapitalismus.

  • Durch die Lücken im Manuskript habe ich jetzt ein bisschen Verständnisschwierigkeiten.
    Tschitschikow ist jedenfalls wieder in der Stadt und landet im Gefängnis.
    Hier treten gleich zwei gute und rechtschaffene Menschen auf: der Generalgouverneur, der Ordnung und Gerechtigkeit schaffen will, und der Millionär, der sich für Tschitschikow einsetzt und ihn zu einer einfachen und integeren Lebensweise bekehren will.


    Die beiden diskutieren auch über Milde im Geichtswesen. Es stellt sich die Frage, ob die Sünder durch Milde einsichtig werden oder ob dadurch der Respekt vor der Justiz verloren geht.


    Für welchen weiteren Lebensweg sich Tschitschikow nach der Entlassung aus dem Gefängnis entscheidet, bleibt offen. Er selbst hat noch keinen Plan. Aber zu allererst muss er sich einen neuen Frack bestellen! :lache


    ----------- Ende -----------


    Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Gogol kein gutes Haar an der "besseren" Gesellschaft lässt. Ob Beamte und reiche Bürger in der Stadt oder die Gutsherrn auf dem Land, fast alle sind korrupt, faul, genusssüchtig, oberflächlich, unfähig, usw. Die wenigen Ausnahmen wirken da schon zu idealisiert.


    Die karikaturhafte Beschreibung der Charaktere war mir ein wahres Lesevergnügen.


    Im zweiten Teil des Buches hatte ich ein wenig den Eindruck, dass es in seiner überspitzten Ausdrucksweise etwas nachlässt und dafür mehr Landschaftsbeschreibungen enthält. Möglicherweise liegt es aber auch an den Lücken im Manuskript.


    Für Leser, denen es nicht so sehr um eine spannende Handlung geht, ist dieses Buch unbedingt zu empfehlen.