Fragen an Heidi Rehn

  • Ich suche mir diese Zitate grundsätzlich selbst aus. Die sind kein Muss, die entspringen meinem Wunsch, diese Zitate dem Ganzen voranzustellen. Meit laufen sie mir zufällig beim Lesen oder Recherchieren über den Weg und ich habe das Gefühl, damit für mich selbst einige Überlegungen, die mir bei der Geschichte durch den Kopf gehen, auf den Punkt zu bringen.


    Als Leserin liebe ich solche Zitate sehr in anderen Büchern. Mich bringt das immer dazu, darüber nachzudenken, um was es noch in der Geschichte gehen könnte. Manchmal klingen sie weit hergeholt, das stimmt. Aber trotzdem möchte ich nicht auf sie verzichten.


    Ob andere Kollegen das auch so halten, kann ich Dir allerdings nicht sagen. :-)

  • Ich schreibe das jetzt mal hier, weil es eher allgemein ist. Es ist eine Sache, die mich schon lange umtreibt.


    Joseph ist ja Zentrumsabgeordneter. Das Zentrum war, soweit ich weiß, eine katholische Partei (erst nach dem 2. Weltkrieg gab es mit der CDU/CSU eine „ölumenische“ Partei), d. h. er und seine Familie waren katholisch. Was damals mit Sicherheit hieß, daß gewisse Rituale (vom Beten bis zum Kirchgang) gepflegt wurden. Im Buch kommt solches - bisher - jedoch überhaupt nicht vor. Es ist, als ob es sich um eine religionslose Welt handelt (was heute allerdings die übliche Darstellungsweise in Romanen ist, außer in solchen, die in christlichen Verlagshäusern erscheinen).


    Ich frage mich schon lange, ob so eine atheistische Welt nicht eine Wunschvorstellung heutiger Menschen ist, indem man das heutige Säkulare einfach in die Vergangenheit projiziert. Krass und überspitzt ausgedrückt, ob die in Romanen beschriebene Welt in dieser Hinsicht nicht eine verzerrte ist.


    Oder (was mich nicht wundern würde) gibt es Vorgaben der Verlage, das Thema Religion komplett zu ignorieren?


    Warum wird das dermaßen kosequent ausgeblendet? hat man Angst davor zu erwähnen, daß die Protas am Sonntag in die Kirche gehen oder vor dem Essen beten?

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Danke Dir für diese sehr berechtigte Frage. Es stimmt, die Rosenbaums sind eine erzkatholische Familie aus dem Rheinland. Natürlich besuchen sie regelmäßig den Gottesdienst etc. Aber das kommt im Roman ganz einfach deshalb nicht vor, weil es mir für die Handlung nicht relevant erschien. Da kann man natürlich gleich einhaken und Selmas sehr fragwürdigen Lebenswandel anführen, der den Hinweis auf die Notwendigkeit der Beichte etc. mehr als gerechtfertigt erscheinen lässt. Aber auch das habe ich ausgeklammert, weil es für mich als Autorin im Rahmen meiner Romanhandlung nicht wichtig ist.


    Vorgaben seitens des Verlages gab es da nie. Ich kann das frei gestalten und entscheiden und tue das ganz nach meinem Gefühl, wie meine Geschichte für mich verlaufen muss und was sie dazu braucht. Religiöse Gefühle will ich niemals verletzen. Vielleicht ist ein gewisser Respekt vor der Religion für mich unbewusst ein Beweggrund, warum ich das in meinen Romanen nicht explizit schildere. Darüber habe ich so noch nie nachgedacht.

  • Erst mal danke für die offene Antwort. Wie erwähnt, treibt mich diese Frage schon seit einiger Zeit um.


    Zitat

    Original von Heidi Rehn
    Danke Dir für diese sehr berechtigte Frage. Es stimmt, die Rosenbaums sind eine erzkatholische Familie aus dem Rheinland. Natürlich besuchen sie regelmäßig den Gottesdienst etc. Aber das kommt im Roman ganz einfach deshalb nicht vor, weil es mir für die Handlung nicht relevant erschien.


    Sicher ist das hier überhaupt nicht relevant für den Fortgang der Handlung bzw. dieselbe an sich. Für mich gehört solches - wie drücke ich mich aus - einfach zur "Hintergrundmusik", die zu einem in sich stimmigen Bild dazu gehört.


    Es gibt in der Hinsicht (etwas überspitzt ausgedrückt) eigentlich nur zwei Arten von Romanen: christlich geprägte und säkulare. Ein bißchen eine Ausnahme davon (ich muß den Namen schon wieder nennen) sind einige Bücher von Elisabeth Büchle, zu denen ich meine hier im Forum für christl. Romane normalerweise übliche "Vorwarnung" inzwischen meist weglasse oder stark abschwäche, einfach weil das Thema Religion so normal auftaucht, daß es eben zum Alltag dazugehört, ohne hervorzustechen (wie das ansonsten im Genre christl. Romane üblich ist).


    Mir ist durchaus bewußt, daß das Thema Glaube und Religion für viele Menschen ein Reizthema ist, auch wenn es beispielsweise zu der Zeit, in der ein Roman spielt, eigentlich zwingend dazu gehört. Es muß ja nicht meine persönliche Sicht als Leser widerspiegeln, sondern sollte zur Handlung, zu den Figuren passen. Da können die dann auch schon mal Ansichten vertreten, die nicht die meinen sind. Aber wenn es in sich stimmig ist und zu den Figuren paßt, muß das dann einfach so sein.


    Aber wie gesagt, icn weiß, daß viele das anders sehen, und vermutlich deshalb das Thema Religion in heutigen Romanen meist völlig ausgeklammert wird. Mir fällt diese "Lücke" nur immer wieder auf.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Deine Beobachtung ist sicherlich richtig. Letztlich passt meine These dazu, dass wir immer mit der Brille unserer Zeit in die Vergangenheit zurückblicken. Wir leben in einer Zeit, in der Religion in unseren Breitengeraden gemeinhin nicht mehr die Rolle spielt, die sie früher innehatte. Wenn wir uns mit der Vergangenheit beschäftigen, rücken deshalb automatisch auch völlig andere Aspekte stärker in den Vordergrund. Insofern verraten die historischen Romane oft mehr über die Zeit, in der sie entstehen, als über die, in der sie speieln. :grin

  • Ich wollte nur mal kurz anmerken, dass ich eure Unterhaltungen zum Thema "Religion" hier und "andere Autoren" in einem Nachbarthread interessiert verfolge! :anbet :wave

    “Lieblose Kritik ist ein Schwert, das scheinbar den anderen, in Wirklichkeit aber den eigenen Herrn verstümmelt.”Christian Morgenstern (1871 – 1914)

  • Zitat

    Original von Heidi Rehn
    Deine Beobachtung ist sicherlich richtig. Letztlich passt meine These dazu, dass wir immer mit der Brille unserer Zeit in die Vergangenheit zurückblicken. Wir leben in einer Zeit, in der Religion in unseren Breitengeraden gemeinhin nicht mehr die Rolle spielt, die sie früher innehatte. Wenn wir uns mit der Vergangenheit beschäftigen, rücken deshalb automatisch auch völlig andere Aspekte stärker in den Vordergrund. Insofern verraten die historischen Romane oft mehr über die Zeit, in der sie entstehen, als über die, in der sie speieln. :grin


    Stimmt, darauf hatten wir uns ja schon in der LR zu "Liebe der Baumeisterin" geeinigt. Insofern ist meine Frage ja eigentlich auch schon beantwortet. :-)

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Ich finde es aber trotzdem gut, lieber SiCollier , dass Du das hier nochmal angesprochen hast. Natürlich hätte ich gelegentlich mal einen Satz zu Josephs und Hedas regelmäßigem Kirchgang fallen lassen können. Auch ein Wort zum damals sicherlich deutlich spürbaren Unterschied zwischen Katholizismus im Rheinland und in Berlin. Tja, aber wie gesagt, beim SChreiben war mir das zu selbstverständlich und außerdem nicht so entscheidend. Ach, letztlich könnte so ein Roman 1000 Seiten vertragen :grin


    @Maikäfer: Du darfst Dich gern auch in unsere Diskussion einschalten. :wave

  • Zitat

    Original von Heidi Rehn
    @Maikäfer: Du darfst Dich gern auch in unsere Diskussion einschalten. :wave


    Das hatte ich auch kurz erwogen, danke, aber momentan fehlt mir ein wenig die Zeit. Und bei der Hitze kann ich meine Gedanken auch manchmal nicht so gut ordnen :grin. Generell finde ich das Thema "Bücher/Romane und Religion/Kirche" schon recht interessant. Wäre glatt einen Extrathread wert, sofern es den noch nicht gibt. :wave

    “Lieblose Kritik ist ein Schwert, das scheinbar den anderen, in Wirklichkeit aber den eigenen Herrn verstümmelt.”Christian Morgenstern (1871 – 1914)

  • Zitat

    Original von maikaefer
    Generell finde ich das Thema "Bücher/Romane und Religion/Kirche" schon recht interessant. Wäre glatt einen Extrathread wert, sofern es den noch nicht gibt. :wave


    Das wäre gewißlich mal ein interessanter Diskussionspunkt, nur fürchte ich, daß das die Sachebene recht bald verlassen und in eine "Eulen-Glaubensdiskussion" abdriften würde. Und dazu habe ich herzlich wenig Lust. Wenngleich das Sachthema für mich ein durchaus interessantes ist, das mich schon längere Zeit beschäftigt.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Dein Einwand ist berechtigt, SiCollier, aber möglicherweise könnte man dem vorzubeugen versuchen, indem man explizit erklärt, dass es nur darum geht, über Religion in Zusammenhang mit Unterhaltungsliteratur zu diskutieren und nicht um Glauben an sich. Ich erinnere mich dunkel, dass es irgendwo mal um einen Tee-Versand ging, und da wurde sinngemäß auch gesagt, dass jetzt nicht die Angemessenheit der Preise diskutiert werden solle (letztere waren wohl sehr hoch), sondern nur der Tee-Versand an sich.
    Wir sollten die Idee im Hinterkopf behalten und auf jeden Fall vorher abklären, ob es so etwas schon gibt. Nur fehlt dir und mir momentan ganz einfach die Zeit dafür. :wave

    “Lieblose Kritik ist ein Schwert, das scheinbar den anderen, in Wirklichkeit aber den eigenen Herrn verstümmelt.”Christian Morgenstern (1871 – 1914)

  • Keine direkten Fortsetzung mit diesen Figuren. Ich schreibe gerade an einem Roman, der in der Zeit 1919-1926 spielt und quasi weiterverfolgt, wie es in den neuen politischen und wirtschaftlichen Verhältnissen jungen Menschen, die durch den Weltkrieg quasi um ihre Jugend betrogen wurde, so erging. Es fängt an in den Münchener Revolutionswirren 1919 und spannt den Bogen zu den "Roaring Twenties" in Berlin, weil es auch ein wenig um den Gegensatz dieser beiden Städte geht...